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#Dirk Schümers Roman „Die schwarze Lilie“ über Florenz

Umberto Eco war Ende vierzig, ein gemachter Mann, Professor in Bologna, in literarischen Kreisen eine gewichtige Stimme, ohne jedoch mit einem eigenen Werk hervorgetreten zu sein. Und dann aus dem Stegreif der ­große Wurf: „Der Name der Rose“. Kein Wunder, dass Eco einmal gesagt hat, der Folgeroman „Das Foucaultsche ­Pendel“ sei für ihn die eigentliche ­Herausforderung gewesen. Bei seinem Debüt habe er niemandem etwas be­weisen müssen, der Zweitling dagegen hätte ihn seinen schriftstellerischen Ruf kosten können – eine irrige Befürchtung, Verschwörungstheorien wurden selten literarisch so hervorragend durchleuchtet.

Eher ein Philip Marlowe als ein Sherlock Holmes

Dirk Schümer hat 2022 mit sechzig Jahren seine erste große Verbeugung vor Eco gemacht: Sein Roman „Die schwarze Rose“ spielt ein Jahr nach den Er­eignissen, die in der italienischen „Rose“ geschildert werden, und führt den Detektiv (und Ich-Erzähler) Wittekind Tentronk ein, dem ein gewisser William von Baskerville zur Seite steht. Mit einem großen Zwanzigjahresschritt geht es im Folgeroman „Die schwarze Lilie“ nun weiter nach Florenz, mitten hinein ins Pestjahr 1348. Und Schümer handhabt seinen Stoff souverän. William erhält einen kleinen Gastauftritt in einer Rückblende, Wittekind hat sich vom jungen Mann zu einem gestandenen „Agenten“ gemausert, weshalb der zweite Band unabhängig vom ersten ­gelesen werden kann. Der gereifte Wittekind lässt in seiner Desillusionierung dann eher an Philip Marlowe als an Sherlock Holmes denken: Er weiß ­genau, wie korrupt seine Brotherren sind.

Dirk Schümer: „Die schwarze Lilie“. Roman.
Zsolnay Verlag, Wien 2023. 608 S., geb., 28.- €.


Dirk Schümer: „Die schwarze Lilie“. Roman.
Zsolnay Verlag, Wien 2023. 608 S., geb., 28.- €.

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Bild: Verlag

Aktuell steht er in Diensten des Pa­drino, des Familienoberhaupts der Peruzzis. Schümer nutzt hier geschickt einige Lücken in der Geschichte dieses legendären (authentischen) Bankhauses, das im Trecento zu den wichtigsten in Florenz gehörte. Die Probleme ballten sich in diesem Jahrhundert, das mit dem Beginn des Hundertjährigen Kriegs, Aufständen und Naturkatastrophen als das leidvollste des Spätmittelalters gilt. In Florenz, der Stadt mit der Lilie im Wappen, war die Staatskasse „plötzlich leer wie die Bettelschale eines Franziskaners“, doch, o Wunder, „gerade die beiden größten ­Banken, die den Ruin so vieler Menschen verursachten, konnten sich aus dem allgemeinen Untergang retten“. So stehen die Peruzzis bei Ausbruch der Pest durchaus nicht mit leeren Händen da.

Ermittler Wittekind greift ein

Gänzlich vom Unglück verschont bleiben sie jedoch nicht: Die Söhne des Hauses werden einer nach dem anderen ermordet. Wittekind soll sich der Sache annehmen. Die Handlung gewinnt immer mehr an Tempo, und Schümer scheut auch vor einigen trivialen Momenten nicht zurück, so wenn er Wittekind eine Pesterkrankung überstehen, dafür aber Cioccia über der Pflege sterben lässt. Mit dieser höchst resoluten Marktfrau hatte Wittekind bereits eine Zukunft „nach der Pest“ geplant. Ihm bleibt nur, die Morde aufzuklären – verhindern kann er sie nicht. Es ist ein Mosaik im Ablöseprozess der Peruzzis, denn „diese verdammten Medici oder Machiavelli oder wie sie alle heißen“ werden weiter aufsteigen, das nächste Jahrhundert und die Renaissance prägen.

Schümer ist sich treu geblieben. Wie im ersten Roman um Wittekind zeichnet er ein profundes Bild der Zeit, bei dem er diesmal vielleicht etwas stärker auf die Gegenwart schielt. Dass die Priori „im Sommer die Stadttore verrammeln ließen und allen Wirtsleuten befahlen, die Türen zu schließen“, lässt sich heute kaum noch ohne entsprechende Assoziationen lesen. Er spart nicht an Nebenfiguren, wobei er sich mit dem versoffenen Sohn Dantes und dem schriftstellerisch noch äußerst erfolglosen Boccaccio einmal mehr als literaturliebender Autor vorstellt. Dies meist noch mit einem Augenzwinkern. „Ich kann Novellen nicht ausstehen“ – Worte, die er Boccaccio in den Mund legt.

Humoristischen Momenten wie diesem kommen auch eine gewisse Trostfunktion zu. Mit Sklaverei im Christentum, Korruption und Ausbeutung nimmt Schümer sich die Themen der Zeit vor, Geschichte skizziert er eher als Unheilsgeschichte. Es dürfte daher kein Zufall sein, dass im Titel seiner Bücher schwarze Blumen auftreten. Bevor diese Farbe jedoch die Überhand gewinnt, flicht er hier und da eine hellere Blüte ein. Damit hat auch er seine Wette auf das zweite Werk gewonnen und einen unterhalt­samen historischen Roman mit Krimi­elementen vorgelegt. Einen opulenten Strauß.

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