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#Der Türkei drohen weitere Stromausfälle und Produktionsstopps

Der Türkei drohen weitere Stromausfälle und Produktionsstopps

Während sich Europa auf eine mögliche Krise der Gasversorgung vorbereitet, ist die Türkei bereits mitten drin. Und sie könnte länger anhalten als erwartet. Am Mittwoch kündigte Präsident Recep Tayyip Erdoğan an, dass es wohl noch 10 bis 15 Tage dauern werde, bis die Gaslieferungen aus Iran wieder das gewohnte Niveau erreichen würden. Stromausfälle und Produktionsstopps in der Industrie sind eine Folge. Hoffnungen, dass Iran Anfang kommender Woche die Lieferungen wieder auf das alte Niveau erhöhen werde, scheinen damit nicht aufzugehen. Thilo Pahl, der Geschäftsführer der deutschen Außenhandelskammer Türkei, fürchtet, dass die Unterbrechung keine Ausnahme ist: „Die Unternehmen befürchten weitere Strom- und Gasabschaltungen in naher Zukunft“, sagt er der F.A.Z.

Andreas Mihm

Wirtschaftskorrespondent für Österreich, Ostmittel-, Südosteuropa und die Türkei mit Sitz in Wien.

Iran hatte seine Gaslieferungen Ende vergangener Woche zunächst überraschend eingestellt, genau zu dem Zeitpunkt, als der Verbrauch angesichts der niedrigen Wintertemperaturen auf ein Rekordhoch geschnellt war. Zwar wurde der Druck in den Gaspipelines bald wieder erhöht, aber nicht auf das alte Niveau. Statt der vertraglich zugesicherten 30 Milliarden Kubikmeter wird angeblich nur ein Drittel geliefert.

Von iranischer Seite reklamierte technische Gründe für den Druckabfall wurden türkischerseits nach dem Besuch einer Delegation in Teheran zurückgewiesen: Iran benötige das Gas offenbar selbst. Die Türkei bezieht auch Pipeline-Gas aus Aserbaidschan und Russland sowie verflüssigtes Gas (LNG) mit Tankschiffen, doch konnten die fehlenden Mengen nicht kurzfristig ausglichen werden. So waren die Auswirkungen der Störung gewaltig, auch wenn Iran laut amtlichen Daten von Januar bis Oktober nur für 16 Prozent der türkischen Gaseinfuhr stand.

Haushalte nicht betroffen

Zu spüren bekamen das als erste die Betreiber der Gaskraftwerke, denn die Behörden wiesen sie an, den Gasverbrauch um 40 Prozent zu senken. Weil auch die Stauseen in dem von Dürre geplagten Land nicht gut gefüllt sind und die Wasserkraftwerke nicht mit voller Kapazität laufen, stammt mehr als die Hälfte der Stromerzeugung nach Berichten türkischer Medien aus Gaskraftwerken.

Nachdem die Regierung versprochen hatte, dass Haushalte von Einschränkungen der Gas- und Stromversorgung nicht betroffen würden, kürzten die nationalen Betreiber des Pipeline- und Stromnetzes, Botaş und Teiaş, Stromlieferungen an Industriebetriebe. Die Unterbrechung sollte bis Donnerstag andauern. Ausnahmen gib es für Hersteller von Arznei- und Lebensmitteln. Meldungen in sozialen Medien, wonach die Gasspeicher überdurchschnittlich leer seien oder Rechnung nicht beglichen worden seien, wies Botaş zurück. Die Speicher würden maximal genutzt.

Große Unruhe in der Wirtschaft

In der Wirtschaft haben die bisher nicht gekannten Lieferunterbrechungen zu großer Unruhe geführt. Industrie- und Technologieminister Mustafa Varank und Energieminister Fatih Dönmez mussten die Maßnahmen erläutern und Manager beschwichtigen. Autohersteller wie Tofaş, ein Joint Venture der türkischen Koç Holding und des europäischen Automobilherstellers Fiat Chrysler, sowie Renault stellten die Produktion ganz ein. Auch deutsche Industriebetriebe, die in großem Umfang in der Türkei produzieren, sind betroffen. Nicht alle konnten sich wie das Siemens-Werk in Gebze nahe Istanbul auf Eigenstromerzeugung durch Solarpaneele und Generatoren verlassen.

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Die deutschen Unternehmen seien angesichts der stark reduzierten Gaslieferungen aus Iran „hochgradig verunsichert und im Alarmzustand“, sagte AHK-Geschäftsführer Pahl. Zum ersten Mal sähen sich die Industrieunternehmen in der Türkei mit solch gravierenden Störungen im Strom- und Gasmarkt konfrontiert. Größere materielle Schäden für Maschinen und Anlagen seien zwar „durch höhere Zahlungen für Energie vermieden“ worden. Um derartige Eingriffe in den Energiemarkt künftig zu vermeiden, solle die Regierung die Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien und zur Steigerung der Energieeffizienz investorenfreundlicher gestalten, riet Pahl.

In der türkischen Industrie haben die Lieferunterbrechungen die Sorge geschürt, dass der Ruf der Türkei als vertrauenswürdiger Produktionsstandort leide. Angesichts des rasanten Verfalls der Währung von 45 Prozent gegenüber dem Dollar im vergangenen Jahr und einer von Präsident Erdoğan verfolgten „unorthodoxen“ Geldpolitik mit Zinssenkungen zur Bekämpfung der Inflation steht das Land sowieso schon im Fokus des internationalen Interesses.

Realzins bei minus 22 Prozent

Im Dezember war die Inflation auf 36 Prozent gestiegen, im Januar kalkulieren Analysten mit einem Anstieg um 50 Prozent im Jahresvergleich. Die Notenbank hat in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Ausblick ihre eigene Schätzung ebenfalls angehoben. Sie erwartet nun eine Rate der Geldentwertung von 23,2 Prozent zum Jahresende, statt wie bisher von 11,8 Prozent. Der Devisenmarkt reagierte wenig verändert mit Kursen um 13,60 Lira je Dollar und 15,23 Lira je Euro. Finanzminister Nureddin Nebati hatte erst kürzlich angekündigt, Mitte kommenden Jahres, zum erwarteten Termin der Präsidentenwahl, werde die Rate wieder unter 10 Prozent gefallen sein. Erdoğans Beliebtheitswerte waren schon vor der Gas- und Stromkrise stark gesunken.

Die Regierung will mit niedrigen Zinsen – der Leitzins steht auf 14 Prozent, die Realverzinsung damit bei minus 22 Prozent – die Wirtschaftstätigkeit ankurbeln, Exporte erhöhen und die Leistungsbilanz ins Plus drehen. So will man unabhängiger von ausländischen Devisen werden, die heute unter anderem zur Bezahlung der hohen Importrechnung für Rohstoffe und Energie benötigt werden. Deren steigende Preise heizen die Inflation an, was wiederum die Währung schwächt. Letztere soll auch dadurch stabilisiert werden, dass Inländer dafür belohnt werden, wenn sie ihre Einlagen in Lira statt Devisen oder Geld bunkern. Potentielle Umtauschverluste wegen einer Abwertung will die Regierung aus dem Haushalt ersetzen.

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