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#Ein früherer Oberst rechnet mit Putins Krieg ab

„Ein früherer Oberst rechnet mit Putins Krieg ab“

Die Sendung „60 Minuten“ im russischen Staatssender „Rossija 1“ ist nicht dafür bekannt, den Ukrainekrieg so zu beleuchten, wie es Zuschauer außerhalb Russlands gewohnt sind. Der Krieg ist hier die von Präsident Wladimir Putin verkündete „Spezialoperation“, in der die russischen Streitkräfte zusammen mit den „Volksmilizen“ der „Volksrepubliken“ im Donbass planmäßig von Erfolg zu Erfolg eilen.

Am Montagabend jedoch zeichnete der Militärjournalist Michail Chodarjonok ein düsteres Bild der russischen Lage, in der Ukraine und darüber hinaus. Gegen russische Siegeseuphorie sagte der 68 Jahre alte pensionierte Oberst, der bis ins Jahr 2000 als Offizier in der Einsatzleitung des Generalstabs der Streitkräfte diente, man dürfe keine „Informationsberuhigungsmittel“ nehmen: Angaben, dass die ukrainischen Streitkräfte demoralisiert seien, „entsprechen, gelinde gesagt, nicht der Wirklichkeit“.

Ukrainer bereit, „Blut für ihre Heimat zu vergießen“

Die Lage für Russland in der Ukraine „wird sich offensichtlich verschlechtern“, erklärte Chodarjonok. Kiew werde mehr Militärhilfe vom Westen bekommen und könne „eine Million Soldaten bewaffnen“, das müsse Russland berücksichtigen. Zudem sei die ukrainische Armee „bereit, Blut für ihre Heimat zu vergießen“. Anders, als es „einige unserer Politologen“ glaubten, werde man nicht professioneller Soldat, wenn man einen Vertrag unterzeichne. Entscheidend für die Kampfbereitschaft sei der „Wunsch, seine Heimat zu schützen“, wie er in der Ukraine bestehe; es siegten die Truppen, die bereit seien, „Blut für die Ideen zu vergießen, für die sie bereit sind, zu kämpfen“.

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Russlands größtes Problem, fuhr Chodarjonok fort, sei die „völlige geopolitische Einsamkeit und dass praktisch die ganze Welt gegen uns ist, auch wenn wir das nicht zugeben wollen. Aus dieser Situation müssen wir herauskommen.“ Die Moderatorin, die in zahllosen Staatsfernsehsendungen gestählte Olga Skabejewa, versuchte immer wieder, den pensionierten Oberst zu widerlegen. Doch Chodarjonok ließ sich nicht beirren, beteuerte, Russlands Ressourcen seien begrenzt, und warb auch dafür, das „Säbelrasseln“ gegenüber Finnland mit Blick auf den NATO-Beitrittsantrag des Landes zu beenden.

Der Militärjournalist ist als Mahner vor zu viel russischem Überschwang bekannt: Anfang des Jahres war Chodarjonok unter zwei ehemaligen Militärs und einem früheren Geheimdienstler, die öffentlich vor einem Angriff auf die Ukraine warnten. In einem Artikel, den damals die „Nesawissimaja Gaseta“ veröffentlichte, zerpflückte Chodarjonok detailliert „Prognosen blutdürstiger Politologen“ von einem in „Minuten“ möglichen Sieg über die Ukraine. Einen „Blitzkrieg“ werde es nicht geben, schrieb Chodarjonok damals, warnte vor einem Guerilla-Krieg wie in Afghanistan oder Tschetschenien und erinnerte an das Scheitern des Versuchs, schon 2014 in der Ukraine ein „Neurussland“ zu errichten. Ein bewaffneter Konflikt mit der Ukraine liege nicht in Russlands Interesse, argumentierte Chodarjonok damals.

Plädoyer für russischen „Realismus“

Mitte Februar wurde er daraufhin zu „60 Minuten“ eingeladen; seinerzeit ging es dem Staatsfernsehen noch darum, die teils mit Daten verknüpften amerikanischen Warnungen vor einem russischen Angriff auf die Ukraine ins Lächerliche zu ziehen. Womöglich sollte Chodarjonok damals auch dem durch seine und andere Warnungen entstandenen Eindruck entgegenwirken, dass in der russischen Militärführung Uneinigkeit in der Ukraine-Frage herrsche. Gegen entsprechende „Meinungen in westlichen Medien“ sagte der pensionierte Oberst damals, dass in der Militärführung ausschließlich „der Willen des Oberbefehlshabers“ gelte, Putins also. Das russische Militär halte „Überraschungen“ parat und erfülle „jeden Befehl“.

Doch jetzt widersprach Chodarjonoks Plädoyer für „Realismus“ vor Millionenpublikum den zuversichtlichen Botschaften, die der Kreml beständig aussendet. Eine Lesart zu seinem Auftritt ist, dass die russische Bevölkerung so auf neue Opfer vorbereitet werden soll; eine zweite, dass das Militär über seinen pensionierten Oberst versucht, Druck aufzubauen, um neue Ressourcen zu bekommen, mehr Waffen, mehr Soldaten. Freilich ist nicht auszuschließen, dass Chodarjonoks Auftritt auch prosaischer, weniger konspirologisch, zu deuten ist: Ein einsamer Mahner bringt im passenden Moment den Mut zu einigen unbequemen Aussagen auf.

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