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#Die Erfindung der Mafia

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Die Erfindung der Mafia

Die Mafia hat seit Jahrzehnten einen festen Platz in der Popkultur. Und weil die Popkultur immer Bilder braucht, denken viele Leute, wenn es um die Mafia geht, weniger an unscheinbare Männer, die auch in Deutschland Geschäfte machen, als an tätowierte Kleinganoven mit Undercut, die in Neapels Altstadt herumballern. Was nicht bedeutet, es gäbe keine Beziehung zwischen Wahrheit und Fiktion, zwischen echter Mafia und Fernsehgangstern. Das sieht man daran, dass neapolitanische Kleinkriminelle ihre eigenen Abbilder im Fernsehen kennen und diese wiederum zurück in die Wirklichkeit kopieren.

Anna Vollmer

Redakteurin im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Diese Beobachtung ist nicht neu. Es gab sie schon, als Anfang der Siebzigerjahre „Der Pate“ in die Kinos kam. Der Ethnologe und Literaturwissenschaftler Ulrich van Loyen stellt seinem neuen Buch „Der Pate und sein Schatten – Die Literatur der Mafia“ aber eine steilere These voran. Er schreibt: „Allerdings könnte man auch erwägen, dass die Ursprünge der Mafia vor allem inszeniert werden, sprachlich und literarisch, um sie dann in die Tat umzusetzen. Die Mafia stellte, so gesehen, eine Erfindung dar, einen Mythos, der anschließend seine Wahrheit behauptet.“ Eine Überlegung, die van Loyen nicht klar belegen kann, schon allein, weil niemand so genau weiß, wie die Mafia im 19. Jahrhundert eigentlich entstanden ist.

Bilder, Zeichen und Erzählungen

Doch ist „Der Pate und sein Schatten“ kein Geschichtsbuch. Und so werden die Verbrechen der Mafia, die Maxiprozesse, mit denen die italienische Staatsanwaltschaft gegen das organisierte Verbrechen vorging und -geht, nur am Rande erwähnt. Van Loyens Essay, der sprunghaft und zuweilen überaus komplex ist, interessiert sich für „Mafiapoetics“, wie er es nennt – für die Bilder, Zeichen und Erzählungen, mit denen die Mafia ihr eigenes Bild erschafft. Diese ethnologische Perspektive klingt der brutalen Realität des organisierten Verbrechens zunächst einmal wenig angemessen. Sie ist aber doch ein guter Ansatz, um nicht nur von der Mafia und ihrem Selbstverständnis, sondern auch von unserem gesellschaftlichen Verhältnis zu ihr zu erzählen.

Ulrich van Loyen: „Der Pate und sein Schatten“. Die Literatur der Mafia.


Ulrich van Loyen: „Der Pate und sein Schatten“. Die Literatur der Mafia.
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Bild: Matthes & Seitz Verlag

Van Loyen betrachtet zunächst alle drei großen kriminellen Vereinigungen, die sizilianische Cosa Nostra, die kala­bresische ’ndrangheta und die neapolitanische Camorra, die er, aufgrund ihrer unterschiedlichen Organisationsform und Geschichte, scharf voneinander trennt. Gemein ist ihnen allerdings, sich Literatur und Legenden auf unterschiedliche Weise zunutze zu machen. Die Beispiele, die der Autor hierfür anführt, sind zahlreich. So brachte der Anwalt des neapolitanischen Bosses Raffaele Cutolo eine Sammlung von dessen Gedichten heraus und argumentierte, ein so empfindsamer Mann wie dieser könne kaum die ihm zugeschriebenen Verbrechen begehen. Und als vor einigen Jahren Videoaufnahmen auftauchten, auf denen zu sehen war, dass sich zukünftige Mitglieder der ’ndrangheta bei ihrem Aufnahmeritual auf die Legende dreier spanischer Soldaten, Osso, Mastrosso und Carcagnosso, beziehen, behaupteten die ’ndranghetisti in der Gerichtsverhandlung, dies sei lediglich eine folkloristische Darstellung. Der Versuch, „sich als traditionswahrende Laienspielgruppe zu inszenieren“, blieb vor Gericht zwar meistens erfolglos, schreibt van Loyen lapidar. In vielen anderen Fällen ging die Strategie jedoch auf.

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