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#Der Vorschein des guten Lebens

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Der Vorschein des guten Lebens

Wer sich am Sonntagabend das sogenannte Triell angesehen hat mit der Absicht, dort endlich einmal die wichtigsten Programmpunkte der drei Kanzlerkandidaten kennenzulernen, der hat in den vergangenen Wochen keine Zeitung gelesen, das Radio niemals angeschaltet, im Fernsehen alle Nachrichtensendungen gemieden und ist bei keinem sozialen Medium angemeldet. So jemand hat sich also mit hoher Wahrscheinlichkeit auch das Triell nicht angesehen, zumal man ja kein Prophet sein musste, um zu ahnen, dass sich auch die geballte Unterhaltungskompetenz von Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz nicht würde messen können mit der Spannung eines „Tatorts“ oder der emotionalen Wucht eines Hollywoodfilms.

War es also Zeitverschwendung? Günther Jauch, der emeritierte Talkshowgastgeber, suggerierte das, als er nach dem Triell, beim sogenannten Analyse-Gespräch des gastgebenden Senders RTL die These aufstellte, dass die Frage, wer jetzt gewonnen habe, das eine sei. Das andere sei aber die Frage, ob das die Wahlentscheidung beeinflussen werde, was er bezweifelte. Womit Jauch den ganzen Fernsehabend ins Reich der Irrelevanz stieß – und einen der schönsten performativen Widersprüche inszenierte: Wir analysieren hier, mit wichtigen Mienen, aber eigentlich ist es egal.

Repräsentation braucht Körper

Oder kann es sein, dass zwei Damen, denen man auf den ersten Blick profunde politische Ahnungslosigkeit bescheinigen möchte, nämlich Motsi Mabuse (bekannt aus der Sendung „Let’s Dance“) und Louisa Dellert (Influencerin), im Recht waren, als sie, wie unbeholfen auch immer, darauf bestanden, dass sie etwas gesehen hatten, was der Rede wert war und was womöglich zählen könnte, wenn es darum gehen wird, welche Partei sie wählen sollen. Louisa Dellert glaubte, einen irgendwie verspannten, leicht blockierten Olaf Scholz beobachtet zu haben. Motsi Mabuse schien von der Körpersprache der Annalena Baerbock eingenommen und von der gefühlten Aggressivität Armin Laschets ein wenig abgestoßen zu sein.

Womit beide genau die Rezeptionshaltung eingenommen haben, die einer solchen Sendung angemessen ist. Die Programme sind bekannt, es geht um die Performance. Es geht um Tonfall und Mienenspiel, um Gestik und Körperhaltung – und wer das für unpolitische Kriterien hält, hat nicht nur vergessen, welche politischen Erfolge, zum Beispiel, Helmut Kohl mit seiner scheinbar unerschütterlichen Körperlichkeit und Angela Merkel mit stoischer Unbeeindrucktheit errungen haben. Er hat auch keinen Sinn dafür, dass Repräsentation weniger auf Programme angewiesen ist als auf Personen, Charaktere, Körper: Eine Kanzlerin, die ins Ausland reist (oder das Ausland empfängt), vertritt eben nicht bloß die Interessen ihres Landes; sie verkörpert es gewissermaßen. Und als Bürger dieses Landes ist man fast genötigt, sich mit ihr zu identifizieren (dass Angela Merkel auf internationalen Konferenzen meistens gelöster, freundlicher, heiterer wirkte als vor der Bundespressekonferenz, war auch für Leute, die sie nicht wählten, eine gute Nachricht). Und wer zum Volk spricht, hat dann die besten Chancen, wenn er es schafft, sich als dazugehörig und überragend zugleich zu inszenieren.

In diesem Sinn war keine der Performances am Sonntag wirklich gut. Wer das eigene Programm fehlerfrei, präzise und in der angemessenen Lautstärke herunterrattert, der rattert immer noch nur das Programm herunter. Wer jede Pointe, jede Ironie und das Bekenntnis, auch mal etwas nicht zu wissen, verweigert, der zeigt damit nicht nur einen Mangel an Respekt vor der Intelligenz des Publikums. Er offenbart damit auch, wie schwer es ihm fällt, sich ein Jenseits der Parteiprogramme vorzustellen. Dieses Jenseits ist aber der Ort, wo die moralischen, ästhetischen und womöglich die religiösen Kraftquellen guter Politik liegen könnten. Und zugleich ist es der Ort, wo das Volk sitzt und zuschaut und, wie es an diesem Abend wieder hieß, abgeholt werden könnte. Wenn es der Auftrag der Politik ist, dem Volk das gute Leben zu sichern, dann sollten Politiker fähig sein, in ihren Performances auch einen Vorschein dieses Lebens zu inszenieren.

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