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#Die Krawatte hat ausgedient – und das ist eine Chance

360 Jahre lang war sie ein Muss der Herrengarderobe, nun hat die Krawatte ausgedient. Welche Chance ergibt sich daraus? Und wie lassen sich alte Krawatten anders nutzen?

Schlips, Oberhemd, Socken, damit war früher alles gesagt: mal wieder keine Idee für den Mann zu Weihnachten gehabt. Oberhemd und Socken taugen sicher noch immer als Geschenke für Menschen, die meinen, keine Wünsche zu haben, aber der Schlips-Bedarf dürfte in den meisten Haushalten mit männlichen Personen gedeckt sein.

Der Niedergang der Krawatte ist längst ausgemachte Sache. Nicht erst die Pandemie hat ihr Ende eingeläutet. Krawatten gerieten schon 2008 in der Finanzkrise in Verruf, und die Hoodies und Sneaker, damals Uniform in den Tech-Konzernen aus dem Silicon Valley, wurden bald darauf als Inbegriff von moderner Arbeitsbekleidung gehandelt. Seit viele typische Krawattenberufe aus dem Homeoffice erledigt werden können, hat es sich endgültig mit dem obligatorischen Knoten, auch unter den Deutschen.

Der Gesamtverband Textil + Mode erfasst das Import- und Exportgeschäft von Bekleidung. Die Zahlen belegen den allmählichen Niedergang der Krawatte. Im Jahr 2008 importierte Deutschland noch Krawatten und Schleifen im Wert von 64 Millionen Euro und exportierte diese Waren im Wert von 49 Millionen. Im Jahr darauf, 2009, war es schon ein bisschen weniger: 51 Millionen Euro auf der Importseite, 42 Millionen auf der Exportseite.

Zehn Jahre später, 2019, im, wie Statistiker sagen, „letzten normalen Jahr“, bevor Corona die Welt veränderte und die Lieferketten ins Stocken gerieten, waren der Importwert auf knapp 28 Millionen Euro und der Exportwert auf knapp 27 Millionen Euro gesunken. 2021 waren es lediglich noch 14 Millionen an Importen und 13 Millionen an Exporten. Bei den Importen bedeutet das einen Rückgang von knapp 80 Prozent im Vergleich zum Jahr 2008.

Günther Jauch hält die Krawatte „im Prinzip für entbehrlich“

Die GfK, die das Konsumverhalten der Deutschen durchleuchtet, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis bei den Stückzahlen: 2008 bis 2010 wurden pro Jahr noch knapp acht Millionen Krawatten in Deutschland gekauft, so hat es das sogenannte „Consumer Panel“ der GfK ermittelt. 2021 und 2022 waren es weniger als 20 Prozent des Volumens von 2008. Immerhin: Wer noch Krawatte kauft, ist gemäß GfK-Zahlen bereit, dafür heute anderthalbmal so viel zu bezahlen wie 2008. Zu den Gründen dürfte neben Verteuerung auch Liebhaberei einiger weniger Kunden zählen.

Pflicht ist die Krawatte ja nur noch selten, in der „Tagesschau“ dürfen Sprecher sie seit vergangenem Jahr in den Nachtausgaben ablegen. Und auch Günther Jauch sagte in diesem Jahr: „Ich halte Krawatten inzwischen im Prinzip für entbehrlich.“ (Es sei denn, er moderiert „Wer wird Millionär?“.)

Jahrhunderte lang ging es nicht ohne

Der Trend hielt sich immerhin 360 Jahre lang. Der Legende nach fiel König Ludwig XIV. nämlich 1663 am Hof von Versailles während einer Parade eine Gruppe kroatischer Söldner auf, allesamt gut gekleidet, vor allem wegen ihrer Halstücher mit langen Enden, die bis über die Brust reichten. Aus dem Stil, den die Franzosen fortan „à la croate“ nannten, wurde später die „cravate“. Ohne ging es über Jahrhunderte nicht. Noch 2015 sorgten in der griechischen Staatsschuldenkrise Ministerpräsident Alexis Tsipras und Finanzminister Giannis Varoufakis für ein „tie gate“, als sie auf Staatsbesuchen ohne Krawatten auftraten. Italiens damaliger Ministerpräsident Matteo Renzi überreichte daraufhin ein Modell „made in Italy“.

Und acht Jahre später? Diskutierte man in diesem Sommer im italienischen Parlament angesichts der angeblich überhandnehmenden Freizeitbekleidung in der Abgeordnetenkammer die Krawattenpflicht. Die rechtskonservative Regierungspartei Fratelli d’Italia war dafür, die linkspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung dagegen.

In Frankreich ein ähnliches Bild: Der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon tauchte als einer der Ersten 2017 ohne Krawatte in der Nationalversammlung auf, sorgte damit zunächst für einen kleinen Skandal, aber schlussendlich für einen Trend. Mittlerweile habe ein derart verlotterter Stil Einzug gehalten, dass der Binder wieder hermüsse, hieß es im vergangenen Jahr. Die Klagen erinnern an das, was alle paar Monate zuverlässig aus den Schulen hierzulande zu hören ist, an denen Rektoren sich gezwungen fühlen, Jogginghosen- und Bauchfreiverbote auszusprechen.

Zeichnet sich der Freiheitsgrad einer Gesellschaft also an der Garderobe ab? Vermutlich nicht. Auch in autokratisch geführten Ländern kann man heute in Schlappen und Shorts via App seinen Nachbarn zum Beispiel wegen Falschparkens bequem denunzieren.

Der Niedergang der Krawatte ist vor allem eine Chance, weil sich Männer so endlich mit ihrem Äußeren auseinandersetzen müssen. Die Krawatte machte es ihnen über Jahrhunderte einfach – siehe auch Schlips, Oberhemd, Socken zu Weihnachten. Jetzt muss etwas anderes her, und so kommt die Männermode endlich voran, mit Troyer, Rollkragen undshacket über dem T-Shirt. Vielleicht sogar mit Foulard-Tüchern für ganz Mutige. All das lässt sich auch gut an Heiligabend verschenken.

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