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#Für sie ist der Krieg nicht vorbei

„Für sie ist der Krieg nicht vorbei“

Seit seiner Rückkehr aus Afghanistan vor 14 Jahren findet Martin Weber selbst im Schlaf keine Ruhe. In diesem Jahr ist es besonders schlimm. Seit Februar wird er ständig mit Kriegsbildern aus der Ukraine konfrontiert, zuletzt auch wieder mit Bildern des Abzugs aus Afghanistan, der sich im Sommer jährte und jetzt im Bundestag aufgearbeitet wird. „Das reißt alles wieder auf. Man ist permanent in dieser Alarmbereitschaft, in diesem Wachmodus“, sagt er. „Wie im Einsatz.“ Weber ist Mitte 40, Fahrzeugbau-Meister und leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Außerdem ist eine Handverletzung aus Afghanistan bis heute nicht verheilt. Weber hat einen Behindertenausweis und Anspruch auf Pflege.

Wenn Weber, der eigentlich anders heißt, über die heutige Lage in Afghanistan spricht, wird seine leise Stimme mit dem sächsischen Dialekt etwas lauter. „Das ist für mich eine echte Katastrophe. In erster Linie im Hinblick auf die Bevölkerung, der man jahrelang eine blühende Zukunft versprochen hatte. In zweiter Linie im Hinblick auf jeden, der da sein Leben gelassen hat.“ Irgendwann komme dann er selbst: „Ich habe meine Gesundheit verheizt, körperlich wie seelisch, meine berufliche Zukunft verspielt, ich habe meine Unbeschwertheit in diesem Land gelassen. Für was?“

Die Sinnfrage stellen sich viele Afghanistan-Rückkehrer, weiß David Hallbauer vom Bund Deutscher Einsatz-Veteranen. 93.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten waren zwischen 2002 und 2021 in Afghanistan im Einsatz. Bis zu 20 Prozent von ihnen sind Schätzungen zufolge psychisch beeinträchtigt. Für viele war der chaotische Abzug vor gut einem Jahr ein weiterer Tiefschlag. Hallbauer erinnert sich noch gut an diese Tage. Er war damals verreist, die Anrufe aufs Bürotelefon wurden auf sein Handy weitergeleitet. „Ich habe die zwei Wochen im Familienurlaub eigentlich durchtelefoniert“, erzählt er heute. „Da waren ganz viele Menschen, die durch die Art und Weise des Abzugs retraumatisiert worden sind.“

„Verwaltungskrieg nach dem Krieg“

Traumatisch sei für viele auch der Umgang mit ihnen nach ihrer Rückkehr. Teils sei es schwer nachzuweisen, dass jemand etwa vor Jahren in Kundus mit einem bestimmten Verband unterwegs war. Anträge würden manchmal abgelehnt, Traumatisierte müssten vor Gericht ziehen. Hallbauer kennt Fälle, in denen mehr als ein Jahrzehnt verging, bis die Versorgungsansprüche bewilligt wurden. Er spricht vom „Verwaltungskrieg nach dem Krieg“. So hat es auch Martin Weber erlebt. Eine offizielle Diagnose seiner PTBS erhielt er drei Jahre nach seiner Rückkehr. Bis eine sogenannte Wehrdienstbeschädigung anerkannt wurde, vergingen zwei weitere Jahre.

Seine Geschichte erzählt Weber auf eine Art, als wäre es nicht seine eigene. Über einen besonders heftigen Raketenbeschuss sagt er: „Man hat wirklich sein ganzes Leben an sich vorbeiziehen sehen.“ Und über die erste Woche nach seiner Rückkehr in Deutschland: „Die Hälfte des Gehirns ist immer wach, massiv sensibel für alle Geräusche und Gerüche, die irgendwie so klingen oder riechen wie das, was man in Kundus erlebt hat.“

Stützpunkt Wunstorf, August 2021: Soldaten der Bundeswehr kehren von der Evakuierungsmission in Afghanistan zurück


Stützpunkt Wunstorf, August 2021: Soldaten der Bundeswehr kehren von der Evakuierungsmission in Afghanistan zurück
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Bild: dpa

Wenn Weber Kriegsbilder sieht, eine Tür laut zuschlagen hört oder die Motoren eines Flugzeugs, durchlebt er die schlimmsten Momente seines Einsatzes noch einmal. Am häufigsten den Abend des 19. Februar 2008. Es war kalt, der Himmel sternenklar, als er auf dem Rückweg aus dem Fitnessraum durch das staubige Camp lief und sich noch kurz zu Kameraden an eine Feuertonne setzte. Er hörte ein lautes Pfeifen – dann schlug eine Rakete ein, Splitter flogen durch die Luft. Weber stand wie versteinert da, konnte keine Entscheidung fällen, sich nicht rühren. „Das Schlimmste war, schnell zu entscheiden: Wo renne ich hin? Renne ich nach rechts, bin ich tot, renne ich nach links, bin ich auch tot.“

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