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#Die freundliche Fassade der Taliban zerbricht

Die freundliche Fassade der Taliban zerbricht

Für die Standards der Islamisten war die Art und Weise, in der sie sich seit der Eroberung Kabuls präsentierten, nahezu eine Charmeoffensive. Den Afghanen wurde Sicherheit auf den Straßen versprochen. Die Taliban verkündeten, Soldaten und Regierungsmitarbeiter hätten ebenso wenig zu befürchten wie frühere Ortskräfte der ausländischen Truppen oder internationaler Organisationen.

Die Taliban würden „nicht versuchen, an irgendjemandem Rache zu nehmen“, sagte ihr Sprecher Zabihullah Mudschahid in seiner ersten Pressekonferenz in Kabul am Dienstag. Das Recht von Frauen auf Bildung werde geschützt, hieß es, und sie könnten sogar für die Regierung arbeiten. Werbewirksam ließ ein führender Talib sich von einer Frau im Fernsehen interviewen.

Dass sie das moderne, liberale Segment der Stadtbevölkerungen mit diesen Botschaften nicht überzeugen würden, wird den Taliban bewusst sein. Das Ziel dürfte daher eher sein, zum einen nach außen hin Mäßigung zu demonstrieren. Zum anderen wollten die Taliban, möglicherweise selbst überrascht von der Geschwindigkeit ihres Eroberungszuges, die Bevölkerung ruhig halten und in Sicherheit wiegen, während sie die Machtübernahme komplettieren.

Erste Proteste gegen die Islamisten

Die Fassade von Ruhe und Ordnung hat im Laufe der Woche jedoch immer mehr Risse bekommen. So hat sich in Kabul sowie in mehreren weiteren Städten inzwischen erster Unmut über die Islamisten öffentlich bemerkbar gemacht. Menschen gingen mit Flaggen der Republik Afghanistan auf die Straße. Ein Zeichen des Nationalstolzes, mehr noch aber ein Statement gegen die Taliban, die stets klargemacht haben, dass sie von Demokratie wenig halten, und die nach ihrem Einmarsch afghanische Flaggen entfernt hatten. In den Städten Dschalalabad und Asadabad im Osten des Landes wurden mehrere Menschen getötet, als die Taliban gegen die Demonstranten vorgingen.

Frauen treffen die Scharia-Regeln besonders: Sich unverschleiert zu treffen, wie hier noch Anfang August in Kabul wird wohl nicht mehr möglich sein.


Frauen treffen die Scharia-Regeln besonders: Sich unverschleiert zu treffen, wie hier noch Anfang August in Kabul wird wohl nicht mehr möglich sein.
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Bild: AFP

Zugleich häufen sich Berichte, die entlarven, was die Versprechungen der Taliban, niemand habe irgendetwas von ihnen zu befürchten, vermutlich von Beginn an waren: Lug und Trug. Der Sender Tolo berichtete am Freitag über Regierungsmitarbeiter, die nach der Machtübernahme durch die Taliban verschwunden seien. In sozialen Netzwerken kursieren Videos, die angeblich die Hinrichtung des Polizeichefs der Provinz Badghis zeigen sollen; es blieb unklar, ob die Aufnahmen authentisch sind.

Listen von früheren Regierungsmitarbeitern

Amnesty International beschuldigte die Taliban, Anfang Juli in der Provinz Ghasni neun Angehörige der Volksgruppe der Hazara gefoltert und ermordet zu haben. Dies stelle aber nur einen „winzigen Teil“ der Todesopfer dar, für die die Islamisten im Zuge ihres militärischen Vormarschs verantwortlich seien, schrieb die Menschenrechtsorganisation.

Die Islamisten hätten eine Liste führender Mitarbeiter der bisherigen Regierung erstellt, heißt es in einem vertraulichen Bericht für die Vereinten Nationen, der von der Denkfabrik Norwegian Center for Global Analyses (RHIPTO) verfasst worden ist und aus dem mehrere Medien zitierten. „Die Taliban intensivieren die Jagd auf alle Individuen und Mitarbeiter des früheren Regimes, und sofern das erfolglos ist, nehmen sie die Familien ins Visier, nehmen sie fest und bestrafen sie gemäß ihrer eigenen Interpretation des Scharia-Rechts“, fasst der auf Mittwoch datierte Bericht zusammen. Die Namen für die Listen seien schon vor der Eroberung der großen Städte durch die Taliban zusammengestellt und die Wohnorte in Karten markiert worden.

Ortskräfte werden auf dem Weg zum Flughafen zum Ziel

Besonderer Gefahr sind demnach all diejenigen ausgesetzt, die in wichtigen Positionen beim Militär, bei der Polizei und in Ermittlungsbehörden tätig waren. Als Beleg wird in dem RHIPTO-Bericht ein Schreiben der Taliban an einen angeblichen früheren Mitarbeiter einer Antiterrorbehörde vom Montag angeführt. Darin werde dem zur Vernehmung einbestellten Mann angedroht, wenn er nicht erscheine, „werden stattdessen deine Familienangehörigen festgenommen, und du bist dann dafür verantwortlich“.

Die Taliban suchen dem Bericht zufolge auch an den Checkpoints, etwa zum Flughafen in Kabul, intensiv nach „Schlüsselpersonen“ – im Wissen, dass solche Afghanen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit versuchen, das Land mit einem der Evakuierungsflüge zu verlassen. Und sie rekrutieren Informanten und kontaktieren Händler und Moscheen. Es gibt auch Befürchtungen, dass die Taliban nun Zugriff auf Datenbanken haben, in denen Informationen zur Bevölkerung gespeichert sind.

Journalisten in Gefahr

Auch welcher Gefährdung Journalisten durch die neuen Herrscher unterliegen, wird immer deutlicher. Bei allen Mängeln des Staatswesens war die Pressefreiheit in Afghanistan bis zuletzt vergleichsweise groß gewesen; zugleich waren Journalisten oftmals Ziel von Anschlägen geworden.

Nun berichten afghanische Journalisten und Nichtregierungsorganisationen von Übergriffen: Mitarbeiter von Medien seien von Taliban geschlagen, belästigt, ihre Häuser durchsucht worden. Einen krassen Vorfall machte die Deutsche Welle am Donnerstag öffentlich: Auf der Suche nach einem Journalisten des deutschen Auslandsfernsehens hätten Taliban einen Familienangehörigen des Mannes erschossen und einen weiteren schwer verletzt.

Die Fernsehmoderatorin Shabnam Dawran berichtete unterdessen in einem in sozialen Netzwerken verbreiteten Video, ihr sei es untersagt worden, an ihren Arbeitsplatz beim staatlichen Sender RTA zurückzukehren. Auch andere Journalistinnen in Kabul wurden Medienberichten zufolge von den Taliban angewiesen, zu Hause zu bleiben, bis die Islamisten Regeln für den Umgang mit Frauen am Arbeitsplatz veröffentlicht hätten. Tage zuvor hatte es noch Berichte gegeben, wonach Taliban im Land von Haus zu Haus gingen und Menschen dazu aufforderten, wieder zur Arbeit zu gehen.

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