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#Die Milde der Barbaren

Die Milde der Barbaren

Rom, am 3. Oktober 1854: Auf der Inselbrücke San Bartolomeo steht der junge Ferdinand Gregorovius und ringt um Fassung. Enttäuscht von der preußischen Heimat, wo „seine“ Revolution ein paar Jahre zuvor gescheitert war, hatte er sich wie so manch anderer nach Italien geflüchtet, um seine Seele zu heilen. Als überzeugter Linksliberaler mit nationaler Gesinnung hielt er die reaktionäre Gegenbewegung zu Hause nicht aus und hoffte, jenseits der Alpen auf neue Gedanken zu kommen. Jetzt steht er also auf der Brücke und schaut auf den Tiber. Und von dort hoch auf die Stadt, die da vor ihm liegt und die Arme weit ausbreitet, um ihn aufzunehmen.

An diesem 3. Oktober beschließt der junge ostpreußische Dichter und Historiker, eine Geschichte der Stadt Rom zu schreiben. Und zwar nicht jene der klassisch antiken Höhepunkte, sondern die nach ihrem angeblichen Untergang: vom Rom im Mittelalter, der Stadtentwicklung vom fünften bis ins sechzehnte Jahrhundert. Über jene Zeitspanne also, die gemeinhin und vor allem von Edward Gibbon als quälender Verfallsprozess geschildert wird. Auch Gregorovius will den furchtbaren Untergang Roms schildern, aber daneben auch vom glänzenden Wiederaufstieg der Stadt unter Führung der Kirche berichten. Von der aufsehenerregenden Wandlung einer Militärmacht in eine christliche Metropole.

Die Rehabilitation der grausamen Barbaren

Diese riskante doppelte Darstellungsabsicht bestimmt seine „Geschichte“, die er zwei Jahre später zu schreiben beginnt. Schon relativ zu Anfang, im vierten Kapitel, gibt es eine Szene, die auf eindrückliche Weise untermalt, wie er die klassischen Auslöser für Roms Niedergang – das „staatsferne“ Christentum und die „grausamen“ Barbaren – einerseits bestätigt, aber andererseits eben auch als Kräfte der Regeneration anruft.

Da schildert Gregorovius zunächst in grellen Farben, wie der junge Gotenführer Alarich am 24. August 410 mit seinen wilden Horden die Stadt einnimmt und die dekadente römische Bevölkerung in Schrecken versetzt. „Ohne Zweifel durch Verrat“, wie Gregorovius feststellt, seien die Goten durch das Salarische Tor eingedrungen und brandschatzend durch die Stadt gezogen, deren „verkommene“ Bevölkerung nirgendwo Widerstand leistete. Mit „bestialischer Furie“ wüteten die Barbaren in der Stadt, zerstörten Kunstwerke, ermordeten „zitternde Schlemmer“ und vergewaltigten hilflose Nonnen. Allerdings, so kündigt Gregorovius seine waghalsige Ambivalenzvolte an, hätten der „Edelmut Alarichs und seine Achtung vor der Religion Christi“ bewirkt, dass der Petersdom geschont wurde. Und jetzt schließt Gregorovius – eben waren wir noch bei den entjungferten Nonnen – eine berührende „Szene der Menschlichkeit“ an: Eine fromme Frau, die die kostbaren Weihgeschenke des Apostels Petrus in ihre Obhut genommen hat, beeindruckt einen heranstürmenden Goten mit ihrem Gottvertrauen so sehr, dass er sie samt ihrem Schatz durch das brennende Rom zum Petersdom geleitet. Hinter ihr, die ein von Smaragden funkelndes Kreuz trägt, versammelt sich bald eine Menge verzweifelt Wehrloser und bildet eine Eroberer und Eroberte vereinende Prozession: „Die fliehenden Christen, Frauen, ihre Kinder an der Hand, wehrlose Greise und Männer, von panischem Schreck erfasste Heiden, mit ihnen allen friedlich gemischt Barbaren, deren Waffen und Kleider vom Blute trieften und auf deren Gesichtern die bestialische Leidenschaft mit plötzlicher Glaubensandacht kämpfte, schlossen sich aneinander.“

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