#Die helfenden Hände von rechts
Inhaltsverzeichnis
„Die helfenden Hände von rechts“
Was sie in Ahrweiler aufgebaut hätten, sei Nothilfe vom Feinsten, sagt Nikolai N., während er die Kamera auf sich richtet. Schlamm klebt an seiner Haut, seiner Kleidung und den Gummistiefeln. Dass er und seine Gefolgschaft im Hochwassergebiet Schlamm schippen, sei „eine der Not folgende Maßnahme aus dem Volk“ und habe mit Instrumentalisierung durch „Querdenker“ und rechte Verschwörungsideologen nichts zu tun. Was Nikolai N. den Menschen in Ahrweiler aber wohl verschweigt: Er ist ein rechtsextremer und antisemitischer Videoblogger. Im Dezember 2019 wurde der unter dem Namen „Volkslehrer“ bekannte Aktivist wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt – er hatte im Februar zuvor in der KZ-Gedenkstätte Dachau den Holocaust geleugnet. Nach einem Besuch in der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen hatte er zudem in einem inzwischen depublizierten Video die Opferzahl der Schoa angezweifelt und das Tagebuch von Anne Frank als „kindliches Fantasieprodukt“ bezeichnet. Die Opfer des rassistischen Attentats in Hanau diffamierte er als Kriminelle, weshalb die Stadt Hanau den Rechtsradikalen im Februar dieses Jahres angezeigt hat.
Das Polizeipräsidium Koblenz möchte sich auf Anfrage der F.A.Z. nicht zu der Thematik äußern. Doch den Behörden sind solche Aktivitäten im Krisengebiet nicht unbekannt: Laut einem Tweet der Polizei in Koblenz sind aktuell Rechtsextreme als „Kümmerer vor Ort“ unterwegs. Eingegriffen werde, sobald gegen geltendes Recht verstoßen und die Lage für politische Zwecke ausgenutzt werde. In Nikolai N.s fast 35.000 Follower zählenden Telegram-Gruppe war und ist er nie unpolitisch: Neben Videos zu den Aufräumarbeiten verbreitete er kürzlich auch lobpreisend das Foto eines Mannes aus der rechtsextremen Szene, der sich dem Aufdruck seines T-Shirts zufolge offenbar an der Inhaftierung einer Holocaust-Leugnerin stört. Auch Frauen aus dem Umfeld der Identitären-Bewegung inszenieren sich im Katastrophengebiet als Trümmerfrauen der Neuzeit und posieren in den sozialen Medien vor dem, was nach der Flut übrig blieb. Wie auch in rechtsextremen Aufmärschen werden die Katastrophentouristinnen hier in der vordersten Reihe plaziert, um einen weniger militanten Anschein zu erwecken. In den Kommentaren unter einem solchen Posting auf Instagram schreibt ein Mann jedoch: „Deutschland über alles.“
Ein Mann schreibt: „Deutschland über alles.“
Mit der Flutkatastrophe entdeckt das Konglomerat aus „Querdenkern“ und Neonazis offenbar ein neues Thema für sich, das es mit rechtsextremer Ideologie und Falschinformationen kombiniert. Manche von ihnen reisten gar mit eigenen Bussen an, in denen in der Vergangenheit Corona-Leugner zu Demonstrationen gefahren wurden. Die Organisatoren jener Busfahrten selbst nahmen etwa in Plauen in Sachsen auf einer Demo der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ teil, die von verschiedenen Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern beobachtet wird. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, hatte jüngst erklärt, die Corona-Proteste seien zwar zurückgegangen. Nicht verschwunden seien aber bestimmte Protagonisten, nicht zuletzt auch aus dem Spektrum von „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“. Diese lehnten demokratisch getroffene Entscheidungen ab und zielten darauf ab, „das Vertrauen in staatliche Institutionen und seine Repräsentanten nachhaltig zu erschüttern“.
Bei der Hochwasserkatastrophe handele es sich um „vorsätzliches Staatsversagen“ behaupten die Rechtsextremen in den sozialen Medien. Merkel habe die Menschen ertrinken lassen, heißt es in ihren Ferndiagnosen, „die Medien“ würden dies verheimlichen. Der Antisemit und aufgrund eines Haftbefehls in die Türkei geflohene Attila Hildmann meint, das Hochwasser sei künstlich erzeugt: „Es ist Krieg“. Ohne Hetze kommt die Hilfsaktion von rechts nicht aus. „Wir helfen, wo der Staat versagt“, heißt es etwa von der NPD-nahen Initiative „Jugend packt an“. Auch geht es darum, ein Leid gegen das andere auszuspielen: Merkel zahle Geld für Geflüchtete, nicht aber für die Flutopfer. Die Frustration und Trauer der Menschen in Ahrweiler, die vor den Trümmern ihrer eigenen Existenz stehen, wird ausgenutzt und politisch aufgeladen.
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.