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#Ein konsensfähiges Leben: „Jetzt“ von Annalena Baerbock

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Ein konsensfähiges Leben: „Jetzt“ von Annalena Baerbock

Die Oma von Annalena Baerbock kommt in deren am Montag erscheinendem Buch „Jetzt“ mindestens drei Mal vor. Zuerst in der Widmung: „Für meine Oma und all die Generationen, die so viel erlitten, erkämpft und geleistet haben und auf deren Schultern wir heute stehen.“ Dann auf Seite 72: „Jedes Mal, wenn ich unsere beiden Beistelllampen am Abendbrottisch anknipse, habe ich ihre Stimme im Ohr: ‚Mein Gott, Annalena, wie viel Lampen habt ihr denn an. Wie viel Strom das kostet!‘ Ich bin überzeugt, dass Klimaschutz heute ein Projekt ist, das die Generationen vereinen kann.“

Und dann die Passagen, in denen die 1958 aus Oberschlesien nach Niedersachsen ausgesiedelte Frau in der Essnische im Flur ihrer Enkelin von den furchtbaren Erlebnissen bei den Flüchtlingstrecks im Krieg erzählt: „Diese wahnsinnig stolze, selbstbewusste und vor allem lebensbejahende Frau war rückblickend ein Hauptantrieb dafür, dass ich eine Leidenschaft für Europa- und Völkerrecht entwickelte.“

Offenbar gab es zwischen Baerbock und ihrer Großmutter eine besondere Nähe. Aber noch aus einem anderen Grund sind diese mehrfachen Erwähnungen bedeutsam. Denn fast alle biographischen Details, die die Kanzlerkandidatin der Grünen in diesem Buch preisgibt, verbindet sie mit einer politischen Lehre, die sich dann auch im Wahlprogramm ihrer Partei wiederfindet. Und zentral ist hier: Die Oma kommt erkennbar nicht aus dem linksliberalen akademischen westdeutschen großstädtischen Milieu, das man gemeinhin mit den Grünen verbindet und das vonseiten anderer Schichten Ressentiments auf sich zieht. Gerade deshalb steht sie für das Projekt der die Generationen und Klassen überschreitenden Gemeinsamkeit, das „Jetzt“, das Buch, durchzieht. Ihre Eigenschaften als starke Frau, ihre Sparsamkeit und ihre Migrationserfahrungen machen sie, so legt Baerbock nahe, zur potentiellen Unterstützerin jener Art Erneuerung, die der Partei vorschwebt.

Wer nicht Anne Will guckt

Die grünen Strategen sehen sich in diesen Tagen nicht nur der Gefahr ausgesetzt, dass sie die Wahl verlieren. Sondern auch der, dass sie die Wahl gewinnen und die Gesellschaft dadurch mehr und tiefer denn je gespalten wird. Als Anne Will nach der Sachsen-Anhalt-Wahl Robert Habeck fragte, welche Fehler denn nun dazu geführt hätten, dass die Grünen so schlecht abschnitten, antwortete der mit einer Ausführung über die Spaltung der Gesellschaft in zwei völlig getrennte Diskurswelten.

Damit war erst einmal das Ost-West-Verhältnis gemeint, das bei der Landtagswahl wichtig gewesen war, dann aber auch ein Auseinanderfallen der Öffentlichkeit insgesamt: „Wie schaffen wir es, eine gemeinsame Debatte zu führen, damit nicht die eine Hälfte Anne Will guckt und die andere sagt, das geht ja völlig an unserer Lebenswirklichkeit vorbei?“ Das ist eine zuletzt öfters gestellte Frage, doch aufschlussreich ist, dass der Vorsitzende der Grünen sie direkt auf seine Partei bezieht. Er weist ihr damit eine neue Rolle zu: als besonders verletzliche Hauptrepräsentantin eines auch von den anderen demokratischen Parteien geteilten Mainstreams.

Direkt sprach Habeck das in einem Gespräch mit der Zeitschrift Der Spiegel aus. Nach der Möglichkeit befragt, dass die Grünen das Kanzleramt erobern und sich in der Folge „mehr Menschen entfremdet“ fühlen, antwortete er: „Der Vorteil ist vielleicht, dass wir die Gefahr, die Sie beschreiben, sehen.“ In den letzten dreieinhalb Jahren hätten die Grünen „intensiv darüber nachgedacht, welche Rollenveränderung“ das für sie bedeute: „Wir haben uns vorgenommen, uns nicht mehr als Nischen- und Minderheitenpartei zu verstehen, sondern in die Mitte zu ziehen. Unsere Aufgabe ist es, diese neue Rolle durchzuhalten.“ Die Positionsbestimmung „Mitte“ markiert für die Grünen heute also ein doppeltes Ziel: nicht nur wie schon bisher die frühere Identität als Protestbewegung abzustreifen, sondern zugleich auch, die gerade durch diese etablierte Stellung verstärkten und von rechten Demagogen ausgenutzten Abwehrreflexe aufzulösen und ins Leere laufen zu lassen.

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