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#Die Zähmung des Himmels

Die Zähmung des Himmels

An diesem Julitag meint es das Wetter nicht gut mit Jean-Pierre Wolf. Die Sonne lacht geradezu höhnisch vom azurblauen Himmel, der Wind ist zu einem Lüftchen verkümmert – weit und breit nichts von dem, was der Genfer Physikprofessor herbeisehnt. Dunkle Wolken brauchte er hier oben auf dem Säntis, Donner, Blitz und Rambazamba. Aber seit Wochen machen die Gewitter einen großen Bogen um den sagenhaften Berg, der mit seinen 2502 Metern aus der Ostschweiz herausragt. Nirgendwo in der Schweiz ist es nasser, nirgendwo schlägt der Blitz häufiger ein – normalerweise knallt es rund 400-mal pro Jahr. Doch nicht in diesen Wochen: null Gewitter, null Blitze, es ist wie verhext. Überall in Europa gehen heftige Gewitter nieder, nur nicht auf dem Berg der Blitze.

Andreas Frey

Freier Autor in der Wissenschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Nun ist auch Jean-Pierre Wolf keiner, der sich über Extremwetter freut, wie sie zur selben Zeit in Westdeutschland ganze Ortsteile wegspülen. Aber er ist nun einmal hier oben, um Blitzen aufzulauern. Mit einer Laserkanone will er auf Gewitterwolken schießen, um die Blitze kontrolliert abzuleiten. Gut 270 Jahre nach Benjamin Franklin hat er damit einen neuen Blitzableiter erfunden. „Laser Lightning Rod“ heißt das von der EU geförderte Projekt. Wolfs Mission ist nichts weniger als eine Zähmung des Himmels, eine Manipulation des Wetters mit dem Ziel, Flughäfen, Windparks oder Sportevents zu schützen.

Frühere Versuche misslangen

Wegen der besonderen Gewitterneigung auf dem Säntis hat Jean-Pierre Wolf diesen Berg für sein einzigartiges Experiment ausersehen, auf dem schon seit vielen Jahren Blitzforschung betrieben wird. Er selbst hat ebenfalls eine lange Beziehung zu dem Thema und seinen Tücken. Vor 16 Jahren schon wollte er Blitze zum Boden ableiten, damals im amerikanischen Bundesstaat New Mexico, mit einer anderen, noch nicht so weit entwickelten Lasertechnik. Aber dann zeigten sich kaum Gewitter, und der Versuch misslang, der Laser versagte. Auch das große Laserexperiment auf dem Säntis hätte schon früher starten sollen, aber dann kam die Corona-Pandemie.

Per Hubschrauber wurde der Container mit dem Hochleistungslaser auf den Säntis gebracht.


Per Hubschrauber wurde der Container mit dem Hochleistungslaser auf den Säntis gebracht.
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Bild: Universität Genf, V. Moreno

Im Frühjahr schließlich war das Wetter so lange schlecht, dass die Hubschrauber nicht fliegen konnten, um die tonnenschwere Ausrüstung auf den Berg zu bringen. Während der Installation des Laboratoriums im Juni zog ein Gewitter nach dem anderen durch, aber da war der Laser noch nicht schussbereit. Seit Anfang Juli ist er nun scharf, aber der Himmel ziert sich. „Es hat noch nicht geklappt“, lautet Wolfs knappe Bilanz an diesem Nachmittag.

Nun heißt es also warten – wieder einmal. Der Herr der Blitze steht jetzt auf der Terrasse, die Sonne knallt ihm ins Gesicht, hinter ihm beginnt der Abgrund. Aber Jean-Pierre Wolf ist keiner, der sich die Laune verderben lässt. Mit T-Shirt und Sonnenbrille könnte man den 61-jährigen Franzosen für einen Touristen halten. Federnden Schrittes bewegt er sich auf einen weißen Container zu, aus dem der Laserstrahl in den Himmel feuern wird.

Wolken unter Dauerfeuer

Im Container haben die Forscher verschiedene Spiegel in Position gebracht, die den Laserstrahl in Richtung Himmel lenken sollen. Das eigentliche Laserlabor befindet sich in der Wissenschaftsstation daneben, die der Schweizer Rundfunkanbieter Swisscom nutzt und wo das Experiment seinen Anfang nehmen wird. Entwickelt hat den Laser Clemens Herkommer von der Firma TRUMPF in Ditzingen bei Stuttgart, Wolfs Projektpartner. Vier Jahre hat der 31 Jahre alte Ingenieur damit verbracht, einen Laser zu bauen, der den Anforderungen dieses Experiments genügt.

In diesen Containern wurde der Laser und die Gerätschaften auf den Gipfel des Säntis gebracht.


In diesen Containern wurde der Laser und die Gerätschaften auf den Gipfel des Säntis gebracht.
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Bild: M. Moret, Universität Genf

Herausgekommen ist ein kleines Ungetüm, acht Meter lang, anderthalb Meter hoch, ebenso breit und zehn Tonnen schwer, ein sogenannter Ultrakurzpulslaser. Damit Luft leitfähig wird, muss sie ionisiert werden. Dazu bedarf es eines Lasers der Terawattklasse. Die sehr hohe Lichtintensität erhitzt die Luft und setzt die Elektronen der Sauerstoff- und Stickstoffmoleküle frei – so entsteht ein Kanal aus ionisiertem Gas, leitfähig wie in einem Metallstock.

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