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Die einsame Insel

Wenige Tage vor dem EU-Referendum von 2016 erschien der kosmopolitische, manchmal versponnene, aber immer liberale „Spectator“ mit der Schlagzeile: „Out – and into the world!“ Es war das Motto der aufgeklärten und fröhlichen Brexit-Anhänger, von denen es mehr gibt, als man im Ausland denkt.

Jochen Buchsteiner

Boris Johnson, ein früherer Chefredakteur des Magazins, machte daraus den Regierungsslogan vom „Global Britain“. Der klang in vielen Ohren hohl, weil Offenheit normalerweise nicht damit beginnt, dass man die Zugbrücken zu Nachbarn hochzieht. Aber der Schlachtruf vermittelte denen, die im Brexit einen Nostalgie-Trip sahen, zumindest ein Quentchen Hoffnung, dass er nicht in Provinzialismus, gar Isolation enden würde. Jetzt, nach dem Abschied aus dem EU-Orbit und auf dem Höhepunkt des Lockdowns, lässt sich über derlei Zuversicht nur noch bitter lachen.

Großbritannien ist isoliert. Das hat natürlich überwiegend mit der Pandemie zu tun. Aber deren Konsequenzen verbinden sich so unentwirrbar mit den Folgen des Brexits, dass sich ein Gesamteindruck einstellt. Erstmals verstehen viele, was eine Insel ist. Nach Jahrzehnten unbegrenzten Reiseverkehrs und Zugriffs auf die europäische Warenwelt gleicht das einer fast archaischen Erfahrung: Wir sind auf uns gestellt. Wir sind allein. Um uns herum nur Wasser.

Dass das Jahrhundertereignis des Brexits zusammenfällt mit dem Jahrhundertereignis der Corona-Pandemie, ist, zumindest für den Premierminister, Fluch und Segen zugleich. Der Fallout der Seuche verstärkt die Folgen des EU-Austritts und verleiht ihm eine fast metaphysische Wucht. Andererseits verwischt er die Konsequenzen der politischen Entscheidung und hält willkommene Ausreden für Nebenwirkungen bereit.

Nicht der Kontinent ist abgeschnitten

Mit der berühmten (und leider erfundenen) Zeitungszeile „Fog over the channel – continent cut off“ lässt sich derzeit kein Joke mehr machen. Das selbstironische Spiel mit der Empire-Herrlichkeit vergangener Tage ist einem Kater gewichen. Es sind die Briten, die abgeschnitten sind und ihr Land nicht mehr verlassen können. Die Pandemiemaßnahmen haben Häfen und Flugterminals in Geisterorte verwandelt; der Grenzverkehr ist um mehr als neunzig Prozent zurückgegangen. Der Eurostar, der früher im Stundentakt auf den Kontinent fuhr, verlässt St. Pancras nur noch einmal am Tag. Wer mitwill, muss einen „vom Gesetz gedeckten Reisegrund“ vorweisen.

Schlimmer hätte kein No-Deal-Brexit ausfallen können, aber auch der vertraglich abgefederte Austritt verläuft nicht spurenfrei. Pakete aus Europa kommen nicht mehr an, und wenn, dann mit Verspätung und oft unerklärlichen Abholkosten. Der Bremer Weinhändler hat die Lieferungen ins Königreich eingestellt; zu viele Formalitäten. Beim News Agent in der High Street steckt seit Wochen keine europäische Zeitung mehr im Ständer; angeblich ist Corona schuld.

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In Nordirland klaffen Lücken in den Supermarktregalen, und an den Küsten verdirbt Fischern der Fang, weil ihn die EU aus Hygienegründen nicht mehr annimmt. Am Donnerstag wurde bekannt, dass im Londoner Finanzdistrikt erstmals weniger Aktien gehandelt wurden als in Amsterdam. All das addiert sich noch nicht zu dem „Chaos“, das die Brexit-Gegner vorausgesagt hatten, aber es braucht schon etwas Nationalstolz, um sich die Veränderungen schönzureden.

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