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#Die schleichende Besetzung

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„Die schleichende Besetzung“



Mari Meladze im Dorf Odzisi im August 2022, als die südossetischen Behörden ankündigten, den Grenzübergang nach Georgien für zehn Tage monatlich zu öffnen – zum ersten Mal seit drei Jahren.

Bild: Daro Sulakauri/Reuters

Der Ukrainekrieg hat in Georgien Erinnerungen an russische Angriffe wachgerufen. Seit dem Kaukasuskrieg 2008 schwelt der Konflikt zwischen Georgien und Russland. Die Fotografin Daro Sulakauri gibt Einblicke in das Leben im Grenzgebiet.

Seit dem fünftägigen Kaukasuskrieg 2008 besetzen russische Streitkräfte die Region Südossetien. Obwohl neben Russland nur vier andere Staaten deren Souveränität anerkennen und das Gebiet daher völkerrechtlich noch zu Georgien gehört, baut und verteidigt Russland mithilfe von Separatistengruppen seitdem eine administrative Grenze im georgischen Staatsgebiet. Die Grenze zur Region Südossetien war zuvor nicht sichtbar, in den vergangenen Jahren errichteten russische Truppen jedoch immer mehr Stacheldrahtzäune, um die Trennlinie zu markieren. Dadurch wirkt das Gebiet zunehmend wie eine internationale Grenzregion.

Das Leben der Menschen, die aus ihrer Heimat in Südossetien in andere georgische Gebiete flüchten mussten, und derjenigen, die in der Nähe der administrativen Grenze leben, ist nun seit 14 Jahren von Unsicherheit und Ungewissheit geprägt. Menschenrechtsorganisationen und die Europäische Union dokumentieren seitdem Rechtsverletzungen, illegale Verhaftungen und andere Formen der Diskriminierung von Georgiern in der Region.

Weiße Bänder an Bäumen und Büschen sollen die Grenze zwischen Georgien und Südossetien kennzeichnen, wo noch kein Zaun errichtet wurde. Bershueti, 2019.


Weiße Bänder an Bäumen und Büschen sollen die Grenze zwischen Georgien und Südossetien kennzeichnen, wo noch kein Zaun errichtet wurde. Bershueti, 2019.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

Mari Otinashvili wohnt seit 14 Jahren in einer Vertriebenenunterkunft in Georgien. Ihr Zuhause in Südossetien wurde von russischen Bomben zerstört. Sie befürchtet, dass Russland Südossetien bald vollkommen annektieren wird. Kurvaleti, 2022.


Mari Otinashvili wohnt seit 14 Jahren in einer Vertriebenenunterkunft in Georgien. Ihr Zuhause in Südossetien wurde von russischen Bomben zerstört. Sie befürchtet, dass Russland Südossetien bald vollkommen annektieren wird. Kurvaleti, 2022.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

Ein georgischer Polizist telefoniert an einem Posten in der Nähe des Dorfes Karapila, unweit der südossetischen „Grenze“. Karapila, 2021.


Ein georgischer Polizist telefoniert an einem Posten in der Nähe des Dorfes Karapila, unweit der südossetischen „Grenze“. Karapila, 2021.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

Seit 2008 werden die Entwicklungen zwischen Georgien und Südossetien von der European Union Monitoring Mission beobachtet. Atotsi, 2021.


Seit 2008 werden die Entwicklungen zwischen Georgien und Südossetien von der European Union Monitoring Mission beobachtet. Atotsi, 2021.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

Einheimische und Journalisten überreichen während der Beerdigung des 88-jährigen Data Vanishvili Blumen an seinen 14-jährigen Enkelsohn, der auf  südossetischem Gebiet steht. Kurvaleti, 2021.


Einheimische und Journalisten überreichen während der Beerdigung des 88-jährigen Data Vanishvili Blumen an seinen 14-jährigen Enkelsohn, der auf südossetischem Gebiet steht. Kurvaleti, 2021.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

Naira Mestavashvili trauert um ihren Bruder Genadi, der verstarb, nachdem er einen Herzinfarkt in südossetischer Haft erlitten hatte. Zardiantkari, 2021.


Naira Mestavashvili trauert um ihren Bruder Genadi, der verstarb, nachdem er einen Herzinfarkt in südossetischer Haft erlitten hatte. Zardiantkari, 2021.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

Immer wieder werden georgische Bürger von separatistischen Milizen unter dem Vorwurf, illegal die Grenze übertreten zu haben, festgenommen. Genadi Bestaevi lebte unmittelbar neben der Grenze. 2019 wurde er von russischen Truppen verhaftet, beschuldigt Drogen zu schmuggeln und für zwei Jahre in Südossetien festgehalten. Erst als er einen Herzinfarkt erlitt und im Koma lag, wurde er nach Georgien zurückgebracht. „Er war ein gesunder Mann, aber er lag im Koma, als die südossetischen Behörden ihn an uns zurückgaben. Er war zwei Monate lang im Krankenhaus und jetzt ist er tot. Er ist ein Opfer der russischen Besatzung“, berichtet seine Schwester Naira Mestavashvili.

Auch Maia Otinashvili wurde während eines Spaziergangs unweit der Grenze von Milizen über den errichteten Stacheldrahtzaun in das russisch kontrollierte Gebiet verschleppt. Anschließend wurde sie beschuldigt die Grenze illegal überschritten zu haben und von einem südossetischen Gericht zu acht Monaten Haft verurteilt. „Sie warfen mich zu Boden und schlugen mir in den Rücken“, berichtet Otinashvili. Nur aufgrund von Protesten in Georgien wurde sie nach elf Tagen wieder freigelassen.

Maia Otinashvili ist Sicherheitsbeauftragte einer Schule. 2018 wurde sie von Separatisten nach Südossetien verschleppt. Kurvaleti, 2021.


Maia Otinashvili ist Sicherheitsbeauftragte einer Schule. 2018 wurde sie von Separatisten nach Südossetien verschleppt. Kurvaleti, 2021.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

Tiniko Mamagulashvili schaut aus dem Fenster ihres Familienhauses. Sie sorgt sich um die Trennlinie, die direkt durch ihr Haus verläuft. Ihr Mann scherzt gerne, er schlafe in Georgien und habe seine Füße in Russland. Aber die Familie ist besorgt, weil ihre Wasserversorgung und ihre Felder in der Besetzungszone liegen. Dvani, 2021.


Tiniko Mamagulashvili schaut aus dem Fenster ihres Familienhauses. Sie sorgt sich um die Trennlinie, die direkt durch ihr Haus verläuft. Ihr Mann scherzt gerne, er schlafe in Georgien und habe seine Füße in Russland. Aber die Familie ist besorgt, weil ihre Wasserversorgung und ihre Felder in der Besetzungszone liegen. Dvani, 2021.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

„Niemand traut sich dort hinauf“, sagt die 6-jährige Mari über die Hügel hinter ihr. „Die Leute haben Angst, entführt zu werden.“ Kurvaleti, 2019.


„Niemand traut sich dort hinauf“, sagt die 6-jährige Mari über die Hügel hinter ihr. „Die Leute haben Angst, entführt zu werden.“ Kurvaleti, 2019.
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Bild: Reuters

David Katsarava hat die Gruppe „Power is in Unity“ gegründet und setzt sich gegen die Besetzung Südossetiens ein. Der Aktivist ist der Meinung, dass die georgische Regierung und die EU-Mission nicht genug gegen die Übergriffe und das russische Vordringen unternehmen. Die Gruppe patrouilliert an Teilen des Grenzgebiets mit einer Drohne und versucht illegalen Verhaftungen entgegenzuwirken oder sie zu verhindern. Mit GPS-Trackern verfolgen sie die Bewegungen von Hirten und anderen Personen, die sich nahe der Grenze aufhalten. So kann bewiesen werden, ob eine Person die Verwaltungsgrenze überschritten hat, oder nicht. Zudem habe er festgestellt, dass Georgien seit Beginn des Konflikts mehr Landfläche eingebüßt habe, als ursprünglich von russischer Seite besetzt war. „Die schleichende Besetzung wird nicht aufhören. Sie kann nur gestoppt werden, wenn man sich ihr widersetzt und wenn man ständig in der Nähe der Grenze bleibt“, sagt er in einem Interview. „Die Russen müssen sehen, dass wir so nah wie möglich an die Besetzungslinie herantreten.“

David Katsarava und sein Team steuern eine Drohne, um das Grenzgebiet zu überwachen. Karkushaani, 2021.


David Katsarava und sein Team steuern eine Drohne, um das Grenzgebiet zu überwachen. Karkushaani, 2021.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

Ein unbekannter Soldat taucht aus dem Gebüsch auf und überquert die Grenzlinie zum georgisch kontrollierten Gebiet, während Aktivisten von „Power is in Unity“ die Grenze patrouillieren. Atotsi, 2021.


Ein unbekannter Soldat taucht aus dem Gebüsch auf und überquert die Grenzlinie zum georgisch kontrollierten Gebiet, während Aktivisten von „Power is in Unity“ die Grenze patrouillieren. Atotsi, 2021.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

„Unser Nachbar ging auf den Berg und wurde von einem russischen Soldaten gefangen genommen“, berichten die Schwestern Mari und Lola. „Ich weiß, dass ich da nicht hinaufgehen darf. Manchmal bekomme ich Angst“, sagt Mari. Khurvaleti, 2021.


„Unser Nachbar ging auf den Berg und wurde von einem russischen Soldaten gefangen genommen“, berichten die Schwestern Mari und Lola. „Ich weiß, dass ich da nicht hinaufgehen darf. Manchmal bekomme ich Angst“, sagt Mari. Khurvaleti, 2021.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

Die Gruppe um David Katsarava unterstützt auch viele Menschen, die sich seit 2008 gegen die Souveränität Südossetiens einsetzen und es ablehnen, ihre Heimat zu verlassen. Dazu gehören auch Valia Valishvili und ihr verstorbener Ehemann Data. Data, damals schon in den 80ern, wurde zum Symbol für das beängstigende Leben an der Grenze, nachdem er, seine Frau und sein Sohn 2013 aufwachten und feststellten, dass in der Nacht ein Stacheldrahtzaun errichtet worden war, der ihr Haus auf die ossetische Seite der Grenze brachte. Valishvili wurde in Georgien dafür bekannt, dass er an Ort und Stelle blieb und sich beharrlich öffentlich äußerte. Trotz der Risiken überquerte er die Grenze, um seine Rente zu erhalten und Lebensmittel zu kaufen.

Data Vanishvili hält ein Stück Stacheldraht fest, der die Grenzlinie zwischen Georgien und Südossetien markieren soll. Khurvaleti, 2018.


Data Vanishvili hält ein Stück Stacheldraht fest, der die Grenzlinie zwischen Georgien und Südossetien markieren soll. Khurvaleti, 2018.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

Valia Vanishvili erhält Lebensmittel und Holz für den Winter von David Katsarava. Auf dem Sterbebett bat ihr Ehemann darum, das gemeinsame Haus nicht aufzugeben. Kurvaleti, 2021.


Valia Vanishvili erhält Lebensmittel und Holz für den Winter von David Katsarava. Auf dem Sterbebett bat ihr Ehemann darum, das gemeinsame Haus nicht aufzugeben. Kurvaleti, 2021.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

Als ihr Ehemann Data 2021 verstarb, entschied sich Valia zu bleiben, obwohl sie keine weiteren Familienmitglieder jenseits der Grenze hat. Von georgischer Seite kann sie nur mit Lebensmitteln und anderen Gegenständen, die über den Zaun gereicht werden, Unterstützung erhalten. „Ich bin ganz allein. Die Wachen verbieten meinen Familienmitgliedern in die besetzten Gebiete zu kommen. Wenn sie die Grenze doch überqueren, werden sie ins Gefängnis gesteckt“, berichtet sie. Die russischen Streitkräfte hätten sie aufgefordert, ihr Haus zu räumen, aber sie habe sich geweigert, weil sie ihrem verstorbenen Mann versprochen habe, das Haus nicht zu verlassen. „Sie werden alles an sich nehmen, wenn ich weg bin: all mein Land, das zu Georgien gehört“.

Mari Meladze, 17, öffnet die Vorhänge in ihrer ehemaligen Schule im Dorf. „Hier gibt es nichts für mich, keine Zukunft“, sagte Meladze. „Wir leben alle in der Nähe der besetzten Grenze, hier gibt es nichts für Kinder in meinem Alter. Ich möchte jemand sein, arbeiten, studieren. Aber ich muss hier weg, um meine Träume verfolgen zu können.


Mari Meladze, 17, öffnet die Vorhänge in ihrer ehemaligen Schule im Dorf. „Hier gibt es nichts für mich, keine Zukunft“, sagte Meladze. „Wir leben alle in der Nähe der besetzten Grenze, hier gibt es nichts für Kinder in meinem Alter. Ich möchte jemand sein, arbeiten, studieren. Aber ich muss hier weg, um meine Träume verfolgen zu können.“ Odzisi, 2021.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

Das Schulgelände in Odzisi, unweit des Grenzgebiets. Odzisi, 2018.


Das Schulgelände in Odzisi, unweit des Grenzgebiets. Odzisi, 2018.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

Ani Gelaschwili und Tamar Mazmaschwili stammen beide ursprünglich aus Südossetien. „Ich war drei Jahre alt und Tamar war drei Monate alt, als der Krieg stattfand“, sagt Gelaschwili. „Wir mussten aus unserer Heimat fliehen. Ich kann mich an nichts erinnern. Ich kann mir nur vorstellen, wie es zu Hause war. Ich weiß, dass mein Haus zerstört ist. Es ist jetzt ein Zuhause für Russen und Osseten. Ich und Tamar nennen die Siedlung Shavshvebi jetzt unser Zuhause. Aber wenn die Russen uns jemals nach Hause zurückkehren lassen, werden wir das tun.“ Shavshvebi, 2018.


Ani Gelaschwili und Tamar Mazmaschwili stammen beide ursprünglich aus Südossetien. „Ich war drei Jahre alt und Tamar war drei Monate alt, als der Krieg stattfand“, sagt Gelaschwili. „Wir mussten aus unserer Heimat fliehen. Ich kann mich an nichts erinnern. Ich kann mir nur vorstellen, wie es zu Hause war. Ich weiß, dass mein Haus zerstört ist. Es ist jetzt ein Zuhause für Russen und Osseten. Ich und Tamar nennen die Siedlung Shavshvebi jetzt unser Zuhause. Aber wenn die Russen uns jemals nach Hause zurückkehren lassen, werden wir das tun.“ Shavshvebi, 2018.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

An dieser Stelle sind viele Anwohner umgekommen. Das Dorf Nikozi wurde während des Krieges mit Russland von mehreren Bomben getroffen. Nikozi, 2019.


An dieser Stelle sind viele Anwohner umgekommen. Das Dorf Nikozi wurde während des Krieges mit Russland von mehreren Bomben getroffen. Nikozi, 2019.
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Bild: Daro Sulakauri/Reuters

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