Nachrichten

#Die Geschichten der 95 Prozent

Die Geschichten der 95 Prozent

Wer mal etwas länger Fußball gespielt hat in seinem Leben, ob nun in den siebziger, achtziger, neunziger oder nuller Jahren, der hat, wenn er ehrlich ist, zumindest einen Nachmittag lang davon geträumt, Profi zu werden. Nicht Netzer, Zidane oder Messi, der Torjäger des Heimatklubs, der Keeper, der den Bayern ein 0:0 abtrotzte, hätte auch schon gereicht. Es ist ein typischer Jungs- und ein Jugendtraum, denn der Fußballprofi ist eine „Sehnsuchtsfigur“ geworden, wie es früher Rockstars waren oder heute Influencer, schreibt Ronald Reng in seinem neuen Buch „Der große Traum“.

F.A.Z. Newsletter Sport

Mo. – Fr. um 16.00 Uhr; Sa. – So. um 18.00 Uhr

ANMELDEN


Peter Körte

Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Nicht nur geträumt, sondern ihren Traum beharrlich verfolgt haben in den letzten zehn Jahren in Deutschland 26.000 junge Menschen in 57 Nachwuchsleistungszentren. Fünf Prozent von ihnen haben den Sprung in den bezahlten Fußball geschafft – in anderen Berufsfeldern wäre man mit einer solchen Quote kaum zufrieden, weil es nach einem krassen Missverhältnis zwischen Ausbildung und Bedarf aussieht. Aber zu den glücklichen fünf Prozent aus früheren Jahren gehören eben auch die Weltmeister von 2014 als Kinder dieser Leistungszentren. Und wenn einer wie Robin Gosens es auch ohne Leistungszentrum in die Nationalmannschaft schafft, wird er mittlerweile bestaunt wie ein mittleres Wunder.

Aber was ist mit den 95 Prozent? Mit ihren Hoffnungen, Wünschen und Enttäuschungen? Was ist das für ein Gefühl, eine Jugend im Zeichen des Fußballs verbracht zu haben und dann den Traum platzen zu sehen? Wie ist es für die Familien, die diesen Traum oft geteilt und das Familienleben danach ausgerichtet haben? Es ist ein schöner Zufall, dass sich mit diesen Fragen derzeit zwei Langzeitbeobachtungen beschäftigen: das Buch von Ronald Reng und ein Dokumentarfilm von Christoph Hübner und Gabriele Voss.

Drei Jungs mit guten Chancen

Rengs Buch hat den Untertitel „Drei Jungs wollen in die Bundesliga“. Es verfolgt den Weg der drei zwischen 2013 und 2021. Der Film „Nachspiel“ beschließt eine Trilogie, die Ende der neunziger Jahre in der damals erfolgreichen Dortmunder A-Jugend einsetzte. Über ein paar der Jungs haben Hübner/Voss 2003 einen ersten Film ins Kino gebracht, „Die Champions“, es folgte 2010 „Halbzeit“. Und während der erste Film den Untertitel „Der Traum vom Fußball“ trug, ging es im zweiten um den Weg „Vom Traum ins Leben“. Jetzt, 2021, geht es um das Leben nach dem Fußball.

Reng kam eher zufällig zu seinem Stoff. Nach einer Lesung sprach ihn die Mutter des Profis Markus Steinhöfer an. Sie hatte im Fränkischen eine kleine Agentur gegründet und kümmerte sich um drei Jungs, damals 17 und 18 Jahre alt, die weite Strecken aus ihren Heimatorten in die Leistungszentren von Nürnberg und Fürth zurücklegten. „Als ich Niko, Marius und Foti schließlich kennenlernte, hatten alle drei gute Chancen, Profi zu werden“, erinnert sich Reng.

Reng erzählt, wie man das von ihm kennt, lebendig und mitreißend, er taucht ein in die jeweiligen Lebenswelten, erfährt von ersten Freundinnen und Verletzungen, von Trainern, die demütigen, und solchen, die aufbauen. Foti hat mehr mit der Strenge am bayrischen Fußballgymnasium zu kämpfen als mit gegnerischen Abwehrspielern. Marius wird nach mühsam erkämpftem Realschulabschluss die Banklehre schmeißen. Niko wird seinen Vater, der Fliesenleger ist, enttäuschen, wenn er selber Fliesenleger wird, weil er keine Lust mehr auf die Quälerei in der Regionalliga hat. Was er mit dem guten Spruch kommentiert, früher habe er immer Fußballer im Fernsehen beobachtet, „heute schaue ich automatisch auf jeder Toilette, wie die Fliesen verlegt sind“.

Die jeweilige Entwicklung, das wird schnell sichtbar, ist nicht nur eine Frage des Talents, auch nicht des puren Wollens, es spielen viele andere Faktoren hinein, nicht zuletzt, wie auf dem Platz, das Timing. Da sind frühe Hoffnungen, an denen einer zu lange festhält, aber eben auch späte Triumphe, sich gegen Trainer, die einen schon ausmustern wollten, durchgebissen zu haben.

Busfahrer statt Fußballprofi

Ronald Reng hat sehr viel Zuneigung für die jungen Männer und über die Jahre auch ihr Vertrauen gewonnen, sodass sie ihm viele Einblicke in ihr Leben gewährten. Da ist immer noch Kontakt zu Niko und zu Foti, der demnächst seine Lehre als Versicherungskaufmann abschließen wird. Und sogar zu Marius Wolf, dem Bundesligaprofi, dem das 2013 am wenigsten zuzutrauen war. Mit 26 Jahren hat er inzwischen fast mehr Vereine gesehen als Tattoos gesammelt. Seine Zukunft beim BVB ist ungewiss. Aber Reng schafft es, dass man auch in Wolf, dessen Auftritte nicht unbedingt hohe Sympathiewerte erzielen, vor allem den Träumer sieht, der kaum fassen kann, dass das alles wirklich in Erfüllung gegangen ist.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!