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#„Bei den Zahlen muss man sofort handeln“

„Bei den Zahlen muss man sofort handeln“

Herr Felbermayr, Sie haben sich bislang gegen einen schärferen Lockdown ausgesprochen. Wie beurteilen Sie die Lage heute?

Svea Junge

Auch wir als Ökonomen sind getrieben vom Infektionsgeschehen. Da der Lockdown Light auf die Zahlen nicht so wirkt, wie man sich das gewünscht hat, muss man Konsequenzen ziehen. Ich bin immer noch dafür, dass die Lockdown-Maßnahmen möglichst schonend sind. Aber wir sind jetzt in einer Situation, in der keine andere Wahl bleibt, als den bestehenden Lockdown noch einmal zu verschärfen.

Meine Bedenken sind heute auch kleiner, weil wir in eine Zeit hineingehen, in der Menschen ohnehin im Urlaub und viele Betriebe geschlossen sind. Da passt der Lockdown gut hinein. Anders wäre es, wenn die Maßnahmen in einem normalen Arbeitsmonat verschärft würden. Da wären die Schäden größer.

Hinzu kommt, dass wir aufgrund der schon jetzt wirksamen Einschränkungen in den betroffenen Branchen nicht von 100 auf 20 Prozent fallen, sondern eher von 60 auf 20 Prozent. Die Verschärfungen wirken weniger hart als wenn wir aus einem Normalzustand in den Lockdown gehen würden.

Wann wäre ein geeigneter Zeitpunkt für einen Lockdown?

Bei den Zahlen, wie sie sich jetzt darstellen, muss man sofort handeln und nicht warten, dass es zu Anpassungsreaktionen kommt. Nur dann können die Maßnahmen effizient sein. Man sollte auch jetzt sofort handeln in der Hoffnung, dass man, wenn man nun fünf Tage früher schließt, auch fünf Tage früher wieder lockern kann und die wirtschaftliche Aktivität früher wieder steigt.

Wir haben gelernt, dass die wirtschaftliche Aktivität recht schnell zurück kommt, sobald die Maßnahmen wieder gelockert werden. Das haben wir im dritten Quartal gesehen. Dort gab es nach dem Einbruch im Frühjahr eine kräftige Kompensationsbewegung. Das sollte uns ermutigen, jetzt mit aller Konsequenz zu handeln.

Wäre der Lockdown vermeidbar gewesen?

Um das zu beantworten, wissen wir zu wenig darüber, wie behördlichen Maßnahmen tatsächlich wirken. Den privaten Bereich können wir nicht kontrollieren. Wir können nicht in jedes Wohnzimmer eine Kamera oder einen Polizisten stellen. Das ist die große Unbekannte.

Die Frage ist, was man hätte anders machen können. Vielleicht anders kommunizieren? Hätte man härtere Strafen verhängen sollen? Das werden wir wenn überhaupt erst im Nachhinein wissen.

Aber wahrscheinlich wäre es besser gewesen, schon früher zu reagieren, als bei den Infektionszahlen eine Plateaubildung zu sehen war. Es ist wirklich eine frustrierende und ärgerliche Angelegenheit. Die Erfahrungen in Frankreich zeigen, dass die Zahlen nach den Lockerungen auch wieder hochgehen können. Wir müssen uns wohl darauf einrichten, dass diese Achterbahnfahrt noch eine Weile weitergeht.

Welche wirtschaftlichen Folgen haben die schärferen Maßnahmen für die Wirtschaft?

Der Lockdown ruiniert dem Einzelhandel das Weihnachtsgeschäft. Diese Zeit ist eine wichtige Phase für den Einzelhandel. Dazu gehört nicht nur das Geschäft vor Weihnachten, sondern auch das Geschäft zwischen den Jahren und die ersten Tage im neuen Jahr, wenn Geschenke umgetauscht und Gutscheine eingelöst werden. Das machen wir mit dem Lockdown kaputt.

Besonders treffen wird es den Textil- und den Spielwarenbereich, wo die Umsätze schon jetzt niedriger als üblich gewesen sind. Dort hätte es in den nächsten zehn Tagen eine Umsatzspitze gegeben. Das verschiebt sich jetzt in den Onlinehandel. Allerdings auch nicht komplett, dazu fehlt den Lieferdiensten die Infrastruktur.

Was bedeutet das für das Schlussquartal dieses Jahres?

Bisher sind wir davon ausgegangen, dass die Wirtschaft im Schlussquartal stagniert. Schließlich sind wir getragen vom Sommerelan gut in das Quartal hinein gestartet. Jetzt wird es wahrscheinlich eher zu einer leichten Eintrübung kommen. Auf die Jahresrechnung hat das aber kaum mehr einen Einfluss.

Verhagelt die zweite Corona-Welle auch den Jahresauftakt 2021?

Wir werden vermutlich ein erstes Quartal haben, in dem die Wirtschaftsleistung bestenfalls stagnieren wird – immer noch unter Vorkrisenniveau. Nach dem 10. Januar können wir voraussichtlich aus dem Lockdown wieder in ein gemäßigteres Regime wechseln. Es ist aber nicht absehbar, wann die Gastronomie oder die sozialen Dienstleister im Sport- und Eventbereich wieder öffnen können.

Wie sollte der Staat den betroffenen Unternehmen helfen?

Es ist jetzt höchste Zeit, dass wir nicht wieder in Ad-hoc-Maßnahmen verfallen, wie das im laufenden Jahr der Fall war: Erst gab es Überbrückungshilfen, dann November- und Dezemberhilfen und nun wieder Überbrückungshilfen. Das führt dazu, dass Unternehmen nicht wissen, woran sie sind und es verteuert unnötig die Antragstellung.

Es muss jetzt ein Konzept aufgesetzt werden, das nicht bei den fixen Kosten oder beim Umsatz ansetzt, sondern bei den Betriebsüberschüssen. Das sind die Umsätze abzüglich der variablen Kosten wie etwa Wareneinsatz oder Personalkosten. Diese Bezugsgröße ist besser geeignet, weil sie nicht zwischen Unternehmen verschiedener Größe diskriminiert. Sie diskriminiert auch nicht zwischen Fremd- und Eigenkapital, wie das bei den Überbrückungshilfen der Fall ist. Und schließlich diskriminiert sie auch nicht zwischen Unternehmen mit unterschiedlich hohem Anteil variabler Kosten. Davon hängt auch immer ab, wie viel der Unternehmer letztlich für sich behalten kann. Ein solches Konzept haben wir bisher noch nicht.

Wir haben im April einen entsprechenden Vorschlag gemacht und werden ihn nun detaillierter darlegen. Er sieht vor, beim Betriebsergebnis anzusetzen und den Ausfall anteilsmäßig etwa in Höhe von 85 Prozent zu ersetzen. Es wäre schön, wenn das jetzt endlich auf ernsthaftes Interesse stoßen würde.

Gabriel Felbermayr ist seit März 2019 Präsident des Instituts für Weltwirtschaft. Gleichzeitig hat er eine Professur für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik, an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel inne.

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