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#Die Kirche und der Ukraine-Krieg: Gesinnung zum Frieden

„Die Kirche und der Ukraine-Krieg: Gesinnung zum Frieden“

Gewalt wäre eine Lösung gewesen. Seine Gefolgschaft hätte zum Schwert greifen und dafür sorgen können, dass er nicht zum Tode verurteilt und nicht wie ein gemeiner Verbrecher ans Kreuz geschlagen wird. Doch Jesus begründet, warum ein solcher Einsatz von Gewalt für ihn keine Option ist: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen.“

Der Satz ist an Pontius Pilatus gerichtet, den Statthalter eines Reiches, das kaum stärker „von dieser Welt“ hätte sein können. Der Wortwechsel zwischen Jesus und Pilatus bildet eine Schlüsselstelle im Johannesevangelium. Denn er macht klar, dass es nicht nur zwischen der Passion Christi und der Anwendung von Gewalt einen Zusammenhang gibt, sondern dass sich das Christentum schon seit seinen Anfängen mit dem Problem der Politischen Theologie be­fasst hat.

Aufgeladene Reichsmythen

Das deutsche Wort „Reich“ führt gleich mitten hinein ins Problem. Es erinnert an das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“, in dem sich politische und religiöse Vorstellungen miteinander vermengten. Nach dessen Ende im Jahr 1806 geisterte der Reichsmythos im deutschsprachigen Raum zunehmend herrenlos weiter durch die Köpfe, bis er nach zwei verlorenen Weltkriegen politisch obsolet und moralisch bankrott war.

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Ein religiös aufgeladener Reichsmythos ist allerdings kein deutsches Alleinstellungsmerkmal, sondern hat auch in Russland eine lange Tradition. Dort stellt sich das Problem der Politischen Theologie sogar noch verschärft, weil in der ostkirchlichen Tradition, anders als in den lateinischen Kirchen, die Vorstellung einer „Symphonia“ von staatlicher und kirchlicher Gewalt sehr bedeutsam ist. Hinzu kommt eine brisante Parallele zwischen dem heutigen Russland und der Lage in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg: In beiden Fällen speisen sich die überschießenden imperialen Gelüste aus einer unbewältigten Erfahrung: Beide Male hatte das „Reich“ Teile seiner vermeintlich heiligen Erde verloren.

Kyrills Theologie als „Gotteslästerung“

Der Moskauer Patriarch Kyrill hat die Russisch-Orthodoxe Kirche in den Dienst eines Kults gestellt, der aus gegensätzlichen ideologischen Versatzstücken von Zarismus bis Stalinismus besteht. Sein Ziel ist die Wiederherstellung des verlorenen Im­periums. Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus nennt die Poli­tische Theologie Kyrills eine „Gotteslästerung“. Das ist angesichts des Verses aus dem Johannesevangelium ein hartes, aber zutreffendes Wort. Denn das Reich Gottes, von dem Jesus spricht, stützt sich nicht auf den Einsatz von Panzern und Raketen.

Die Theologie steht deshalb vor der Aufgabe, den Überblendungen des weltlichen und des göttlichen Reiches entgegenzutreten, die ein Grundübel der Religionsgeschichte darstellen. Eine denkbare Lösung zur Trennung dieser beider Reiche ist ein radikaler Pazifismus, der rohe Gewalt wehrlos, aber unbeugsam erduldet. Eine solche Form der Nachfolge Jesu kann zu be­eindruckenden Zeugnissen des christlichen Glaubens führen. Fragwürdig ist indes ein Wohnzimmersessel­pazifismus, der sich darin erschöpft, anderen das wehrlose Erleiden von Ge­walt anzuempfehlen.

Pazifismus funktioniert als Existenzform, nicht als politische Theologie. Martin Luther hat dieses Problem prägnant beschrieben: „Wenn du auch dessen nicht bedarfst, dass man deinen Feind strafe, so bedarf’s aber dein kranker Nächster. Dem sollst Du helfen, dass er Frieden habe.“

Friedenstaube: Wie das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche sich während des Ukraine-Krieges Anfang April 2022 inszeniert.


Friedenstaube: Wie das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche sich während des Ukraine-Krieges Anfang April 2022 inszeniert.
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Bild: AP

Den Schutz mit Gewalt durchsetzen

Diese Einsicht führte Luther auch zu seiner sogenannten Zwei-Reiche-Lehre. Solange man bloß auf die ei­genen Belange verzichtet, kann (und soll) man nach den Regeln des Reiches handeln, „das nicht von dieser Welt ist“. Sobald man jedoch die In­teressen Dritter und insbesondere der Schwachen vertritt, muss das Recht des weltlichen Reichs zur Geltung gebracht werden: Ein Recht, das nicht religiös überhöht wird, das nicht in die Freiheit des Gewissens eingreift, das sich auf seine diesseitige Schutzfunktion beschränkt, aber diesen Schutz, sofern erforderlich, auch mit dem Einsatz von Gewalt durchsetzt. Luthers Zwei-Reiche-Lehre war insofern eine Kritik von politischen Theologien, die beide Reiche mit­einander vermengten.

Allerdings bleibt die Frage, wo „das Reich, das nicht von dieser Welt ist“, überhaupt noch Raum gewinnen kann. Lässt die Zwei-Reiche-Lehre die Nächstenliebe und die Gewalt­losigkeit im privaten Raum versanden, statt sie auch politisch zur Geltung zu bringen? Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Die Kar- und Ostertage bieten Gelegenheit, das eigene Gewissen darauf zu prüfen, inwieweit die Bilder aus dem Krieg bereits die eigenen Gefühle verrohen oder der Wunsch nach Gerechtigkeit für die Opfer vom eigenen Wunsch nach Rache überlagert wird. Denn in den Herzen des Menschen darf es keine zwei Reiche geben. Auch in Kriegszeiten muss die Gesinnung zum Frieden leitend sein.

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