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#„Die Kompetenz haben wir gar nicht“

„Die Kompetenz haben wir gar nicht“

Auf den Schultern von Raimund Röseler lastet bald große Verantwortung. Anfang April muss er kommissarisch die Leitung der kriselnden Finanzaufsichtsbehörde Bafin übernehmen, bis ein Nachfolger für den über den Wirecard-Skandal gestolperten Präsidenten Felix Hufeld gefunden ist. Dass sich auch Röseler als Exekutivdirektor für die Bankenaufsicht gern auf fehlende Zuständigkeiten der Bafin für ausgebliebenes Handeln beruft, zeigt ein aktueller Strafprozess um „Cum-Ex“-Geschäfte am Landgericht Bonn.

Marcus Jung

Hanno Mußler

Dort musste der bislang vornehmlich in Fachkreisen bekannte Röseler vor wenigen Tagen als Zeuge gegen einen früheren Generalbevollmächtigten der Hamburger Privatbank M.M. Warburg aussagen. Seine Antworten liegen der F.A.Z. vor.

Im Gerichtssaal sah sich der Bafin-Exekutivdirektor demnach ein Stück weit zwischen allen Stühlen: Einerseits musste sich Röseler des Vorwurfs erwehren, die Bafin sei eine Art Handlanger der Staatsanwaltschaft gewesen, als sie im Jahr 2016 die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte als Sonderprüfer in die Warburg-Bank schickte.

Kaum Sonderprüfungen von Banken 

Anderseits offenbart Röseler in seiner Aussage: Die Bafin hat zur Aufklärung des inzwischen von vielen als „größter Steuerbetrug der Geschichte“ eingeschätzten Cum-Ex-Komplexes, in den Maple Bank, Warburg, West LB und eine Vielzahl Depotbanken, Fondsgesellschaften und Broker durch Aktienkreisgeschäfte verwickelt sind, überhaupt nur zwei Sonderprüfungen in Banken angeordnet. Zum Vergleich: Zwischen 2009 und 2013 führte die Finanzaufsicht in vier deutschen Großbanken – Commerzbank, DZ Bank, Nord LB und HSH Nordbank – 15 Sonderprüfungen allein zu den Risiken ihrer Schiffskredite durch.

Vor dem Gericht in Bonn gestand Röseler auf Nachfragen des Vorsitzenden Richters Roland Zickler und der Staatsanwaltschaft die fehlende Steuerrechtskompetenz der Bafin offen ein. Im Fokus stehe für die Behörde die Solvenz, also die Robustheit der zu beaufsichtigenden Banken und die persönliche Zuverlässigkeit und fachliche Eignung der Geschäftsleitung.

„Das sind Angriffspunkte, wo wir dann aktiv werden“, berichtete Röseler unter Verweis auf das Kreditwesengesetz. Ein kritisches Hinterfragen zur Strafbarkeit der Cum-Ex-Geschäfte gab es in der Bafin offenkundig nicht, eine Ermittlungszuständigkeit oder gar -verantwortung wie bei einem Steuerfahnder sieht das Gesetz gerade nicht vor.

Keine leichte Aufgabe: Raimund Röseler, Exekutivdirektor der Bankenaufsicht, soll die krisengebeutelte Behörde von April an leiten.


Keine leichte Aufgabe: Raimund Röseler, Exekutivdirektor der Bankenaufsicht, soll die krisengebeutelte Behörde von April an leiten.
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Bild: dpa

Auf Hinweise der Staatsanwaltschaft oder der Finanzbehörden habe man die Gespräche mit Banken gesucht, erklärte Röseler vor Gericht. Doch die Bafin verließ sich im Anschluss offenbar sehr auf die interne Revision und die Untersuchungen durch auf Compliance spezialisierte Kanzleien. „Deswegen hatten wir dann nicht mehr viel Arbeit“, erinnert sich Röseler, der seit 2011 oberster Bankenaufseher ist.

In der Bafin habe man „keinen Handlungsbedarf“ im Jahr 2012 gesehen – also genau dann, als beim Gesetzgeber (auch erst) die Alarmleuchten angingen und er die Steuerlücke schloss, die eine mehrfache Rückerstattung der nur einmal angefallenen Kapitalertragsteuer ermöglicht hatte.

Ein Problembewusstsein in der Bafin hat sich laut Röselers Aussage erst eingestellt, als sich Banken bereits mit hohen Steuerrückforderungen durch den Fiskus konfrontiert sahen. Aber auch hier konzentrierten sich die Aufseher darauf, ob die Banken genügend Kapital für Steuernachforderungen zurückstellten – aber um eine Aufklärung der Cum-Ex-Ursachen, gar eine Unterstützung anderer Behörden ging es offenbar nicht.

Gesetz verhinderte Zusammenarbeit

Im Kern wiederholte Röseler damit seine vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss geäußerte Kritik im Jahr 2016: Erst mit einem neuen Gesetz im November 2015 kam es zur Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften und der Steuerfahndung in Wuppertal. Anschließend teilte die Bafin dann auch ihre Erkenntnisse aus ihrer Abfrage bei Banken zu deren Cum-Ex-Risiken – vor 2015 war eine solche Zusammenarbeit der Behörden anscheinend auch gar nicht erlaubt. Doch waren 2015 – so zeigt es etwa die jüngste Anklage von Strafverfolgern aus Hamburg – viele „Cum-Ex“-Gewinne schon ins Ausland transferiert oder reingewaschen worden.

„Wir haben nicht selbst ermittelt. Die Kompetenz haben wir gar nicht“, sagte Röseler unter Vorhalt seiner damaligen Aussage. Die Zuständigkeit sieht er weiterhin klar bei den Steuerbehörden. Schließlich prüfe er als Vertreter der Bafin auch nicht, ob sich Banken an die Vorgaben aus dem Sozial- und Arbeitsrecht halten würden.

Einige Minuten später ruderte der Exekutivdirektor dann vor dem Landgericht Bonn zurück. Er verlange von einem Bankvorstand in Sachen Zuverlässigkeit schon, dass er sich an alle Gesetze hält, „egal ob Steuerrecht, Strafrecht, Arbeitsrecht und Sozialrecht“.

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