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#Ohne Bleibe bist du nichts

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Ohne Bleibe bist du nichts

Wer verübt eine derart schreckliche Tat an einer wehrlosen Frau, die ohnehin schon am Boden liegt, mitten in Köln? Eine Obdachlose wurde nachts in Brand gesteckt, und die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) stehen erst einmal ratlos neben der verkohlten Leiche unter der Brücke. Ihre Ermittlungen führen ins Obdachlosenmilieu – wo sie vor allem auf weitere Frauen treffen. Wehrhafte, robuste, von den Härten des Lebens hart gewordene Charaktere, wie es scheint.

Ursula Scheer

Da ist die zupackende Regine Weigand (Hildegard Schroeter), die als städtische Angestellte in einer Notunterkunft arbeitet. Im Kreis ihrer „Kunden“ versammeln sich unterschiedliche Temperamente, Generationen und Schicksale.

Die Seniorin Gertrud (Dana Cebulla) verteidigt aggressiv ihren Platz auf der Domplatte, aber streichelt zärtlich ihren Schoßhund. Katja Fischer (Jana Julia Roth) hat einen Job als Altenpflegerin und trotzdem die Wohnung verloren und schläft in ihrem Auto.

Monika Keller (Rike Eckermann) fiel aus dem bürgerlichen Leben, als ihr Sohn zu Tode kam. Nun will sie einen Vergewaltiger vor Gericht bringen und nimmt weibliche Neuankömmlinge unter ihre Fittiche – wie Ella Jung (Ricarda Seifried), eine scheue Person mit blondem Haar und Mäusestimmchen. Dass diese ihren gewalttätigen Ehemann in Gegenwehr halb oder ganz tot geschlagen hat, sieht man ihr nicht an. Als Wohnungslose versteckt sie sich vor der Polizei – und wird doch bald von den Kölner Ermittlern dringend gesucht, als entscheidende Zeugin oder gar Täterin.

Hadern bei Currywurst und Bier mit dem Sozialsystem: Freddy Schenk (Dietmar Bär, vorne) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt).


Hadern bei Currywurst und Bier mit dem Sozialsystem: Freddy Schenk (Dietmar Bär, vorne) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt).
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Bild: WDR/Martin Valentin Menke

Einfühlungsvermögen für Menschen ganz unten zeichnet das Drehbuch von Jürgen Werner aus, in dem die Kommissare zu Nebenfiguren werden. Die alten Haudegen geben ihren Mitarbeitern Norbert Jütte (Roland Riebling) – zuständig für Empathie bis zur Ermittlungsgefährdung – und Natalie Förster (Tinka Fürst) – zuständig für giftige Kommentare – nur noch ein paar Stichworte und philosophieren am Rhein menschenfreundlich über das ungerechte Sozialsystem.

Nina Wolfrum inszeniert den Frauenkrimi schnörkellos und nah an den Figuren. Ob man diesen, um drängende körperliche Bedürfnisse zu illustrieren, unbedingt auf die Toilette folgen muss, ist eine andere Frage. Mit inszenatorischer Sicherheit dagegen erzeugt die „Tatort“- Folge mit dem etwas sperrigen Titel „Wie alle anderen auch“ ein Gefühl für die latente Gefahr, in der die Frauen auf der Straße schweben – und in die sich vor allem die Identifikationsfigur Ella begibt.

Eben noch war sie, wie sie im inneren Monolog spricht, eine Frau mit Beruf, Wohnung und Mann, nun schläft sie auf einer Isomatte im Freien oder bei einem – reichlich offensichtlich – als „Psycho“ markiertem Typen namens Axel (Niklas Kohrt) in dessen ranziger Souterrainwohnung, wo ein „King Kong“-Plakat an der Wand und eine nackte Schaufensterpuppe in der Ecke zur Gruselkulisse beitragen.

Not der Verzweiflung

Allzu große Härten muten Buch und Regie dem Publikum mit dieser Milieustudie nicht zu, obwohl es um Gewalt, Drogen und menschliche Zerrüttung geht. Dafür sorgt die Kunst der Auslassung. Bevor die Faust den Schädel trifft, bevor anderes Schlimmes geschieht, wird es dunkel oder folgt ein Schnitt. Die Konzentration auf Frauen, die tatsächlich unter den Obdachlosen in der Minderheit sind, und darüber hinaus auf nur mäßig verwahrloste Typen mit nahbaren Lebensläufen, vermeidet ein Abdriften Richtung Elendsschau, gibt aber trotz des Mordes ein geschöntes Bild ab. Nur der mutmaßliche Vergewaltiger Thomas (Jean-Luc Bubert) darf den Verrohten geben

Anrührend sind die beiden Sequenzen, in denen zu einlullenden Versionen von Tom Walkers „Leave a Light on“ oder Frank Sinatras „New York“ panoramaartig das Sich-Festkrallen am kleinsten Glück ins Bild rückt (Kamera Katharina Dießner). Es gibt viele Verdächtige, doch klar ist: Wer immer es war, muss aus Verzweiflung gehandelt haben. Über diesen Krimi-Umweg Sensibilität für die Not vor der Haustür zu schaffen ist ein Verdienst dieses „Tatorts“. Denn wie es dort heißt: „Ohne Wohnung hast du keine Chance.“

Der „Tatort: Wie alle anderen auch“ läuft am heutigen Sonntag, 21.März, um 20.15 Uhr im Ersten.

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