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#Ein Feiertag zwischen Himmel, Vätern und Herren

Ein Feiertag zwischen Himmel, Vätern und Herren

Der gesetzliche Feiertag Christi Himmelfahrt wird auch Vater-, Männer- oder Herrentag genannt. Die verschiedenen Bezeichnungen deuten schon an, dass es mit der Tradition dieses Tages etwas schwierig ist – ganz anders als mit dem Muttertag am vergangenen Sonntag. Christliches mischt sich mit Heidnischem, Jahreszeitliches mit Politischem und als Ergebnis von 40 Jahren innerdeutscher Teilung auch Östliches mit Westlichem.

Frank Pergande

Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Sogar Feministisches blüht in diesem Zusammenhang neuerdings auf: Wo früher Männergruppen mit Bollerwagen und Bierfass durch die Gegend zogen, mehr oder weniger angetrunken und übergriffig, dürfen Frauen heute auf keinen Fall fehlen, was die Sache – zum Glück – eher zum Familienfrühlingsausflug werden lässt. Wenn es denn in Corona-Zeiten überhaupt noch so etwas gibt wie unbeschwerte Familienausflüge ins Grüne. Der Muttertag hat sich eta­bliert, Blumen sind das Mindeste. Aber die Kinder würden nicht auf die Idee kommen, den Vatertag ähnlich zu begehen.

Wie auch immer, wer Wandern und Picknick liebt, kommt an Christi Himmelfahrt auf seine Kosten, zumal meist schönes Wetter ist. Aber alle anderen haben auch etwas von dem Tag. Zahlenmystiker etwa. Christi Himmelfahrt liegt 40 Tage nach der Auferstehung, also nach Ostern. Vierzig Stunden lag Jesus im Grab. Vor Ostern liegen die 40 Fastentage. Vierzig Tage dauerte der Wüstenaufenthalt Jesu nach seiner Taufe, um sich auf seine Sendung vorzubereiten. Vierzig Jahre lang wanderte das Volk Israel durch die Wüste. Vierzig Tage dauerte die Sintflut. Und ebenso lange die Wartezeit, bis sich die Wasser verzogen hatten.

Christusfiguren durch das Kirchendach gezogen

In der Liturgie von Himmelfahrt spielte der Frühlingsausflug schon immer eine Rolle, durch Prozessionen und Gottesdienste im Freien. Aber auch das etwas Lärmende, etwa wenn im Gottesdienst Christus-Figuren mit dem Seil nach oben zum und durch das Kirchendach gezogen wurden, als nachgestellte Himmelfahrt. Aus Tirol wird eine hübsche Geschichte aus dem 18. Jahrhundert erzählt: Das Seil riss, die Figur schlug auf den Boden und zersprang. Der Küster sammelte alle Teile wieder auf und schickte sie im Korb nach oben: „Auffi muss er!“

Das Bierselige am Ausflug wird auf unterschiedliche Weise erklärt. War das Urbild der Gang der elf Jünger zu einem Berg in Galiläa, wo sie von Jesus den Missionsbefehl erhielten? Oder waren es doch eher die seit dem vierten Jahrhundert bekannten Flurumgänge, bei denen der Herr im Himmel um eine gute Ernte gebeten wurde? Daraus wurde in der germanischen Tradition die Verpflichtung des Besitzenden, seinen Besitz einmal im Jahr zu umschreiten, um so seinen Anspruch zu erneuern.

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Mindestens seit dem frühen 16. Jahrhundert, so wissen wir, wurde dabei auch erheblich getrunken und gefeiert. Im 19. Jahrhundert gab es die ersten Herrentouren durch Wald und Wiesen. In Berlin etwa trafen sich die Junggesellen zu „Schinkentouren“ auf Pferdefuhrwagen. Allerdings erst 1934 wurde Christi Himmelfahrt arbeitsfrei. Zu der Zeit kam auch die Idee mit dem Vatertag auf, die ursprünglich aus Amerika stammt. Wie die Sache in Deutschland begann, darüber gibt es verschiedene Darstellungen. Angeblich war es ein Herrenausstatter mit seinem Aufruf „Schenkt Krawatten“.

Vatertag bei Günter Grass

Der westdeutsche Himmelfahrtausflug wurde bei Günter Grass stimmungsverderbende Literatur. In seinem Roman „Der Butt“ gibt es ein langes Kapitel „Vatertag“, an dessen Ende die Leiche einer erst vielfach vergewaltigten, dann mit Motorrädern immer wieder überfahrenen jungen Frau steht. Grass nennt sie Sybille und gibt ihr diese Biographie: Kind von Danziger Flüchtlingen, die dann auch DDR-Flüchtlinge wurden, zu Kriegsende von sowjetischen Soldaten vergewaltigt. Und so, mit einer vollen Ladung deutscher Geschichte, wollte Grass der bundesdeutschen Gesellschaft den Spiegel vorhalten.

Auch die DDR gab wieder einmal die Stimmungsbremse. Sie schaffte den Feiertag 1967 ab. Damals wurde die Fünftagewoche auf Beschluss der SED eingeführt, im Gegenzug strichen die Atheisten christliche Feiertage, neben Himmelfahrt auch den Ostermontag. Das geschah auf dem VII. Parteitag; die SED, noch unter Walter Ulbricht, fühlte sich obenauf. Auch eine neue Verfassung wurde beschlossen, in der die DDR erstmals als „ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern“ bezeichnet wurde.

Ein Jahr später musste das Volk abstimmen, es war der einzige Volksentscheid in der DDR-Geschichte. Die Zustimmung lag bei 94,5 Prozent, unter DDR-Verhältnissen waren mehr als fünf Prozent Neinstimmen sensationell. Wer fortan im Osten zu Himmelfahrt unterwegs war, auf einem mit Birken- oder Fliederzweigen geschmückten Gefährt, tat etwas Subversives.

Der Begriff Herrentag ersetzte den Begriff Himmelfahrt so gründlich, dass er im Osten bis heute präsent ist. Auch wenn die Schriftstellerin Iris Hanika schon vor Jahren analysierte, dass, wer in diesem Zusammenhang von Herren spricht, immer die Anführungszeichen mitdenkt. Denn ein richtiger Herr würde keinen schlüpfrigen Herrenwitz reißen und auch kein Herrengedeck zu sich nehmen, „viel Alkohol auf engstem Raum“. Erst 1990, im letzten Frühling der DDR, gab es den Himmelfahrtstag zurück.

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