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#Die Türkei besinnt sich auf ihre Verankerung im Westen

„Die Türkei besinnt sich auf ihre Verankerung im Westen“

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bekräftigt einen Schwenk in der türkischen Außenpolitik, der schon im vergangenen Jahr eingesetzt hat. Denn je länger der Krieg in der Ukraine dauert, desto mehr besinnt sich die Türkei auf ihre Verankerung im Westen. Die Führung in Ankara folgt dabei nicht der öffentlichen Meinung. So hatten im März bei einer Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Metropoll nur 34 Prozent der Befragten Russland für den Krieg in der Ukraine verantwortlich gemacht, 48 Prozent aber die Vereinigten Staaten und die NATO. Die Umfrage spiegelte den latenten Antiamerikanismus in der türkischen Gesellschaft wider und die Phantasien nationalistischer Kreise, die die Zukunft des Landes in einem eurasischen Block sehen.

Vor wenigen Tagen hat jedoch der außenpolitische Berater von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, die Türkei mit einer Kurznachricht auf Twitter auf eine Anpassung der Außenpolitik an die neuen Realitäten eingestimmt. Die Krise um die Ukraine werde sich vertiefen, eine neue Phase des Kalten Kriegs habe begonnen, schrieb Kalin. Sie werde die Welt über Jahrzehnte prägen. Es werde neue geopolitische Dynamiken geben, und neue regionale Allianzen würden entstehen. Kalin schränkte ein, dass die Türkei weiterhin eine „ausgewogene Position“ beziehen werde. Sie werde in der Außenpolitik also nicht in allen Punkten dem Westen folgen.

Verhältnis zu Amerika wieder besser

Kurz davor war er in Ankara mit der stellvertretenden US-Außenministerin Victoria Nuland zusammengetroffen. Das Verhältnis zwischen Washington und Ankara war seit dem Amtsantritt von Präsident Joe Biden angespannt, es verbessert sich jetzt aber. Washington hat seinen Widerstand gegen die Lieferung des Mehrzweckkampfflugzeugs F16 an die Türkei aufgegeben und begründet den Schritt damit, dass er den amerikanischen Sicherheitsinteressen diene. Im Rahmen eines neuen strategischen Mechanismus werde es in diesem Jahr wieder ein Treffen der Außenminister geben, hieß es in der Erklärung zum Abschluss von Nulands Besuch.

Offenbar suchen beide Seiten nach einer Lösung für den strategischen Fehler Ankaras, das russische Luftabwehrsystem S400 zu erwerben. Es wurde in die Türkei geliefert, wird dort aber nicht genutzt. In Ankara heißt es, die S400 sollen unter amerikanischer Anleitung eingelagert werden. Auf die Probe wird das Bekenntnis der Türkei zur NATO gestellt, wenn über den Aufnahmeantrag Schwedens und Finnlands abgestimmt wird und Moskau dann Ankara mit Konsequenzen drohen könnte.

Türkische Kommentatoren interpretieren den Tweet Kalins zwar als Absage an eine eurasische Perspektive, aber auch als Bereitschaft, an einer Politik der aktiven Neutralität festzuhalten. Sie zeigt sich zum einen in dem Bemühen, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Nur der russische Präsident Putin könne den Krieg beenden, deshalb müsse jemand mit ihm sprechen, begründet Akif Cagatay Kilic, der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des türkischen Parlaments, diese Politik. Um einen Waffenstillstand zu vereinbaren, müssten beide Seiten an einem Tisch zusammenkommen.

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Zum anderen äußert sich die Politik der aktiven Neutralität darin, dass sich die Türkei den westlichen Sanktionen gegen Russland nicht anschließt. Der Westen erwartet aber von Ankara, dass es nicht aktiv gegen die Sanktionen verstößt, was offenbar auch nicht der Fall ist. Die Türkei ist stärker als andere Länder von Russland abhängig. Ein Jahr vor wichtigen Präsidenten- und Parlamentswahlen will die türkische Regierung nicht eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage riskieren.

Der innenpolitisch angeschlagene türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nutzt seine Vermittlung geschickt, um auf der Weltbühne eine Rolle zu spielen, die positiv gewürdigt wird und seine Provokationen vor allem im östlichen Mittelmeer vergessen lässt. Die Türkei justiert jedoch bereits seit einem Jahr ihre Außen- und Sicherheitspolitik neu. Nachdem sie über Jahre versucht hatte, mit einer aggressiven Politik ihren Einfluss in der Region auszubauen, normalisiert sie nun zu zahlreichen Staaten ihre Beziehungen. Ankara kehrt damit zur Politik der „null Probleme“ mit seinen Nachbarn zurück, die Erdogans früherer Berater, Außenminister und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu formuliert hatte.

Aus drei Gründen hatte die türkische Führung diese Wendung eingeleitet: Die Türkei ist zu schwach, um es allein mit Russland aufzunehmen; die Regierung Erdogan kompensiert die Misserfolge ihrer unorthodoxen Geldpolitik teilweise, indem sie die Beziehungen zu wichtigen Wirtschaftspartnern normalisiert; zudem werden Investoren und Touristen, die das Land dringend braucht, durch geopolitische Spannungen in der Region abgeschreckt.

Zwei langfristige geopolitische Verschiebungen begünstigen diese Neukali­brierung. So bindet, erstens, China Iran enger an sich, sodass die Notwendigkeit entsteht, dagegen eine prowestliche Achse aufzubauen, zu der neben den Golfstaaten, Ägypten und Israel auch die Türkei gehört. Zweitens bedeutet die schrittweise Abwendung der USA aus dem Nahen Osten, dass die prowestlichen Staaten der Region mehr für ihre eigene Sicherheit tun müssen. Als Vorteil für die Partner der Türkei gilt dabei, dass sich Ankara zuletzt als ein starker und verlässlicher Sicherheitspartner erwiesen hat. Im Gegenzug braucht die Türkei aber starke Wirtschaftspartner.

Seit Jahren tritt die Türkei international selbstbewusst auf. In Regierungskreisen ist deshalb die an Europa gerichtete Erwartung zu hören, sich an die Türkei nicht nur dann zu erinnern, wenn eine Krise ausbricht und Ankara gebraucht wird.

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