Nachrichten

#Draghi hat nur einen Schuss

Draghi hat nur einen Schuss

Schafft Mario Draghi nun in Italien, was seit 1994 den bisher 17 Regierungen der sogenannten „Zweiten Republik“ nicht gelungen ist? Italien muss endlich wieder mit seiner Wirtschaft spürbares Wachstum erzielen. Sonst steht das Land mit einem Schuldenstand von 150 bis 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in ein oder zwei Jahren vor einer neuen Vertrauens- und Schuldenkrise.

Doch für mehr Wachstum müssten die Missstände beseitigt werden, die Italien seit Jahrzehnten blockieren: die ineffiziente Verwaltung, die langsame und unberechenbare Justiz, die unzureichende Leistung der Schulen, die oft nur auf dem Papier vorhandene Berufsausbildung, die anhaltende Emigration der am besten ausgebildeten jungen Leistungsträger, dazu noch die lückenhafte Infrastruktur oder das einerseits veraltete und andererseits im Süden völlig unterentwickelte Angebot im Tourismus.

Es wäre schon eine Herkulesaufgabe, einzelne dieser tief verwurzelten Probleme zu überwinden. Zugleich hat der neue Ministerpräsident Draghi recht mit seiner Einstellung, viele Missstände gleichzeitig anpacken zu wollen. Schließlich blockiert immer wieder ein Problem die Beseitigung der anderen.

Draghis Plan, sein Land mit vielen entschlossenen Reformen auf Wachstumskurs bringen, birgt ein politisches Wagnis. Denn über viele Jahre war Italiens Wirtschaftspolitik geprägt von oft leerer Rhetorik gepaart mit substantiellem Stillstand. An wirklichem Wandel hatten Italiens Berufspolitiker kein Interesse. Denn in der Regel sind politische Kosten damit verbunden, überkommene Besitzstände abzuschaffen. Mehr Wettbewerb, wie ihn Italien bitter nötig hat, erzeugt außerdem Unsicherheit und manchen Verlierer.

Bisher wollten auch viele Italiener mit allen Kräften am Bestehenden festhalten, solange damit auch nur ein kleiner Vorteil verbunden war. Niemand glaubt, dass bei einer Umverteilung von Chancen und Vergünstigungen alles gerecht zugeht. Dazu ist das Vertrauen in den Staat und die Politik in Italien viel zu gering.

Spätestens 2023 wird wieder gewählt

Umfassende Reformen werden in Italien von besonders viel Widerstand behindert, sie bergen damit besonders hohe politische Kosten. Diese lassen sich in anderen Ländern dadurch abfedern, dass Reformen zu Beginn einer Wahlperiode verwirklicht werden. Dann können Politiker mit mehr Gelassenheit eine Durststrecke mit niedriger Zustimmung bei den Wählern überstehen, in der Hoffnung, dass sich bis zu den Wahlen nach vier oder fünf Jahren die Vorteile der Reformen auszahlen. Doch in Italien mit seinem wackeligen politischen System gibt es bisher keine Chance auf eine derart weitsichtige Politik: Italien steckt im Dauerwahlkampf. Italienische Politiker streben daher zu jeder Zeit nach Wahlgeschenken für ihre Klientel.

Auch der von vielen als Retter Italiens angekündigte Draghi wird sich mit diesen Kalkülen früher auseinandersetzen müssen, als ihm lieb sein kann. Gewählt wird spätestens 2023, viele Menschen wetten aber schon auf Frühjahr 2022. Mit Blick darauf suchen sich die Parteivorsitzenden der weitgespannten Koalition zu profilieren. Am rechten und linken Rand bleiben die Rechtsnationalen und ein Flügel der Fünf-Sterne-Bewegung in der Opposition. Sie wollen die Unzufriedenen sammeln und werden damit zu unliebsamen Konkurrenten der Koalitionsparteien.

Geschickte Auswahl der Minister

Draghi kennt diese Mechanismen. Er konnte genau verfolgen, wie sein Vorbild Carlo Azeglio Ciampi während der Vertrauenskrise 1993 aus der Position des Notenbankgouverneurs ins Amt des Ministerpräsidenten gerufen wurde – um dann bei seinen Reformplänen schnell von allen Parteien eingebremst zu werden. Draghi hat im Gegensatz zu Ciampi immer wieder gezeigt, dass er hart und durchsetzungsstark sein kann. Sonst hätte er nicht als Generaldirektor des Schatzministeriums in zehn Jahren unter sechs Ministern Privatisierungen für 60 Milliarden Euro vorantreiben können.

Hoffen lässt auch, dass Draghi Mut und taktisches Geschick in der Auswahl seiner Minister beweist. Für die strategischen Positionen seines Reformprogramms ernannte er durchweg parteilose Fachleute, auch solche, die sich gegenüber früheren Regierungen unbeliebt gemacht hatten. Die Auswahl der Parteienvertreter im Kabinett übernahm er allein, ohne Verhandlungen.

Zweifellos wird Draghi auch Stärke und Konsequenz bei der Präsentation seines Regierungsprogramms zeigen. Doch er hat nur einen Schuss. In Kürze muss er beweisen, dass seine Reformen Perspektiven der Besserung und des Aufschwungs bieten. Sonst nimmt wieder die kurzsichtige Nabelschau der römischen Politik überhand, mit Parteipolitikern, die nicht begreifen (wollen), in welcher Gefahr Italien schwebt.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!