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#„Dieses Ausmaß hätte ich nicht erwartet“

Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende lautet ein altes Sprichwort. Für Aktionäre von Siemens Energy sind es wohl eher Schrecken ohne Ende. Abermals senkte der deutsche Energietechnikkonzern am Donnerstagabend in einer Pflichtmitteilung wegen mehrerer Probleme der spanischen Windkrafttochtergesellschaft Gamesa die eigenen Jahresziele und rechnet mit zusätzlichen Kosten in Milliardenhöhe – genauer wird der Vorstand noch nicht. Dabei hatte der Münchener Konzern für das Geschäftsjahr, das Ende September endet, schon bisher mit einem auf mehr als 800 Millionen Euro steigenden Nettoverlust gerechnet. Wie viel schlechter das Jahr nun noch ausfallen wird, dazu machte der Vorstand am Freitag noch keine Angaben, sondern will sich zur Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal am 7. August ausführlich äußern.

Am Freitag rauschte daraufhin der Aktienkurs des Dax-Konzerns in der Spitze um rund 37 Prozent in den Keller – auf den tiefsten Stand seit November vergangenen Jahres. Der Börsenwert sank um mehr als 6 Milliarden Euro. Den Boden, den das Papier in den vergangenen Wochen und Monaten gut gemacht hatte, verlor es damit innerhalb kürzester Zeit. Dabei sind die Anleger krisenerfahren, sorgt die Windkraftgesellschaft Gamesa, die Siemens Energy erst vor ein paar Wochen vollständig übernommen hat, schon seit Jahren immer wieder für hohe Verluste und Prognosesenkungen.

Rückstellungen reichen nicht aus

„Das ist ein herber Rückschlag“, sagte Christian Bruch, Vorstandsvorsitzender von Siemens Energy, in einer Telefonkonferenz mit Journalisten am Freitag. Und weiter: „Dieses heutige Ausmaß hätte ich nicht erwartet“. Konkret geht es dabei um mehrere Baustellen bei Gamesa, die sich für den Energietechnikkonzern zunehmend als Fass ohne Boden herausstellen. So waren schon vor einigen Monaten Qualitätsprobleme bei installierten Windkraftanlagen festgestellt worden. Dafür hatte Gamesa schon im Januar eine knappe halbe Milliarde Euro für Garantie- und Wartungskosten zurückgestellt. Das reicht aber nach Aussage von Jochen Eickholt bei weitem nicht aus. „Die Qualitätsprobleme gehen deutlich über das hinaus, was bisher bekannt war“, sagte der Gamesa-Chef, der seit gut einem Jahr das spanische Windkraftgeschäft leitet, während der Telefonkonferenz.

Es seien zuletzt noch deutlich höhere Ausfallraten aufgetreten, erklärte Eickholt. Umfassende Untersuchungen hätten Frühwarnindikatoren wie abnormale Schwingungsverhalten aufgezeigt. Bei den fehlerhaften Teilen gehe es um verschiedene Komponenten, beispielsweise Rotorblätter und Lager. Noch ist nicht klar, wie viele Reparaturen nötig sein werden. Die Windräder würden auch nicht zwangsläufig ausfallen, sagte der Manager weiter. Doch durch den langen Lebenszyklus von etwa 20 Jahren werden wohl Kosten über Jahre anfallen. „Wir haben noch kein abschließendes Resultat, aber das Ergebnis der Untersuchung ist schlechter, als ich es für möglich gehalten habe“, sagte Eickholt. Zum Teil handele es sich auch um Designprobleme. Dass Fehler in der Bestandsflotte erst jetzt zum Vorschein kommen, liegt nach den Worten des Konzernchefs auch in der Unternehmenskultur begründet. Es fehle an Transparenz. Zu viele Dinge seien unter den Teppich gekehrt worden.

Restrukturierer soll es richten

Gamesa-Chef Eickholt gilt im Siemens-Kosmos als erfolgreicher Restrukturierer, hatte er zuvor beispielsweise schon das Zuggeschäft der ehemaligen Muttergesellschaft Siemens AG saniert. Er trat im Frühjahr 2022 an, nachdem sein Vorgänger nicht einmal zwei Jahre auf dem Posten durchgehalten hatte.

Mit dem Programm Mistral versucht er seit Monaten, das Geschäft wieder in die Spur zu bringen. Es waren zunächst vor allem Verzögerungen im Hochlauf der neuen Onshore-Plattform 5.X sowie höhere Rohstoff- und Logistikkosten, die für Probleme sorgten. Erst viele Monate später wurden erste Qualitätsmängel an der Bestandsflotte bekannt.

Dass sich Siemens Gamesa nun als noch größerer Sanierungsfall herausstellt als ursprünglich gedacht, daraus machte Eickholt am Freitag keinen Hehl. Er hatte in den vergangenen Monaten immer wieder betont, er sehe bei Gamesa nichts, was er nicht schon woanders gesehen habe. „Diese Aussage würde ich heute nicht noch einmal so treffen“, sagte er. „Mit dem Wissen von heute wird der Turnaround länger dauern als gedacht“, sagte er. Wann er gelingen soll, dazu äußerten sich Bruch und Eickholt nicht.

SIEMENS ENERGY AG NA O.N.


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Schließlich gibt es auch im Offshore-Geschäft Probleme, weil der Ausbau der Kapazitäten nicht reibungslos verläuft. Der Bau neuer Hallen verzögere sich, Werkzeuge würden zu spät geliefert, Personal sei schwer zu finden. Zudem belasteten steigende Materialkosten. Auch die Produktivität im Onshore-Bereich hat sich nach den Worten Eickholts noch nicht so stark verbessert wie geplant. Die Summe dieser Themen bereite ihm Sorgen.

Siemens Energy ist seit Herbst 2020 unabhängig an der Börse gelistet. Damals galt die konventionelle Kraftwerkstechnik eher als Auslaufmodell, die Windkraft hingegen als künftiges Zugpferd des Energietechnikkonzerns. Freilich wurden auch Konkurrenten wie Nordex oder Vestas beispielsweise durch hohe Materialkosten belastet. Allerdings kamen bei Gamesa in den vergangenen Jahren auch immer wieder hausgemachte Probleme hinzu, die die guten Geschäfte aus anderen Konzernbereichen überschatteten. Auch Energy-Chef Bruch gestand nun ein, dass er die Situation falsch eingeschätzt habe, als er seinen Job angetreten habe. Damals war er davon ausgegangen, Gamesa werde das kleinere Problem sein.

An der Börse ist die Verunsicherung nunmehr größer denn je, da nicht einmal der Vorstand die Kosten einschätzen könne, so die Meinung von Händlern. Nicholas Green vom Analysehaus Bernstein Research schrieb, die Qualitätsprobleme seien derzeit nicht kalkulierbar. Wenn im schlimmsten Fall mehr als 30 Prozent der installierten Anlagen fehlerhaft seien, drohe noch ein massiverer Kursrutsch.

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