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#Der Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs

„Der Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs“

Historische Zäsuren sind erst in der Rückschau meist eindeutig als solche zu erkennen. Wohlmeinende Historiker geben das auch zu, weniger wohlmeinende halten den Zeitgenossen besagter Zäsuren gerne vor, auch sie hätten schon bemerken müssen, was nun doch so eindeutig sei.

Peter Sturm

Redakteur in der Politik, zuständig für „Politische Bücher“.

Die Schlacht um Stalingrad, die vor 80 Jahren mit der Kapitulation der Reste der 6. deutschen Armee endete, ist eine bemerkenswerte Ausnahme von dieser Regel. Schon viele derjenigen, die das Drama zwischen November 1942 und Fe­bruar 1943 miterlebten, hatten den sehr bestimmten Eindruck, dass hier Kriegsentscheidendes geschehe. Dieses Ereignis markierte die erste militärische Niederlage der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, die auch durch noch so geschickte Propaganda nicht wegzudiskutieren war. Die Vernichtung einer ganzen Armee war ein Symbol, das den Deutschen kommendes Unheil ankündigte, auf alliierter Seite hingegen die Zuversicht deutlich stärkte.

Über die Frage, wieso der Untergang der 6. Armee nicht verhindert wurde, wurde intern schon während der Schlacht diskutiert. Öffentlich diente Stalingrad der Wehrmachtsgeneralität nach Kriegsende als Beleg dafür, dass Adolf Hitler an allem schuld gewesen sei. Wenn man den „Fachleuten“ in Uniform, so die Argumentation, nur vertraut hätte, wäre es zwar zum Rückzug aus der Stadt gekommen, die Armee aber nicht vernichtet worden.

In der Tat hatte Hitler der durch eine sowjetische Offensive nördlich und südlich Stalingrads im November 1942 binnen weniger Tage eingeschlossenen Armee verboten, aus dem „Kessel“ auszubrechen. Auf die Idee, sich dem offensichtlich unsinnigen Haltebefehl des „Führers“ zu widersetzen, kamen die „Fachleute“ unter den Militärs aber auch nicht. Sie verschanzten sich schon während des Krieges hinter ihrem Eid, den sie auf Hitler geleistet hatten.

Diese Argumentation bestimmte auch über lange Zeit die Diskussionen nach Kriegsende. Besonders oft wurde der „Befehlsnotstand“ dann geltend gemacht, wenn es um Kriegsverbrechen ging. Dafür machten Wehrmachtsoffiziere nach 1945 mit Vorliebe ausschließlich Angehörige der SS verantwortlich. Die Wehrmacht hingegen sei, von bedauerlichen Einzelfällen abgesehen, „sauber“ geblieben. Für die allmähliche Dekonstruktion dieser geistigen Festung brauchten Historiker viele Jahre. Aber auch in der historischen Wissenschaft wurde immer wieder das Kind in dem Sinne mit dem Bade ausgeschüttet, dass man ins andere Extrem verfiel und die Wehrmacht pauschal zu einer Verbrecherbande herabstufte.

Für die eingeschlossenen Soldaten ging es ums Überleben

Für die mehr als 200.000 Soldaten aus Deutschland und verbündeten Ländern, die über mehrere Wochen unter furchtbarsten Bedingungen die Angriffe der Roten Armee abwehrten, ging es spätestens von dem Moment an, da Versuche, den Kessel von außen aufzubrechen, gescheitert waren, nur noch ums Überleben. Die Propaganda versuchte aus dem Schicksal der Eingeschlossenen ein Heldenepos zu machen, das die Deutschen zu immer größeren Anstrengungen motivieren sollte.

Eingeprägt hat sich bei vielen Zeitgenossen die Weihnachtssendung 1942 des „Großdeutschen Rundfunks“. Dabei wurden aus dem ganzen besetzten Europa Sprecher zugeschaltet, die über die angeblich bei ihnen herrschende Stimmung erzählten. Mehrere Male rief das Berliner Funkhaus auch Stalingrad, wobei unklar blieb, ob derjenige, der da über „die Front an der Wolga“ fabulierte, sich wirklich dort befand. Auch nach der Kapitulation zelebrierte Propagandaminister Joseph Goebbels den Untergang der Armee geradezu. Das Opfer der Soldaten sei angeblich nötig gewesen, um die Lage an der Ostfront insgesamt zu stabilisieren und schließlich den „Endsieg“ herbeizuführen.

Nach der Kapitulation in Stalingrad: Deutsche Soldaten am 2. Februar 1943


Nach der Kapitulation in Stalingrad: Deutsche Soldaten am 2. Februar 1943
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Bild: dpa

So gar nicht ins Propagandabild passen wollte freilich das, was sich am Ende der Schlacht abspielte. Der Befehlshaber der 6. Armee, Friedrich Paulus, setzte sich in absolut hoffnungsloser Lage am 2. Februar 1943 endlich über die Befehle seines „Führers“ hinweg und ließ seine Soldaten die Waffen niederlegen. Hitler hatte Paulus wenige Tage zuvor noch zum Feldmarschall ernannt und damit die Erwartung verbunden, dieser werde bis zum Ende weiterkämpfen lassen und seinem Leben schließlich selbst ein Ende setzen. Paulus zog allerdings sowjetische Kriegsgefangenschaft dem „Heldentod“ vor. Mit ihm gingen nur noch etwa 90.000 Soldaten in Gefangenschaft. Von diesen sahen nur etwa 6000 die Heimat wieder.

Diese enormen Opferzahlen sind unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Situation der sowjetischen Verteidiger Stalingrads kaum besser war als die der Deutschen. Gerade viele der Einheiten, die vor der Einkesselung der 6. Armee in den Ruinen der Stadt kämpften, wurden nur durch brutale Gewalt zusammengehalten. Wer auch nur in Verdacht geriet, sich von der Front absetzen zu wollen, wurde in aller Regel umstandslos erschossen.

Insofern sind die Heldenepen, die im heutigen Russland um den Zweiten Weltkrieg gesponnen werden, ebenfalls zum größten Teil Propaganda eines Regimes, das Geschichte braucht, um sich Legitimität zu verschaffen. In Deutschland hat das Gedenken an die unzähligen Opfer des Krieges die Heldensagen abgelöst. Mit dem Begriff „Stalingrad“ können aber immer noch auch viele derjenigen etwas anfangen, die mit Geschichte sonst nicht viel zu tun haben wollen. Der Name des heutigen Wolgograds steht für den Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges, dessen furchtbarste Phasen den Zeitgenossen allerdings noch bevorstanden.

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