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#„Die Deutschen sind es nicht gewohnt, kritisiert zu werden“

„„Die Deutschen sind es nicht gewohnt, kritisiert zu werden““

Die letzten Monate waren wohl die aufregendsten in Ihrem Leben. Wie sehr haben sie den Menschen Andrij Melnyk verändert?

Sie waren tatsächlich ein großer Einschnitt in meinem Leben. Der barbarische Krieg Russlands ist eine Katastrophe für jeden Ukrainer. Und ich war wohl psychisch nicht wirklich darauf vorbereitet. Aber als Botschafter musste ich unverzüglich handeln. Ich habe mich von dem Gedanken leiten lassen, dass ich den Deutschen, die zum Glück schon lange keinen Krieg mehr erlebt haben, anschaulich vor Augen führen muss, dass keine anderthalb Flugstunden von Berlin entfernt Menschen wie sie durch Raketen täglich ermordet und ganze Städte ausgelöscht werden.

Mit Ihren oft provokativen Aussagen haben Sie viel Kritik erfahren bis hin zum Hass. Wie haben Sie das empfunden?

Das war sehr hart. Ich habe aber nicht alle Kommentare unter meinen Twitter-Posts gelesen, sonst wäre ich verrückt geworden. Aber ich ignoriere auch nicht alles. Da muss man einfach durch. Ätzende Kritik beschränkte sich aber auf die sozialen Medien, zumal da ganz viele – vorwiegend russische – Trolle am Werk sind. Im realen Leben, auf der Straße habe ich in den letzten sechs Monaten Krieg nur ein einziges Mal erlebt, dass mich ein Mann beschimpft hat. Sonst bekomme ich sehr viel Zuspruch, unerwartet viele Menschen sprechen mich freundlich an, rufen mir zu „Danke für Ihre Arbeit“, „Wir schämen uns für unsere Regierung“, „Weiter so“, ermutigen mich oder bitten um ein Selfie. Diese riesige Unterstützung der Deutschen hat mir immer enorme Kraft gegeben.

Sie sind auch eine eigene Marke, ein Medienstar geworden, der in Talkshows Quote bringt.

Ich weiß nicht, ehrlich. Wenn schon, dann ist das eher unbewusst geschehen. Ich habe ja kein Medientraining gemacht, nie einen Coach gehabt. Musste mich allein auf mein Herz und meine Intuition verlassen. Außenministerin Baerbock hat kürzlich auf der Botschafter-Konferenz sinngemäß gefordert, dass die deutsche Diplomatie sich ändern muss, dass Botschafter auch auffallen und anecken müssen, damit sie in ihrem Empfangsstaat sichtbarer und einflussreicher werden. Für mich war das eine Bestätigung, dass mein lauter unorthodoxer Kommunikationsstil richtig war.

Wenn Sie ein Fazit ziehen: Hat sich dieser offensive und undiplomatische Stil politisch gelohnt?

Ich glaube ja. Für die sogenannten Promis gilt ja: Hauptsache, es wird über sie in der Presse berichtet, egal, ob gut oder schlecht. Das konnte ich früher nicht begreifen, erst jetzt habe ich den Sinn verstanden. Das Wichtigste für mich war, dass durch meine bescheidene Person die Ukraine und dieser grausame Russlandkrieg im Mittelpunkt der öffentlichen und medialen Debatte in Deutschland bleiben, und dass dadurch der politische Druck auf die zögerliche Bundesregierung erhört wird. Auch die Polarisierung, die mir nun von manchen vorgeworfen wird, hat bestimmt dazu beigetragen. Vor diesem großen Krieg war die Ukraine leider sehr weit weg im Bewusstsein der Deutschen. Es war vielleicht auch nicht falsch, dass die Menschen hier meine ausblutende Heimat mit einem Gesicht verbinden konnten. Manche Leute haben sich wahrscheinlich von meiner Kritik der Ampel vor den Kopf gestoßen gefühlt. Aber diese „How dare you“-Aufregung hat nicht so viel mit mir zu tun, sondern damit, dass die Deutschen es nicht gewohnt sind, von anderen öffentlich kritisiert zu werden, und schon gar nicht von einem Osteuropäer. Die Bundesrepublik ist das wirtschaftlich erfolgreichste Land in Europa, in der Welt auf Platz vier. Dass jemand diesem Land schwere Vorwürfe macht, das war für viele Menschen ein Novum, unerhört.

Was würden Sie im Rückblick anders machen?

Ich habe Berlin seit Beginn des Krieges nur zweimal verlassen, einmal bin ich nach Freiburg, Partnerstadt meiner Heimat Lwiw, gereist und einmal zu einer ukrainischen Theateruraufführung nach Siegen. Die Berliner politische Blase zu verlassen hat mir sehr gutgetan. Diese Flucht hätte ich öfter machen müssen. Mehr mit einfachen Menschen sprechen. Wenn ich lese, dass 60 Prozent der Ostdeutschen Nord Stream 2 in Betrieb nehmen wollen, weil sie glauben, dass dann ein Liter Sprit 1,20 Euro kosten würde, dann denke ich: Diesen Menschen sollte man persönlich erklären, was Putin will und dass das alles nur Wunschdenken ist, weil deutsche Politiker ihnen jahrzehntelang schöne Märchen erzählt haben.

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