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#Des Menschen Wille bringt den lieben Gott aus dem Konzept

Des Menschen Wille bringt den lieben Gott aus dem Konzept

Die beste Show gibt es natürlich in der Hölle: „Nimm dir Zeit, auch du hast verdient zu leeeben“, trällert Hape Kerkeling als Teufel in einer himmlischen Revue-Nummer, umtänzelt von beinfrei befrackten Girls, und pustet dem unsterblich Verliebten und deshalb mehr als ein paar Klafter tief in Schwierigkeit steckenden Tod gänzlich das ohnehin funzelige Verstandeslicht aus.

Michael Bully Herbig in der Reprise seiner Rolle des Knochenmanns – auf gut Bairisch „Boandlkramer“ –, die er schon in Joseph Vilsmaiers Verfilmung der „Geschichte vom Brandner Kaspar“ innehatte, bietet, schwer von der Maske entstellt, wieder alle ihm zur Verfügung stehenden asymmetrischen Gesichtszuckungen und mimischen Blödigkeitsausdrücke auf, um die ebenso lächerliche wie herzige Seelenqual des Leblosesten unter den Leblosen sinnfällig zu machen – bevor er in klassischer „Dick und Doof“-Manier Kopf voran über ein geschlossenes Gartentor stürzt. Die beim Roulette mit dem Leibhaftigen auf Zeit erspielte Leiblichkeit hat eben ihre Tücken.

Dem drohenden eigenen irdischen Ende hat der im Februar 2020 verstorbene Joseph Vilsmaier ins Gesicht geschaut, als er, schwer an Krebs erkrankt, „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ drehte. Irgendwann wolle er am Set tot umfallen, hatte er im Jahr zuvor noch launig einer Kolumnistin der Münchner Abendzeitung anlässlich seines achtzigsten Geburtstags in den Block diktiert.

Da wird sein Herz schwer: Der Boandlkramer (Michael Bully Herbig) verliebt sich in Gefi (Hannah Herzsprung).


Da wird sein Herz schwer: Der Boandlkramer (Michael Bully Herbig) verliebt sich in Gefi (Hannah Herzsprung).
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Bild: Perathon Medien/Hendrik Heiden

Ganz so sollte es nicht kommen. Doch zeit seines Lebens zu arbeiten war ihm vergönnt, allein die Fertigstellung seiner letzten Regiearbeit im Schneideraum nicht mehr. Der Kinofilm, der nun wie so viele gestreamt wird – bei Amazon Prime, wo Herbig auch „LOL“ sendet –, bleibt der heitere Abschiedsgruß eines Unermüdlichen an sein Publikum.

Ein leichter, vielfach allzu leichter Film ist der „Boandlkramer“ geworden, was nicht schwer ins Gewicht fiele, wollte die Drama-Komödie nach einer Idee Herbigs nicht vielhändig auf der emotionalen Klaviatur von Gaudi über Rührung bist zum Ernst spielen: mit Motiven des Heimatfilms, des Hitparaden-Fernsehens der siebziger Jahre, des Volkstheaters und der Fantasy. Alpine Bergwelten, von Kameramann Rolf Greim in grandiose Panoramen gebannt, überhöhen das Ganze optisch.

Die Hölle ist eine Revue aus den Siebzigern: Hape Kerkeling lädt als Satan zum Lebensroulette.


Die Hölle ist eine Revue aus den Siebzigern: Hape Kerkeling lädt als Satan zum Lebensroulette.
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Bild: Perathon Medien GmbH/Hendrik Heiden

Das ist die Seelenlandschaft Vilsmaiers, wir kennen sie seit „Schlafes Bruder“ gut. Durch sie rumpelt der Boandlkramer mit seinem Pferdefuhrwerk zu Blas- und Geigenmusik (Ralf Wengenmayr und Marvin Miller) Richtung ländliches Bayern Mitte der fünfziger Jahre. In seiner vom Zweiten Weltkriegs überschatteten, im Alltag dennoch lebensfroh zupackend und vorindustriell geprägten Heimat fühlte sich Vilsmaier als Filmschaffender immer besonders wohl. Im „Boandlkramer“ warten Frauen wie Gefi, von Hannah Herzsprung nicht nur im Brautkleid als Lichtgestalt gespielt, zwischen Bangen und Hoffen auf die Heimkehr – oder eben nicht – ihrer Männer, der letzten deutschen Soldaten aus russischer Kriegsgefangenschaft.

Tief geht der Schmerz indes nicht mehr. Gefi, mit dem Fahrrad unterwegs wie einst Anna Wimschneider in „Herbstmilch“, saust Richtung Traugottesdienst mit ihrer neuen Liebe. Daran, dass daraus nichts wird, setzt ihr kleiner Sohn (Josef „Seppi“ Staber) alles – und findet einen unerwarteten Verbündeten ausgerechnet im Boandlkramer, der doch ausgezogen war, den Jungen in den Himmel zu kutschieren. Doch beim Anblick der Mutter schmilzt dem guten Kerl von Knochenkrämer das Herz.

Sie zu ehelichen ist nun sein sehnlichster und unerfüllbarer Wunsch. Statt des Kindes jubelt er den Erzengeln – Eisi Gulp und Götz Otto geben herrliches Himmelsgeflügel ab – einen für die Hölle gebuchten Heiratsschwindler (Sebastian Bezzel) unter und schließt obendrein einen Pakt mit dem Satan. Das Schöpfungschaos ist angerichtet: Keiner stirbt mehr, solange der Tod im Gewand des Fleisches auf Freiersfüßen wandelt. Der Beelzebub stößt dazu ein Gelächter aus Knacklauten aus, der Boandlkramer stammelt an Gefis Tür mit schwer verschnupfter Komödiantenstimme: „Mir pressiert’s, ich liebe Sie.“

Viel Klamauk versammelt das Drehbuch, das der „Schtonk“-Autor Ulrich Limmer, Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt, ist länger tot“) und Michael Bully Herbig geschrieben haben. Doch trotz von Herbig mit Hingabe gespielter Verbeugungen vor dem unzerstörbaren Komikerduo Stan Laurel und Oliver Hardy, trotz eines formidablen Ensembles mit berückenden Gastrollen wie der Nadja Auermanns als Himmelspförtnerin bleibt das große Feuerwerk aus. Der bullyparadige Haudrauf-Humor wird watteweich umhüllt von heimeligen Elementen, und oft genug fehlt es am rechten Timing. Da gibt es Tanz in der Kneipe, als wären wir in einem anderen Film, Tränen der Trauer und Blicke ins traute Heim, bevor der nächste Irrsinn sich Bahn bricht.

Seinen komödiantischen Höhepunkt erreicht der Film denn auch mit einfachsten, aber effektivsten Mitteln: als unter der Regie des Heiratsschwindlers bei einem Umstyling zwecks Attraktivitätssteigerung aus dem Kapuzenmann Boandlkramer eine noch fantastischere Witzfigur wird. Nie war der Tod liebenswerter als bei seinen hilflosen Bemühungen. Das stimmt versöhnlich und heiter.

Der Boandlkramer hält tatsächlich eine Reihe ewiger Erkenntnisse bereit: Gott bleibt unsichtbar und scheint mit dem freien Willen des Menschen überfordert; dass Komiker wie Herbig und Kerkeling, die der Bühne schon Ade gesagt hatten, doch nicht von ihr lassen können, lässt einen noch hoffen; der Himmel ist natürlich eine Barockkirche; die Hölle ist kein Ort, sondern in unserem Kopf und Herzen; nur die Liebe zählt; Wunder gibt es immer wieder; und wer mit Menschen lacht statt über sie, ist schon fast selig.

Der Boandlkramer und die ewige Liebe ist auf Amazon Prime abrufbar.

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