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#Die Königin des Tierreichs

Die Königin des Tierreichs

Löwen und Lämmer sind immer für eine Metapher gut, schwingt doch sofort Jesajas Prophezeiung vom absoluten Frieden mit, in dem Raubtier und potentielle Beute friedlich beieinanderliegen. Dass es im Film „I Care a Lot“ keineswegs friedlich zugehen wird, ist also schon klar, als Marla Grayson (Rosamund Pike) zu Beginn verkündet, sie sei eine Löwin. Noch bevor sie das erste Mal zu sehen ist, verlacht sie im Prolog das Publikum: „Sie denken, Sie seien gute Menschen. Das sind Sie nicht. Gute Menschen gibt es gar nicht.“ Ihre düster-zynische Botschaft vom skrupellosen Streben nach Reichtum wird von den neonpinken, verspielten Buchstaben des Titels gebrochen. Da fällt es leicht, diese These sofort wieder zu vergessen. Auch weil Rosamund Pike es schafft, dass man ihre Marla sympathisch findet, wenn sie mit eisernem Willen auf ihre Ziele zumarschiert.

Maria Wiesner

Etwa vor Gericht, wo sie mit akkuratestem Föhnbob und mitfühlendem Lächeln einem Richter verkaufen kann, dass ihr doch wirklich nur das Wohl ihrer Mündel am Herzen liege, jener alten, hilflosen Männer und Frauen, die sie zu deren eigener Sicherheit vor der Unfähigkeit ihrer Familien schützen müsse. Die Bewunderung, die Marla dem Zuschauer für ihre Gaunertricks abringt, ist die gleiche, die man auch für die tödliche Schönheit eines Hais empfindet. Und so herzlich wie das Lächeln dieses Raubfischs ist dann auch jenes, das Marla an der Haustür von Jennifer Peterson (Dianne Wiest) aufsetzt. Ihr sonnengelber Zweiteiler und der diesmal leicht angezauste Bob sollen Vertrauen erwecken, das Lächeln aber lässt Unglück ahnen. Marla hält Peterson ein Gerichtsschreiben unter die Nase, das sie zum Vormund der fitten Dame macht, und verfrachtet die schockierte Frau umgehend aus dem teuren Eigenheim in eine Pflegeanstalt, um innerhalb weniger Tage die komplette Einrichtung unter den Hammer zu bringen. Um die Pflege zu finanzieren, versteht sich.

Das ist der Trick, die Gesetzeslücke, die Marla entdeckt hat, um reich zu werden. Sie hat darum ein ganzes Unternehmen aufgebaut, das nicht nur mehrere Angestellte umfasst, darunter ihre Rechercheurin und Geliebte Fran (Eiza González), sondern auch auf die von Geldgier getriebene Komplizenschaft eines Pflegeheimdirektors und einer Ärztin baut, die Marla über besonders vielversprechende, sprich reiche Patienten ohne Familienanhang informiert. Da der britische Regisseur J Blakeson aber keinen Dokumentarfilm über Korruption im Pflegesystem drehen wollte, sondern der Frage nachgeht, was passiert, wenn man den amerikanischen Traum, in dem jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, mit härtester Konsequenz verfolgt, lässt er auf Marla einen Gegenspieler los, der ihr in puncto Skrupellosigkeit auf Augenhöhe begegnen kann.

Katz-und-Maus-Spiel zwischen Dinklage und Pike

Peter Dinklage spielt diesen Russenmafiaboss. Das Drehbuch gibt ihm zwar meist nicht mehr zu tun, als sich sehr wütend über die Unfähigkeit seiner Untergebenen oder das Scheitern eines Plans zu zeigen, doch er beherrscht die Leinwand in jedem dieser Momente. Wenig Text gleicht er mit kleinsten Ideen aus; so passiv-aggressiv hat noch niemand ein Schoko-Eclair gegessen.

Dinklage und Pike schaffen es gemeinsam, Spannung und Ton des Films zu halten. Letzterer ist, trotz all der bösen Dinge, die Menschen hier Menschen antun, weder moralisch aufgeladen noch allzu zynisch. Es ist der Ton einer schwarzen Komödie, der man die britische Heimat des Regisseurs anmerkt. Die Bilder baden in den satten Farben des Werbefernsehens. Die Handlung wird von scharfen Dialogzeilen, Slapstick und Witzen durchbrochen. Man soll diese bösen Menschen sympathisch finden. Schließlich fiebert man mit Marlas Gaunereien ähnlich mit wie mit George Clooneys Danny Ocean in der „Ocean’s“-Reihe. Vor Dinklages Wut erzittert man beinahe mit der gleichen Schaulust wie vor Al Pacinos Paten. Blakeson arrangiert dieses Katz-und-Maus-Spiel so, dass man mal dem einen, mal der anderen Daumen drückt. Und darüber fasst vergisst, wie sehr beide von Gier getrieben sind.

Trinkt nicht nur Smoothies, wirft sie auch: Peter Dinklage als Mafiaboss


Trinkt nicht nur Smoothies, wirft sie auch: Peter Dinklage als Mafiaboss
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Bild: AP

J Blakeson hatte sich dem Thema, was Geld mit Menschen macht, bereits in seinem vielgelobten Regiedebüt „Spurlos – Die Entführung der Alice Creed“ (2009) gewidmet. Darin hintergingen sich zwei Entführer für ein paar Millionen – und aus Eifersucht. Hier nun dreht er seine künstlerische Beobachtung über die Gier ein Stück weiter, denkt konsequent zu Ende, was in einer Gesellschaft passiert, in der das Streben nach dem eigenen Glück alle Regeln außer Kraft setzt. So wie einige BWL-Studenten Leonardo DiCaprios „Wolf of Wall Street“ und die Incel-Subkultur Joaquin Phoenix’ „Joker“ aufgrund der Inszenierung als Helden missverstanden haben, könnte auch die Figur der Marla als Heldin durchgehen. Wäre da nicht das Ende. Denn gerade als es nach fast zwei Stunden so aussieht, als könnte die zynische Weltsicht der Gauner gewinnen, wird die These von den Löwen und Lämmern noch um ein entscheidendes Stück ergänzt: Wenn man so handelt, als gelten die Regeln einer Gesellschaft nicht für einen selbst, dann kann es passieren, dass diejenigen, die man eigennützig übers Ohr gehauen hat, sich ebenso kaltblütig rächen. Das ist dann nicht mehr lustig, aber konsequent in seiner Betrachtung.

„I Care a Lot“ ist bei Netflix abrufbar.

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