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#Die Taliban sind noch dieselben

Die Taliban sind noch dieselben

Präsident Biden hat bewusst das Ende mit Schrecken gewählt in Afghanistan. Aber dass die Welt in ein derart tiefes politisches und moralisches Loch starren würde, das hatte wohl auch er nicht erwartet. Die Implosion der afghanischen Regierung, das sich Tag um Tag steigernde Chaos am Flughafen von Kabul, die herzzerreißenden Berichte fliehender und zurückgelassener Afghanen – diese Tragödie wird als das Ende einer Epoche in Erinnerung bleiben.

Und es ist längst nicht ausgemacht, dass sie sich nicht doch zum Schrecken ohne Ende entwickelt. Die afghanische Republik ist Geschichte, aber was an ihre Stelle tritt, ist nicht klar. Viele glauben den Beteuerungen der Taliban nicht, dass sie sich geändert hätten, und befürchten wieder Hinrichtungen und die brutale Unterdrückung von Frauen. Die neuen Herrscher lassen sich aber Zeit mit der Verkündung der künftigen Regeln, machen bestenfalls Andeutungen. Das ist typisch für die Taliban. Es deutet darauf hin, dass in ihren Reihen noch kein Konsens hergestellt wurde. Zudem wollen sie sich nicht umgehend wieder zum Paria machen.

Die Macht zu erringen war für die Islamisten überraschend leicht. Sie zu erhalten dürfte schwerer werden. Zwar war der Wunsch, dass endlich die Gewalt enden möge, bei einem großen Teil der Bevölkerung zuletzt stärker als alles andere. Aber wenn die Taliban jetzt zu strikt vorgehen und die Afghaninnen und Afghanen derart rigiden Vorschriften wie zur Zeit des ersten Emirats unterwerfen, dann verprellen sie damit diejenigen, in deren Augen ihre Herrschaft zumindest nicht schlimmer ist als die der bisherigen Regierung. Regieren Sie zu „milde“, könnte ein Teil der eigenen Kämpfer, die der reinen Lehre anhängen, von der Fahne gehen und sich Terrororganisationen wie dem „Islamischen Staat“ (IS) anschließen.

Keine Exzesse mehr wie in den Neunzigerjahren?

Vermutlich werden sie einen Mittelweg beschreiten. Die paschtunisch geprägten Taliban könnten etwa versuchen, andere Bevölkerungsgruppen einzubinden. Sogar die schiitischen Hazara hofierten sie kürzlich, und den Widerständlern im Pandschir-Tal boten sie Verhandlungen an. Ob Nicht-Taliban-Repräsentanten in einer „inklusiven Regierung“ etwas zu sagen hätten, ist freilich offen. Denkbar ist eher, dass islamische Gelehrte eine Rolle bei der Bestimmung dessen spielen werden, was erlaubt und was verboten ist im Taliban-Staat. Vielleicht ein System wie in Iran, wo Kleriker über den politischen Repräsentanten die Macht in Händen halten?

Zugleich werden die Taliban bestrebt sein, Exzesse wie in den Neunzigerjahren zu vermeiden. Aber in welche Richtung es geht, hat ihr Sprecher schon deutlich gemacht, als er jetzt sagte, Musik werde verboten sein. Dabei haben die Taliban mittlerweile keine Berührungsängste mehr, wenn es um moderne audiovisuelle Technologien geht. Sie können diese für ihre Zwecke einsetzen.

Die Geisteshaltung hat sich also nicht geändert, nur der Pragmatismus ist größer. Auch für die Stellung von Frauen dürfte das gelten: etwas mehr Freiheiten als damals, aber weniger als zuletzt, vor allem jenseits der großen Städte, wo die Sitten sowieso strenger sind. Die Taliban argumentieren gerne, dass sie sich nur den Wünschen der streng konservativen Bevölkerung beugen würden. Auch Sicherheitsbedenken schieben sie vor. Derzeit sei es für Frauen gefährlich, allein auf der Straße unterwegs zu sein. Mit diesem Argument haben sie auch schon Schulunterricht für Mädchen untersagt.

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Das ist eine Lektion, die der Westen beherzigen sollte, wenn er mit den Taliban spricht. Die Islamisten haben sich als äußerst geschickt darin erwiesen, vage Versprechungen zu machen und unklare Bestimmungen zu ihren Gunsten auszulegen. Das hat sich etwa beim Doha-Abkommen vom Februar 2020 über den Truppenabzug gezeigt, das von der Trump-Regierung allerdings auch stümperhaft verhandelt wurde und das die jüngste Tragödie mitverursacht hat.

Das Dilemma solcher Verhandlungen ist stets das gleiche. Man setzt sich Vorwürfen aus, auch dann, wenn man mit dem gemäßigten Teil einer radikalen Bewegung spricht. Wenn man es nicht tut und beispielsweise die Taliban insgesamt boykottiert, stärkt man jedoch nur ihren Zusammenhalt. Reden muss also möglich sein. Es kommt darauf an, worüber und wie. Der Truppenabzug hat gezeigt: Im guten Glauben die eigenen Trümpfe aus der Hand zu geben ist im Umgang mit den Taliban keine gute Idee.

Auch sollte man wissen, wofür und für wen man verhandelt. Selbst mit den Islamisten gibt es gemeinsame Interessen, etwa den Kampf gegen den IS, der mit den Taliban verfeindet ist. Der CIA-Direktor flog extra nach Kabul, um darüber mit Mullah Baradar zu sprechen. Die Taliban quasi zum Partner im Kampf gegen den Terror zu machen wäre jedoch ein gefährliches Spiel. Schon zu viele Verbündete des Westens haben Anteil daran gehabt, dass die afghanische Misere immer weitergegangen ist. Der Fokus von Gesprächen mit den Taliban sollte darauf liegen, die humanitäre Lage zu verbessern. Und politische Zugeständnisse darf es nur geben, wenn die Taliban in Vorleistung treten.

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