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#Die ehemalige Eurountergrenze des Schweizer Frankens – zoon politikon

Die ehemalige Eurountergrenze des Schweizer Frankens – zoon politikon

Zentralbanker pflegen die Langeweile. Unaufgeregtheit ist Pflichtprogramm. Nur keine schnelle Bewegungen. Die Finanzmärkte könnten etwas falsch verstehen und zurückschiessen. Nun kommt die vielleicht langweiligste Notenbank der Welt (ok, nicht ganz) und stellt alles auf den Kopf.

Am 15. Januar 2015 wurde eine Medienmitteilung der Schweizer Nationalbank lapidar mit “Die Schweizerische Nationalbank hebt den Mindestkurs von 1.20 Franken pro Euro auf” eingeleitet. Der Euro/Franken Kurs fiel daraufhin in den Keller und die Schweizer Börse ging ebenfalls auf Sinkflug. Gewerkschaften, Industrie und Politik rieben sich verblüfft die Augen und versuchten zu verstehen, was gerade passiert ist. Nun hat sich der Pulverdampf etwas gelichtet und wir hatten etwas Zeit zum Nachdenken.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich über ein Aufheben einer Schweizerfranken-Euro-Untergrenze blogge. Damals ging es noch um die 1.43 Grenze. So sah das aus

IntradayCHFEURNun war die Untergrenze auf 1.20 angelegt. Und das hier passierte:

CHFEUR_Jan15

Zumindest theoretisch kann eine solche Untergrenze durch eine Nationalbank problemlos gehalten werden kann. Dies leuchtet intuitiv ein stellt man sich die andere Währung einfach als ein normales Gut vor: Eier statt Euro, Dörrbohnen statt Dollar. Der Preis wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Die Notenbank hat jedoch den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu uns, Geld drucken kann.1 Das heisst, sie kann sozusagen eine beliebige Nachfrage für Euros schaffen. Gibt es zu viele Eier und deren Preis sinkt deswegen, kann die Notenbank Eier kaufen bis diese Nachfrage den Preis wieder auf das gewünschte Niveau gehievt hat. Geld ist nicht das Problem. In die andere Richtung ist natürlich schwieriger, weil man dort nicht unlimitierte Ressourcen zur Verfügung hat. Das wäre eine Obergrenze die mit Devisen gedeckt werden muss. Doch “unlimitiert” ist vor allem ein theoretisches Konzept. Es gibt durchaus Probleme die damit einhergehen, zum Beispiel kann es zu Finanzblasenbildung führen.

Notenbanken machen keine radikalen Schritte.  Wenn ein Zinsschritt um 0.25% Punkte tiefer oder höher ausfällt als erwartet, ist das in der Regel schon “eine grosse Überraschung”. Wo Glaubwürdigkeit und Vorhersagbarkeit sozusagen Währung ist, dort ist eine Politik der kleinen Schritte Gold wert. Sind also den Schweizer Bankern die Sicherungen durchgebrannt?

Ich glaube nicht. Hier eine kleine Spekulation: Ich vermute sie gehen schlicht davon aus, dass sich die Lage und der Druck auf den Schweizer Franken potentiell weiter verschärft hätte. Vor den Wahlen am 25 Januar in Griechenland wird ein “Grexit” wieder diskutiert (d.h. eine Aufgabe des Euros durch Griechenland). Am Donnerstag steht eine wichtige Sitzung der Europäischen Zentralbank an. Es wird vermutet, dass die EZB anfangen wird, Staatsanleihen zu kaufen (oft als Quantitative Easing bezeichnet). Es besteht sicher ein Wille die Wirtschaft des Euroraumes durch eine expansivere Geldpolitik anzuschubsen. Je nach Marktreaktionen hätte all dies den Druck auf den Schweizerfranken massiv erhöhen können. Und da hatte die Schweizer Nationalbank vielleicht ein grösseres Problem gekriegt.

Wenn man sich auf eine festen Kurs verpflichtet ist die grosse Frage, was die Exit-Strategie ist. Wenn Glaubwürdigkeit die Währung Nummer eins ist, kann man nicht heute Grenzen festlegen und sie morgen wieder fallen lassen. Eine Untergrenze ist natürlich immer glaubwürdiger als eine Obergrenze. Es ist gut möglich, dass in naher Zukunft die Märkte darauf spekuliert hätten, dass die SNB nicht mehr so fest an die Untergrenze glaubt. Hätte die Schweizer Nationalbank gar angedeutet, dass sie den Franken wieder in die Freiheit entlassen könnte, hätte es wohl sowieso kein Halten mehr gegeben.

Wenn ich heute 100 Euro in der Hand halte und ich davon ausgehe, dass ich für dieselben Euros Morgen viel weniger Schweizer Franken kriege, dann gehe ich heute zur Wechselstube. Genau das machen auch die Finanzmärkte. Hält die SNB diesem Ansturm an, kann ich bei bedarf ja wieder zurück wechseln. Falls nicht, stehe ich im Gegensatz zu jenen, die es nicht gemacht haben, gut da. Ich kann also nur gewinnen und kaum etwas verlieren. Darum wäre schon alleine eine Andeutung durch die SNB, ein Signal zum Angriff gewesen. Hätte die Schweizer Nationalbank danach den Kurs aufgeben müssen, hätte es so ausgesehen, als ob sie von den Finanzmärkte dazu gezwungen wurde. Jetzt war es sie, die die Märkte bewegte und nicht umgekehrt. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, wenn man auf Reputation bauen möchte.

Dazu kommt, dass sich die SNB so neue Flexibilität geschaffen hat um auf kommende Stürme zu reagieren (siehe auch mein Eintrag zur unmöglichen Dreifaltigkeit in der Gelpolitik). So gesehen, hat die SNB vielleicht keinen eleganten aber den Umständen entsprechend gar nicht so schlechten Ausgang gefunden. Zumindest ist er höchstwahrscheinlich besser als die Alternativen (zB. langsamer Ausstieg; Änderung der Politik nach Angriff durch die Devisenmärkte). Natürlich kann man das nicht öfters wiederholen, auch das würde die Glaubwürdigkeit untergraben.

1 Man möge mich mit “Geld drucken” nicht all zu wörtlich nehmen. Vom Prinzip her stimmt es.

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