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#Durch Art-Kreuzung gefährdet

Artgrenzen könnten verschwimmen: Der Verlust von Lebensraum kann bei bedrohten Primaten zu problematischen Hybridisierungen führen, zeigt eine Studie. Diese Entwicklung zeichnet sich bei zwei Languren-Arten in Bangladesch ab. In einigen Gruppen wurden Kreuzungs-Typen beider Spezies gesichtet und anschließend genetisch bestätigt. Es gibt dabei auch Hinweise darauf, dass diese Misch-Individuen selbst fortpflanzungsfähig sind. Wenn sich der Hybridisierungs-Prozess fortsetzt, könnte dies zum Verlust einer oder beider Arten führen, sagen die Forschenden.

Wie bei der Verzweigung eines wachsenden Baumes spalteten sich im Verlauf der Entwicklungsgeschichte der Tiere Arten zu neuen auf: Bestimmte Untergruppen entwickelten dabei zunächst immer ausgeprägtere Besonderheiten, bis schließlich separate Spezies entstanden. Zur weiteren Abgrenzung trug dann bei, dass sich die neu entstandenen Arten bei der Partnersuche mieden. Es ist allerdings bekannt, dass es trotzdem gelegentlich noch zu Techtelmechteln über die Artgrenzen hinweg kommen kann. Daraus können dann Hybridformen hervorgehen, die aber bei gesunden Beständen keine problematischen Auswirkungen auf die Identität der beiden Tierarten haben.

Solche gelegentlichen Hybridisierungen sind auch von Primaten bekannt, wenn sich die Verbreitungsbereiche verwandter Arten überschneiden. Doch in manchen Fällen könnten Kreuzungen auch ein problematisches Ausmaß annehmen. Die Sorge gilt dabei Arten, deren Bestände durch menschliche Aktivitäten stark dezimiert und auf kleine Lebensräume beschränkt sind. Es gibt Hinweise darauf, dass sie dort manchmal Gemeinschaften mit verwandten Primaten bilden. Dabei könnte es dann verstärkt zu Hybridisierungen kommen, die aufgrund der geringen Bestandsgrößen problematisch sind, so die Befürchtung. Denn durch fortlaufende Integration könnte eine Art schließlich in der anderen aufgehen. Unter Umständen könnte aber auch eine Mischform entstehen, die keiner der beiden Ausgangsarten mehr entspricht. Hybridisierung kann somit zum Verlust einer beziehungsweise sogar der beiden betroffenen Arten führen.

Zwei bedrohte Affenarten im Visier

Die Forschenden um Tanvir Ahmed vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen haben nun einen Fall dokumentiert, bei dem sich eine solche Entwicklung abzeichnet. Im Fokus ihrer Studie standen die Phayre-Brillenlanguren (Trachypithecus phayrei) und die Kappenlanguren (Trachypithecus pileatus), die im Nordosten Bangladeschs leben. Beide Arten haben sehr unter Verfolgung und Lebensraumverlust gelitten. Schätzungen zufolge gibt es in Bangladesch nur noch weniger als 500 Phayre-Brillenlanguren und 600 Kappenlanguren, die teilweise auf gemeinsame Lebensräume angewiesen sind. Für ihre Studie haben die Forschenden über fünf Jahre hinweg die Populationen dieser beiden Arten untersucht.

Die beiden Affenarten unterscheiden sich äußerlich deutlich: Links ein Kappenlangur, rechts ein Phayre-Brillenlangur © Rasel Debbarma

Wie das Team berichtet, ging aus ihren Beobachtungen hervor, dass in etwa zehn Prozent der erfassten Affengruppen Phayre- und Kappenlanguren zusammenleben. Besonders häufig treten solche Misch-Gruppen dabei in den vergleichsweise stark von Waldverlust betroffenen Lebensräumen auf, stellten die Forschenden fest. Demnach haben sich die Tiere dort vermutlich aufgrund besonders geringer Individuenzahlen zu den zwischenartlichen Gemeinschaften zusammengeschlossen. In einigen dieser gemischten Gruppen fielen den Forschenden dann auch Exemplare auf, die eine Kombination der äußerlichen Erscheinungsmerkmale beider Arten aufweisen. Sie besaßen beispielsweise die weißen Augenringe der Phayre-Brillenlanguren und das goldbraune Brusthaar der Kappenlanguren.

Problematische Hybridisierung

Um für mehr Klarheit zu sorgen, analysierten die Forschenden dann eine genetische Probe eines solchen Exemplars. Dabei bestätigte sich die vermutetet Hybridisierung: Aus den Ergebnissen ging hervor, dass das Tier eine Kappenlanguren-Mutter und einen Phayre-Brillenlanguren-Vater besessen hat. Wie die Forschenden weiter berichten, sichteten sie außerdem ein weibliches Hybrid-Exemplar, das offenbar ein Jungtier stillte. Es handelt sich somit um einen Hinweis darauf, dass die zwischenartlichen Kreuzungen nicht zu sterilen Individuen führen, wie es bei anderen Tieren bekannt ist – etwa im Fall von Esel und Pferd. Zumindest weibliche Hybriden aus Kappen- und Phayre-Brillenlanguren scheinen fruchtbar zu sein und können Junge zur Welt bringen, legen die Beobachtungen nahe.

„Die Existenz fruchtbarer Hybriden ist besonders alarmierend, weil sie darauf hindeutet, dass der Genfluss zwischen diesen beiden gefährdeten Arten ihre künftige genetische Zusammensetzung irreversibel beeinflussen könnte”, sagt Seniorautor Christian Roos vom Deutschen Primatenzentrum. Er betont dabei die übergeordnete Bedeutung der Entdeckungen, denn auch andere Primaten und weitere Tierarten könnten von dem Problem betroffen sein. „Dies ist nicht nur ein lokales Problem. Wenn Lebensräume zerstört werden, bilden Tiere häufig gemischtartliche Gruppen, und es kann zu Hybridisierung kommen. Dies kann dann sogar das Aussterben einer oder beider Arten bedeuten“, so Roos.

Im Fall der beiden Languren-Arten scheint der Schutz der Wälder für ihr Überleben grundlegend zu sein. Doch dem Team zufolge ist weitere Forschung erforderlich, um die Auswirkungen der Hybridisierungen besser zu verstehen und geeignete Schutzstrategien zu entwickeln. „Diese Studie ist ein Weckruf. Wir brauchen mehr Daten, um wirksame langfristige Erhaltungsstrategien für betroffene Arten zu entwickeln. Weitere Forschungen werden uns helfen, das Ausmaß von Hybridisierungen und die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten darauf zu verstehen und die schlimmsten Folgen zu verhindern“, sagt Co-Autor Dietmar Zinner vom Deutschen Primatenzentrum.

Quelle: Deutsches Primatenzentrum, Fachartikel: International Journal of Primatology, doi: 10.1007/s10764-024-00459-x

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