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#Doku „Hip-Hop – Made in Germany“ mit Denyo, Celo & Abdi

Nichts geht über ein Klassentreffen deutscher Hip-Hop-Stars im öffentlich-rechtlichen Rundfunk: „Hip-Hop – Made in Germany“ bringt Helden des Deutschraps aus den letzten 40 Jahren zusammen.

Wer weiß, wie schwer es inzwischen ist, Hip-Hop-Künstler zu Interviews zu überreden, wie viele Absagen auf eine Zusage kommen, wie oft daran Bedingungen geknüpft sind und wie selten Rapper Lust haben, zeitgeschichtliche Einordnungen abzugeben, muss dieser vierteiligen, von NDR und SWR mitproduzierten Dokumentationsserie einfach Credits geben. Auf In­stagram machen Künstler ihr eigenes Casting, und keiner fragt impertinent nach Sexismus in der Branche oder Einschätzungen zur Konkurrenz. Warum sich also an irgendetwas beteiligen, was nicht 100 Prozent unter eigener Kontrolle läuft?

„Hiphop – Made in Germany“ erzählt vier Jahrzehnte Hip-Hop-Geschichte. Hier kommen auch Deutschrapper vor, die man aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht gewöhnt ist. Sie haben nicht alle bekommen: klar. Shirin David fehlt und Haiyti und Samy Deluxe und Bushido und Haftbefehl und Trettmann, um nur einige zu nennen. Trotzdem: Dieses Zusammentreffen alter und neuer Stars der Szene ist wie ein mit Magengrummeln erwartetes Klassentreffen.

Man muss sich ein bisschen durch Folge eins kämpfen, in der es um die Achtzigerjahre geht und Advanced-Chemistry-Gründer Toni-L mit karierter Signature-Baskenmütze im alten Mercedes durch Heidelberg fährt, Gesprächspartner ein- und auslädt und das Hip-Hop-Archiv der Stadt besucht, während im Radio die alten Songs laufen. Und alle Beteiligten nicken dazu und beweisen, wie erwachsen der Hip-Hop geworden ist. Wahrscheinlich liegt es am etwas hölzernen Konzept: pro Folge eine Stadt, die den Hip-Hop (oder die der Hip-Hop) prägte, wozu nun einmal auch Heidelberg gehört und ein Auto, je zwei Repräsentanten aus der Szene treten auf, alte Radiomeldungen rufen ihnen die gesellschaftlichen Großereignisse des betreffenden Jahrzehnts in Erinnerung. Womit unsere Stars mal mehr und oft weniger anfangen können.

Liz, Celo & Abdi in Frankfurt (keiner hat einen Führerschein)


Liz, Celo & Abdi in Frankfurt (keiner hat einen Führerschein)
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Bild: NDR/Luke Bliedtner

Aber natürlich muss man, will man von deutschen Hip-Hop-Traditionen erzählen, ganz vorne beginnen, bei den Ursprüngen im Mark-Twain-Village, wo die Amerikaner lebten, die „Straight Outta Compton“ nach Heidelberg brachten und deren Militärmusik nach Funk klang, im Gegensatz zur deutschen, die eben spießige Blasmusik war. Auf dem deutsch-amerikanischen Volksfest dann die ersten Breakdance-Battles und mit ihnen die Anfänge von Graffiti und Rap.

Und vom DJing, der vierten Säule des Hip-Hop neben Breakdance, Graffiti und Rap. Auftritt Cora E., bei deren Anblick nun wirklich berechtigt tief eingeatmet wird, nicht nur von denen im Auto, die finden, Cora hat’s verdient, chauffiert zu werden. Sondern auch von Lady Bitch Ray und den anderen, die hier tatsächlich in den „Kulissen“ sitzen und zeitgeschichtliche Einordnungen abgeben. Eko Fresh. König Boris. Hip-Hop-Journalisten, DJs, Fans aus der Politik. Joe Chialo ist dabei, Gregor Gysi und Danyal Bayaz, nebenbei Finanzminister von Baden-Württemberg. Wenige Gangstertypen, aber immerhin Celo & Abdi führen in Folge vier ohne Führerschein durch Frankfurt.

Auch dabei: Schwester Ewa


Auch dabei: Schwester Ewa
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Bild: NDR/Luke Bliedtner

Überraschung, wie viele Frauen sich haben finden lassen: Ebow, Liz, Kitty Kat, Eunique, Antifuchs. Und wie viel Anerkennung sie bekommen. In der Hamburg-Folge fragt Denyo Eunique, wie es war, als Frau in der Szene. In Berlin erzählt Kitty Kat ziemlich berührend von ihrer Erfahrung mit dem Label Aggro Berlin, das sie, die einzige Frau unter Vertrag, lang nicht herzeigen wollte, weil sie gängigen Erwartungen an Rapperinnen äußerlich angeblich nicht entsprach. In Hamburg, sagen sie heute, hat sich der Hip-Hop damals Mühe beim Erzählen gegeben, es sei um „mind fame“ gegangen, nicht um Gangsterstorys. Einen moralischen Kompass habe es gegeben. Und dann der Schreck, als es im neuen Jahrtausend schlagartig mit härteren Tönen losging. Denyo: „Die haben alle so getan, als wären wir Pop-Rapper.“

Womit der Hip-Hop beim Streit über Kommerzialisierung und Deutungshoheit angelangt ist, der sich schon in den Achtzigern abzeichnete, als „die netten Schwaben kamen“. Das Publikum liebte Fanta Vier, die Rapszene war nicht restlos überzeugt, ist es bis heute nicht. Smudo verteidigt: Wir waren halt nicht marginalisiert.

Also alles voller Ambivalenzen. Zwischen Kritik an denen, die Platten verkauften, und der heute verbreiteten Überzeugung, finanzieller Erfolg mache den Künstler. Zwischen der Erkenntnis, dass Jugendliche in traurigen Vororten sich mit dem Genre identifizierten und der Respektlosigkeit dem gegenüber. Dass in der Serie trotzdem meist mit Hochachtung voneinander gesprochen wird, ist einem Ehrenkodex geschuldet, der sonst selten so deutlich wird. Und der weisen Auswahl der Künstler.

Alle vier Folgen sind in der ARD-Mediathek zu sehen.

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