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#Die Menschen aus der verrotteten Stadt

„Die Menschen aus der verrotteten Stadt“

Der hagere Sänger wirft sich in Pose, als würde er in einem Stadion auftreten und nicht in einem fast menschenleeren Raum. Er besingt die Liebe, von der hier, in einem Nachtklub in der syrischen Stadt Raqqa, nicht viel zu spüren ist. Es herrscht in buntes Licht getauchte Tristesse. An einem Tisch sitzen ein paar Männer, die unschlüssig wirken, ob sie weiter darauf hoffen sollen, dass doch noch etwas Aufregendes passiert. Alle rauchen, keiner tanzt, keiner trinkt. Eine Animierdame hat aufgegeben. Sie sitzt am Ende des Raumes, das Gesicht erleuchtet vom Display ihres Telefons. Eine andere sitzt im kleinen Kreis einer sonst ausschließlich männlichen Geburtstagsfeier. Sie ist so grell geschminkt wie ein Clown. Die Kellner sind auf verzweifelte Art beflissen. Sie haben Arak und Whiskey im Angebot. Wer klug ist, bestellt Arak. Wer Whiskey bestellt, bekommt eine Flasche „Red Abo Sakho“, ein schlimmes Feuerwasser.

Es ist wieder so ein Abend, an dem Kaniwar sich fragt, ob es eine gute Idee war, nach Raqqa zurückzukommen und einen Nachtklub zu eröffnen. „Man braucht Geduld“, sagt er. Bis der Laden eine Berühmtheit ist wie das Restaurant in Beirut, in dem er vorher gearbeitet hat. Über den Glanz dieser Tage spricht er viel lieber als über die Zustände in Raqqa und die komplizierten Konflikte in der Region. Er wird wohl noch eine Weile auf den großen Ansturm warten müssen. Noch wirkt sein Nachtklub verloren an einer unbefestigten Piste jenseits der beleuchteten Straßen. Anderswo würde man von bester Lage sprechen. Das Lokal liegt nämlich am Ufer des Euphrats, heißt deshalb auch „Nachbar des Flusses“. Kaniwar sagt, er verstehe nicht, dass aus der Gegend so wenig gemacht werde. Und dann kommt er auf die lähmende Unsicherheit zu sprechen, die es Leuten wie ihm so schwer mache, etwas aufzubauen.

Frieden hat Raqqa nicht gefunden

Es ist noch nicht so lange her, da herrschte in Raqqa der Terror, und Nachtklubs waren undenkbar. Der „Islamische Staat“ (IS) hatte die nordsyrische Provinzstadt zu seiner Hauptstadt erkoren. Vor fünf Jahren begann ein monatelanger brutaler Abnutzungskampf, um die Dschihadisten von hier zu vertreiben. Sie hatten ein blutrünstiges Regime errichtet. Grausame Exekutionen wurden zu öffentlichen Spektakeln, die abgehackten Köpfe und Torsi der Ermordeten wurden auf dem zentralen Naeem-Platz zur Schau gestellt. Jetzt stehen dort mannshohe bunte Plastikbuchstaben und ein riesiges Herz, die sich zu dem Slogan „I love Raqqa“ fügen. Die Menschen haben sich die Schrecken der IS-Herrschaft und des Krieges so gut es ging aus den Gliedern geschüttelt. Nicht mehr abgasgraue Ruinen dominieren jetzt das Straßenbild, sondern Baustellen. Und manche Szene erweckt für einen flüchtigen Moment den Eindruck, dass die Normalität zurück ist: Wenn sich die beliebten Restaurants zur Mittagszeit füllen, wenn Familien auf den Kieselstränden am Ufer des Euphrats picknicken, die Kinder im kalten Wasser Abkühlung von der Sommerhitze suchen und halsbrecherische Sprünge von der Autobrücke vollführen. Aber Frieden und Zuversicht hat Raqqa längst nicht gefunden.

Endstation Sehnsucht: ein einsamer Sänger im Nachtklub „Nachbar des Flusses“ in Raqqa


Endstation Sehnsucht: ein einsamer Sänger im Nachtklub „Nachbar des Flusses“ in Raqqa
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Bild: Christoph Ehrhardt

Dafür sind die zerstörerischen Kräfte, die auf die Stadt und ihre Umgebung wirken, noch immer zu stark. Die Bedrohung durch den IS ist nicht gebannt; sein Pseudokalifat wurde zwar von der Landkarte getilgt, aber im Untergrund treiben seine Schläferzellen weiter ihr Unwesen. Die Stadt ist eine Drehscheibe für terroristische Schleuseraktivitäten. In entlegenen Dörfern der Region herrschen nachts schon wieder die Dschihadisten. „Wir dürfen nicht nachlassen. Wenn wir unseren Griff nur ein wenig lockern, dann nutzt der IS die Freiräume sofort aus“, sagt ein hoher Offizier der Sicherheitskräfte.

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