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#Wie aussagekräftig sind Gentests für Alzheimer?

Der Schauspieler Chris Hemsworth hat herausgefunden, dass er eine genetische Veranlagung für Alzheimer aufweist. Im Rahmen der Dreharbeiten zu einer Dokumentationsserie über Langlebigkeit wurde bei ihm durch einen Gentest eine doppelte Variante des sogenannten ApoE4-Gens festgestellt. Immer mehr Menschen haben Interesse an solchen Gentests, doch was sagt das Ergebnis aus? Wem nutzen die Tests, und wem schaden sie sogar?

Johanna Kuroczik

Redakteurin im Ressort „Wissenschaft“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Zu den Grundlagen: Bei der Alzheimer-Demenz schwinden die kognitiven Fähigkeiten des Menschen, das Gehirn schrumpft, und Nervenzellen sterben ab. Betroffene werden zunächst vergesslich, erkennen irgendwann ihre Angehörigen nicht mehr, verlieren ihre Sprache, die Persönlichkeit ändert sich, sie sterben früh.

Die erbliche Form von Alzheimer ist selten

Es gibt eine erbliche Form von Alzheimer, diese macht etwa 0,5 bis drei Prozent aller Alzheimer-Patienten aus. Sie erkranken im Durchschnitt bereits in jungen Jahren, manche zeigen bereits vor ihrem 30. Geburtstag Symptome. Es wurden bislang drei Gene entdeckt, die mit Alzheimer zusammenhängen: APP auf Chromosom 21, Presenilin-1 auf Chromosom 14 und Presenilin-2 auf Chromosom 1. Wenn eine dieser Genvarianten vorliegt, bricht die Krankheit zu fast 100 Prozent aus.

Die Krankheit wird autosomal-dominant vererbt. Leidet also ein Elternteil unter erblich bedingtem Alzheimer, hat jedes Kind ein 50-prozentiges Risiko, auch diese Genvariante in sich zu tragen. Genetische Tests werden in der Regel nur volljährigen Angehörigen angeboten, deren erkranktes Familienmitglied eine solche Genveränderung aufweist. Zuvor sollte eine Beratung von einem Humangenetiker stattfinden, und Betroffene sollten zudem Beistand von einem Psychologen erhalten können, empfiehlt auch der Selbsthilfeverein Deutsche Alzheimer Gesellschaft.

Diese erbliche Form ist selten, fast alle Patienten mit Alzheimer leiden an der sogenannten sporadischen Alzheimer-Demenz. Die genauen Ursachen dafür sind nicht bekannt, der größte Risikofaktor ist jedoch das Alter. 95 Prozent der Betroffenen sind älter als 65 Jahre, wenn die Diagnose gestellt wird. Jeder siebte Mensch, der älter als 80 Jahre ist, leidet an Alzheimer, und bei den über 90-Jährigen ist jeder Dritte betroffen.

Auch bei dieser altersassoziierten Form spielen Gene eine Rolle – besonders das sogenannte Apolipoprotein E, kurz ApoE-Gen. Dieses Protein ist ein Faktor im Stoffwechsel der Blutfette, es hilft unter anderem, Cholesterin zu transportieren. Es gibt verschiedene Varianten: Das Gen ApoE3 ist die häufigste Form und hat keinen Einfluss auf das Alzheimer-Risiko. Die fünf bis zehn Prozent der Menschen, die die Variante ApoE2 tragen, scheinen vor der Alzheimer-Demenz sogar geschützt zu sein. Wer jedoch die Variante ApoE4 trägt – etwa jeder vierte Mensch –, trägt ein zweifach bis dreifach erhöhtes Risiko, an Alzheimer zu erkranken.

Und wer – wie Hemsworth – zu den rund zwei Prozent der Bevölkerung gehört, die sogar zwei Allele tragen, also von jedem Elternteil ein ApoE4 geerbt haben, hat ein acht- bis zwölffach erhöhtes Risiko, an Alzheimer-Demenz zu erkranken. Allerdings gibt es auch Menschen, die wie Hemsworth homozygote Genträger sind und nie an Alzheimer erkranken. Alzheimer ist eine sogenannte multifaktorielle Erkrankung, es gibt also nicht nur einen Auslöser.

Eine Veranlagung muss nicht zur Krankheit führen

Wie genau Alzheimer mit dieser Variante des Apolipoproteins zusammenhängt, ist noch unklar. Eine Studie in „Nature an Mäusen hat vergangenen Winter jedoch gezeigt: Der gestörte Cholesterinstoffwechsel könnte dazu führen, dass die fettigen Hüllen der Nervenzellen geschädigt sind.

Mittels genetischer Tests lässt sich feststellen, ob jemand ApoE4-Träger ist. In den USA werben zahlreiche Unternehmen mit unkomplizierten Verfahren: Man schickt eine Speichelprobe ins Labor und erhält rasch Auskunft über seine genetische Veranlagung. Die Firma 23andme gehört zu den bekanntesten und bietet für kaum 125 US-Dollar auch einen Test auf ApoE4 an.

In Deutschland wäre ein solches Unternehmen nicht gestattet. Im Gendiagnostikgesetz ist festgelegt, dass Ärzte das Erbgut zu medizinischen Zwecken untersuchen dürfen. „Hier wurden vernünftige Rahmenbedingungen geschaffen“, sagt Markus Nöthen, Alzheimer-Forscher und Leiter des Instituts für Humangenetik an der Universität Bonn. „Eine solche Testung müsste von einem ärztlichen Beratungsgespräch begleitet werden.“ Es handele sich um eine tiefgreifende Information, da sich das Risiko nicht beeinflussen lasse und es bislang auch keine Heilung für Alzheimer gebe.

Raten kann Nöthen niemandem zu dem Test auf ApoE4, ohnehin wird dies in Deutschland von den meisten humangenetischen Instituten nicht angeboten. Auch an seiner Klinik wird nicht auf ApoE4 getestet. Doch man habe Erfahrungen mit unheilbaren Erkrankungen des Gehirns, bei denen das genetische Risiko ermittelt werden kann, wie der Erbkrankheit Chorea Huntington. „Uns geht es darum, die Menschen zu informieren“, sagt er. Viele Risikopatienten entschieden sich nach einem Beratungsgespräch, wenn ihnen die Konsequenzen eines Ergebnisses bewusst würden, gegen die Testung. Andere würden es als Erleichterung empfinden, ein klares Ergebnis zu haben.

Zusammengefasst gilt: Das Problem bei der Testung auf die Genvariante ApoE4 ist, dass es sich um eine Veranlagung handelt und Betroffene trotzdem gesund bleiben können. Das ist für manche Menschen schwer zu verstehen. Zudem haben die Genträger wenig Möglichkeiten, ihr Schicksal zu ändern. Und diese Vorahnung kann eine psychologische Last sein.

In den USA wurde Anfang des Jahres ein Antikörpermedikament zugelassen, das das Fortschreiten der Alzheimer-Demenz im frühen Stadium aufhalten soll. Lecanemab zeigte allerdings nur mäßige Wirkung und hatte bei manchen Menschen schwere Nebenwirkungen, wie Schwellungen und Blutungen im Gehirn. Genträger von ApoE4 scheinen für die Nebenwirkungen besonders anfällig zu sein. In Europa ist „Leqembi“, so der Handelsname, noch nicht zugelassen.

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