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#Ein Katalysator für das Internet

Ein Katalysator für das Internet

Es hat sich in der Generation Greta noch nicht herumgesprochen, dass auch das Internet eine Rußspur hinter sich herzieht. Ein Mail beispielsweise ist nicht nur ein kommunikativer, sondern auch ein physischer Vorgang, der umgerechnet ein Gramm Kohlendioxid produziert, eine Stunde Videostream ist so umweltfreundlich wie eine Stunde Autofahren, und rechnet man die Milliarden Likes und Suchanfragen zusammen, die täglich durch die Netzknoten rauschen, dann könnte man dafür viele Male über den Atlantik fliegen. Ganz zu schweigen von den Bitcoin-Farmen, die so viel Strom wie die Schweiz verbrauchen, der aber nicht nur von freundlichen Solarsegeln und Windrädern, sondern auch von schmutzigen Kohlekraftwerken erzeugt wird. Dass nicht vor Server- und Mining-Farmen protestiert wird, liegt wohl nur daran, dass die physische Realität des Internets immer noch im virtuellen Nebel liegt.

Thomas Thiel

Zusammen verschlingen die großen Rechenzentren, die Kraftwerke des Internets, heute 2,7 Prozent des Stroms in Europa. Es ist keine gewagte Prognose, dass ihr Verbrauch mit der fortschreitenden Digitalisierung wachsen wird. Zumindest die großen IT–Konzerne, die nicht länger als Umweltsünder dastehen wollen, haben darauf reagiert und, wie Apple und Amazon, gigantische Solar- und Windparks für ihre Rechenzentren gebaut oder ihre Server an den Polarkreis verlegt, um den gigantischen Energieaufwand für die Kühlung zu reduzieren.

Man kann auch den umgekehrten Weg gehen und die Rechner und ihre Gehäuse, die Rechenzentren, selbst ökologisch modernisieren. Volker Lindenstruth ist ein Pionier dieser Technik. 2008 kam der promovierte Physiker an die Universität Frankfurt, um dort ein Hochleistungsrechenzentrum aufzubauen. In den folgenden Jahren hat er nicht nur dort einige der sparsamsten Rechner der Welt gebaut. Der Loewe CSC war europäischer Spitzenreiter in Sachen Energieverbrauch, mit dem Rechenzentrum „Green Cube“, das am Helmholtz-Zentrum für Schwerionenforschung GSI in Darmstadt steht, eroberte er 2014 den Spitzenrang auf der grünen Weltrangliste, die sich in rasendem Tempo fortentwickelt.

Hochleistungs-Tandem: Volker Lindenstruth vor einem seiner Superrechner


Hochleistungs-Tandem: Volker Lindenstruth vor einem seiner Superrechner
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Bild: Dettmar

Enormes Sparpotential

Lindenstruth hat den Computer in zwei Schritten von innen her revolutioniert. Die erste Pioniertat war, Prozessoren durch Grafikkarten zu ersetzen. Das mag verwirren, weil der Prozessor als Schaltzentrale jedes Rechners gilt. Das muss er aber nicht sein. Nicht zuletzt den Fortschritten der Spieleindustrie ist es zu verdanken, dass die Grafikkarte ihm den Rang abgelaufen hat. Bei der optischen Gestaltung dynamischer Spiellandschaften ist inzwischen eine Rechenkraft aufzubringen, die jeden Prozessor überfordert. Während der Prozessor mit einem Rechenwerk auskommen muss, verfügt die Grafikkarte über mehrere tausend Rechenwerke, die eine Aufgabe parallel abarbeiten können. Volker Lindenstruth kam so auf die Idee, die Grafikkarte zur zentralen Recheneinheit zu machen. Einige Unternehmen wie Airbus haben sich diesem Schritt angeschlossen, auch das Forschungszentrum Jülich, das über zwei der schnellsten Rechner der Welt verfügt, plant bereichsweise den Wechsel zur Grafikkarte. Insgesamt geht der Umbau aber nur langsam voran, was Lindenstruth auf den damit verbundenen Programmieraufwand zurückführt. Jeder Algorithmus muss umgeschrieben werden.

Lindenstruth hält das aus eigener Erfahrung für eine lösbare Aufgabe und den allgemeinen Umstieg deshalb nur für eine Frage der Zeit. Auf Dauer, so Lindenstruth, könnten die wachsenden Rechenaufgaben der Wissenschaft mit einem Prozessor gar nicht mehr gelöst werden. Und die Stromrechnung für Computertechnik bringe die Hochschulen heute schon an die Belastungsgrenze. Supercomputer der obersten Liga verursachen rund 1,5 Millionen Euro Stromkosten im Jahr. Die weltweit größten ihrer Art kommen gar auf mehrere zehn Millionen jährlich. Der Umstieg auf die deutlich sparsamere Grafikkarte würde den Energieverbrauch nach Lindenstruth um gut die Hälfte senken.

Ökonomische Fehlstellungen

Darin inbegriffen ist noch nicht der zweite Sparfaktor: der Umbau der Rechenzentren, deren Kühlung Unmengen an Energie verschlingt – was vor allem daran liegt, dass sie mit Luft gekühlt werden. Microsoft hat sein europäisches Rechenzentrum sogar im Meer vor der schottischen Küste versenkt, um die horrenden Kühlkosten zu sparen. Andere Überlegungen gehen dahin, die beim Rechnen entstehende Wärme für andere Zwecke, etwa die Heizung von Nebengebäuden, zu nutzen oder schon die Chips selbst mit Wasser zu kühlen, was über den Prototyp aber noch nicht hinausgekommen ist.

Das Green-Cube-Rechenzentrum an der GSI in Darmstadt


Das Green-Cube-Rechenzentrum an der GSI in Darmstadt
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Bild: GSI

Lindenstruth lässt dagegen Leitungswasser durch die Server zirkulieren, das abgekühlt durch ein weiteres Wärmetauschsystem wieder dorthin zurückfließt, wo es hergekommen ist: in den Main oder jeden anderen Fluss, an dem der Computer steht. Auch dieses System, das er hat patentieren lassen, hat nach seinen Angaben eine beispielhafte Energiebilanz: Im Unterschied zur traditionellen Luftkühlung, die zwischen dreißig und vierzig Prozent des für das Rechnen aufgewendeten Stroms verbrauche, komme sein Rechenzentrum Green Cube mit weniger als sieben Prozent aus. Würde man alle Rechenzentren auf diese Art kühlen, dann ließen sich nach Lindenstruths Rechnung 15 Milliarden Euro und 21 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr einsparen.

Bisher verhindern wirtschaftliche Fehlanreize den ökologischen Umbau. Die Betreiber der großen Rechenzentren haben kein Interesse am Sparen, weil sie die Kosten auf die Mieter umlegen können. Natürlich lassen sich nicht alle fünfzigtausend Rechenzentren von heute auf morgen modernisieren. Aber welchem Politiker würde die Aussicht auf „grüne Digitalisierung“, die Milliarden spart, nicht ein Lächeln ins Gesicht zaubern? Manchmal dauert es sehr lange, bis die Neuigkeiten aus der Wissenschaft in der Politik ankommen.

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