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#Die zertifizierte wahre Liebe

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Die zertifizierte wahre Liebe

Platons Idee der Seelenverwandtschaft ist ein beliebtes Gesprächsthema für sehr junge Männer in der Phase der Beziehungsanbahnung. Es geht von einer Seele in Kugelform aus, die sich aus zwei Teilen zusammensetzt. Nach deren gewaltsamer Trennung wurden die Menschen in die Welt entsandt. Zeit ihres Lebens suchen sie nun nach ihrer zweiten Hälfte. Findet sie sich, wird augenblicklich eine tiefe Verbindung spürbar, die sich durch nichts mehr lösen lässt. Könnte es also nicht genau in diesem Moment der großen Ferien an einem Mittelmeerstrand zu einer solchen Begegnung zweier Seelenteile gekommen sein?

Elena Witzeck

Es soll ja Menschen geben, die es bevorzugen, sich von einer Bestimmung – das Schicksal wollte es, dass wir uns an diesem Strand begegnen – oder der kundigen Einschätzung anderer die Wahl abnehmen zu lassen. Zum Beispiel im Privatfernsehen. Früher (andernorts leider heute noch) waren es die Eltern, die entschieden, wer für die Partnerwahl geeignet sei. Spätestens seit Erscheinen der Serie „Bridgerton“ ist bekannt, dass kaum jemand daran glaubt, Eltern seien in der Lage, dieser Aufgabe zur allgemeinen Zufriedenheit nachzukommen. Und dann ist da die wachsene Zahl jener, die gar nicht mehr an einen Idealpartner glauben, gewissermaßen die Entzauberten.

Diese sind aber immer noch in der Minderheit, jedenfalls in der Welt der vergangene Woche angelaufenen Serie „The One“. Dort gibt es sie, die Seelenverwandtschaft: Durch einen simplen Gentest sollen sich die beiden Menschen finden und zuordnen lassen, die dazu veranlagt sind, sich unsterblich ineinander zu verlieben. Ein „Match“ nennt es die britische Firma im Jargon der Datingapps, die ja Vergleichbares versprochen haben, nur nicht derart exklusiv. Die Firma, deren CEO Rebecca Webb (Hannah Ware), eigentlich Wissenschaftlerin, die Beweisführung zur Existenz des oder der einen angetreten hat, heißt naheliegenderweise „The One“. In einer nicht sehr fernen Zukunft haben ihr schon mehr als eine Million Menschen ihr Liebesglück anvertraut.

„Kennen wir uns irgendwoher?“

Wer es ausprobiert, berichtet von unbeschreiblichen Erfahrungen: Die erste Begegnung fühlt sich im Sinne Platons wie eine Rückkehr zu einem lange Jahre vertrauten Menschen an. „Kennen wir uns irgendwoher?“, fragen die, denen ein Match zufällig über den Weg läuft. Das Versprechen lautet: Schluss mit dem ewigen Zweifel, ob sich nicht doch noch jemand Besseres findet. Schluss mit der langen Suche nach dem einen Menschen, der uns erkennt. Junge Leute wüssten gar nicht mehr, heißt es an einer Stelle, wie furchtbar es war, sich unverstanden durch das halbe Land zu daten.

Rebecca Webb hat „The One“ mit ihrem Forscherkollegen James (Dimitri Leonidas) gegründet. Ein Jahr nach Start der Plattform hat sich Webb in eine geschliffene Karrierefrau verwandelt, der man die Kompromisslosigkeit an der Nasenspitze ansieht. Ihre Auftritte bei Ted Talks und auf Firmenfeiern sind makellos. Ihr vermeintliches Match, ein junger, hölzerner Typ, darf jedes Mal kurz auf die Bühne kommen, um ihr einen Kuss zu geben. „Wir verdienen die Nummer eins“, ruft Webb, „jede und jeder von uns.“

Es bedarf nicht einmal eines Unbehagens bei dem Gedanken, dass eine Genkombination aus den Computern eines Wirtschaftsunternehmens eine der wichtigsten Lebensentscheidungen übernimmt und damit weltweit Einfluss auf die Art nimmt, wie wir einander nahekommen. In „The One“ sorgt schon der Hinweis auf die bloße Zahl aufgelöster „Matches“ für den nötigen Zuschauerzweifel. Ebenso die schleichende Erkenntnis, dass es Rebecca Webbs Firma nicht gäbe, hätte sie nicht vor der Gründung ein paar Menschen aus dem Weg geräumt.

Dennoch, der Gedanke bleibt verlockend: Da draußen könnte jemand sein, mit dem eine Beziehung unter allen Umständen gelingt. Der bloße Glaube reicht schon aus. Der wenig ambitionierte, glücklich mit seiner nichtgematchten Freundin Hannah (Lois Chimimba) zusammenlebende Journalist Mark (Eric Kofi-Abre) wird eines Tages mit seiner Seelenpartnerin konfrontiert. Schuld ist Hannah, die besessen von dem Gedanken ist, er könnte mit dieser Frau besser zusammenpassen. Die gegen Rebecca Webb ermittelnde, gnadenlos kluge Polizistin Kate (großartig: Zoë Tapper) wiederum wartet am Krankenbett auf ihr spanisches Match, eine junge Frau, die seit einem Unfall im Koma liegt. Eines Tages setzt sich deren Ehefrau dazu. Die Autorität der genetischen Kombination lässt sie den Kampf um ihre Liebe aufgeben: Don’t fuck with genetics.

Die Schwächen der Serie kommen vor allem in den ersten Folgen zum Vorschein. Rebecca Webb ist ein bisschen zu vordergründig abgründig, die Anziehung zwischen zwei zusammengehörigen Partnern etwas zu märchenhaft. Die Frage danach, warum nur eine einzige genetische Übereinstimmung weltweit möglich sein soll, mündet in der vagen Andeutung eines weiteren Betrugs. Das ist aber vor lauter Gewissensfragen schnell vergessen. Das Sehnen nach dem Liebesideal verwebt sich in „The One“ so geschickt mit dem Gewaltverbrechen, dass es am Ende ohnehin ganz andere Fragen zu klären gilt. Zum Beispiel die, was sich dagegen tun lässt, dass es je so weit kommt.

The One ist bei Netflix abrufbar.

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