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#Die Bruderschaft der Bäume

Persönlich gehaltene Abhandlungen über Tiere und Pflanzen haben eine jahrhundertelange Tradition. Zu den bekannten Namen des heute sehr gefragten Genres zählt auch der italienische Biologe Stefano Mancuso. Er hat nun ein weiteres Buch in einer ganzen Reihe von Titeln mit botanischem Schwerpunkt vorgelegt, nachdem er sich zuletzt eher oberflächlich mit den Rechten von Pflanzen auseinandersetzte. Für „Die Welt der Pflanzen“ wählt Mancuso eine bescheidenere Form. In neun Kapiteln stellt er besondere Aspekte von Pflanzen vor, mitunter verwoben mit persönlichen Beobachtungen und Erlebnissen. Dabei verzichtet er zum Glück darauf, allzu plakative Thesen von einer „Intelligenz“ der Pflanzen aufzuwärmen, wie er es in früheren Büchern tat.

In seiner Einleitung meint Mancuso, sich für sein Interesse an Pflanzen rechtfertigen zu müssen. Er fragt sich, ob er ähnlich verblendet sei wie ein Verliebter, weil er überall nur Pflanzen sehe, kommt dann aber zu dem Schluss, dass dies auf einem Planeten, dessen Bewohner zum überwiegenden Teil Pflanzen seien, gar nicht anders geht.

Wie in mi­kroskopisch kleinen Orgelpfeifen

Die einzelnen Kapitel summieren sich dann aber nicht zu einem Plädoyer oder einer übergreifenden Botschaft. Sie sind vielmehr jeweils in sich geschlossene botanische Exkursionen – etwa zu einer besonderen Klasse von Bäumen, die in Frankreich zum Andenken an die Französische Revolution und in den USA zur Erinnerung an den Unabhängigkeitskampf gepflanzt wurden. Mancuso beschreibt diese nur aus politischen Gründen existierenden Bäume als eine weit verstreute „Bruderschaft“. Er greift damit ein Sujet früherer Bücher auf, in denen es um die für das menschliche Auge unsichtbaren Verbindungen und Netzwerke zwischen Pflanzen ging. Dass dies nun auch für Bäume gelten soll, die aus derselben Intention gepflanzt wurden, wirkt durchaus hoch gegriffen.

Stefano Mancuso: „Die Welt der Pflanzen“. Und wie sie Geschichte machen.


Stefano Mancuso: „Die Welt der Pflanzen“. Und wie sie Geschichte machen.
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Bild: Klett-Cotta Verlag

Einige der Betrachtungen kommen etwas gestelzt und abstrakt daher, etwa wenn es um die Pflanzenwelt in den Städten geht. Hier könnte der Autor eigentlich in die Vollen gehen und aus seiner botanischen Praxis schöpfen. Er könnte Pflanzenarten vorstellen, die den widrigen Bedingungen großer Metropolen trotzen, er könnte ausführen, warum es wichtig ist, Stadtbäume und vernetzte Grünflächen anzulegen – damit Städte nämlich in den Hitzewellen der Zukunft überhaupt noch bewohnbar bleiben. Stattdessen bietet er hauptsächlich Architekturhistorisches, das wenig zur Sache tut und so wirkt, als habe er es aus einem Recherchedossier ins Manuskript kopiert.

Pflanzen sind eben für alles Mögliche wichtig

Solche schwachen Kapitel kann man schadlos überblättern und sich auf die gewinnbringenden Teile des Buchs konzentrieren. Dazu zählt die Erkundung der Bäume, die im Instrumentenbau zum Einsatz kommen, ein Thema, über das Mancuso geforscht hat. Die perfekte Klangleitung von Geigen ist der Schilderung zufolge auf winzige Harzkanäle zurückzuführen, die bei richtiger Lagerung hohl bleiben, „so dass die Luft in ihnen wie in mi­kroskopisch kleinen Orgelpfeifen schwingen kann“. Mitentscheidend für den Klang ist auch, wie der Harz an den Wänden dieser Kanäle kristallisiert.

Aus solchen Einblicken schöpft das Buch seine Stärke. Beeindruckend ist auch, wie Mancuso die Geschichte der Zeitmessung mithilfe von Baumringen rekonstruiert. Er fördert dabei nicht nur die Anekdote zutage, wie ein Forscher den vielleicht ältesten Baum der Welt ohne jede Not für Probenentnahmen fällte, sondern zeichnet auch nach, wie die Methode der Altersbestimmung anhand von Jahresringen anfangs belächelt wurde. Selbst für die rein physikalische Methode, zur Altersmessung Kohlenstoffisotope einzusetzen, braucht es die Baumdaten zwecks Kalibrierung. Pflanzen sind eben für alles Mögliche wichtig, so die Botschaft.

Nach eher humoristischen Ausführungen zu seiner Forschung, wie rutschig Bananenschalen wirklich sind, widmet sich Mancuso im letzten Kapitel einer weiteren geheimen „Bruderschaft“ von Bäumen. Es geht um jene Gewächse, deren Samen der Astronaut Stuart Roosa 1971 auf eine Mondmission mitgenommen und in seinem Gepäck 34-mal um den Erdtrabanten hat kreisen lassen. Nach der Rückkehr wurden die Samen zuerst in den USA, dann aber auch weltweit als „Mondbäume“ angepflanzt. Das „Nature Writing“ – zu dem Mancuso mit „Die Welt der Pflanzen“ einen kurzweiligen Beitrag leistet – schließt also den Mond mit ein.

Ob die Mondbäume und andere Gewächse aus dem Buch gleich „Geschichte machen“, wie der Untertitel verspricht, sei dahingestellt. Das tun ja zum Beispiel eher Weizenpflanzen, wenn es nicht genug von ihnen gibt und ganze Weltregionen darüber ins Chaos stürzen. Aber es reicht doch auch, wenn Pflanzen spannende Geschichten bieten.

Stefano Mancuso: „Die Welt der Pflanzen“. Und wie sie Geschichte machen. Klett-Cotta Verlag, München 2023. 192 S., Abb., geb., 25,– €.

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