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#Ein Masterplan für das Gesundheitsamt

Ein Masterplan für das Gesundheitsamt

Die Berliner Mutter staunte, als sie am 7. Januar den Briefkasten öffnete. Der „sehr geehrten Erziehungsberechtigten“ teilte das Gesundheitsamt mit Datum vom 29. Dezember mit, wann sie ihre Tochter nach dem Kontakt mit einer Corona-infizierten Mitschülerin wieder in den Unterricht lassen dürfe: „Wenn keine Krankheitszeichen auftreten, endet die Isolation am 15.12.2020“ – also zu einem Zeitpunkt, der beim Eintreffen des Briefs seit drei Wochen verstrichen war.

Ralph Bollmann

Ralph Bollmann

Korrespondent für Wirtschaftspolitik und stellvertretender Leiter Wirtschaft und „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Immerhin hatte die Schule zuvor schon mitgeteilt, dass überhaupt eine Quarantäne verhängt worden war. Vom Gesundheitsamt hätte die Familie wohl auch davon erst im Nachhinein erfahren. Dass ein Quarantänebescheid rückwirkend ergeht, wenn es ohnehin zu spät ist, geschieht vielerorts in Deutschland – eine Art Seuchenbekämpfung im Konjunktiv: Gut zu wissen, was man hätte tun sollen, damit niemand infiziert worden wäre.

Ratlos blieben in der vorvergangenen Woche auch die Bewohner des brandenburgischen Landkreises Oder-Spree zurück. Am Dienstag hatten die Regierungschefs von Bund und Ländern beschlossen: Wer in einem Kreis mit mehr als 200 Corona-Infektionen pro Woche und 100.000 Einwohner lebt, darf dessen Grenzen nur noch um 15 Kilometer überschreiten. Tags darauf, als sie davon in der Zeitung lasen, mochten sich die Leute zunächst entspannen: Im Kreis waren es nur 134 Fälle, meldete das Robert-Koch-Institut, eine Bundesbehörde.

Das Reiseverbot trat trotzdem in Kraft. Maßgeblich sei der Wert, den das zuständige Landesamt melde, befand die Regierung in Potsdam – und der lag am selben Tag bei 229 positiv Getesteten. Das Meldesystem des Bundes sei schlicht zu kompliziert, um alle Fälle zeitnah einzuspeisen, ließ der Landkreis ganz offiziell auf seiner Homepage wissen. „Aufgrund des hohen Infektionsgeschehens wird die umfassende Datenaufbereitung derzeit nachrangig behandelt.“

Nicht so gründlich reformiert wie einst Arbeitsagentur und Flüchtlingsamt

Dabei sind es die Gesundheitsämter, die im Zentrum der gesamten deutschen Corona-Strategie stehen. Offiziell hält die Regierung noch immer an dem Ziel fest, den Inzidenzwert unter die Marke von 50 zu drücken, damit die Ämter wieder in der Lage sind, die Kontakte aller Infizierten nachzuvollziehen. Deshalb sind Schulen und Geschäfte geschlossen, dürfen Restaurants oder Theater seit zweieinhalb Monaten nicht öffnen. Doch die Wahrheit ist: Niemand weiß, wozu die Behörden wirklich in der Lage sind. Der Wert dürfte vielerorts niedriger liegen, mancherorts auch höher, er ist abhängig von vielen Umständen. Verlässliche Erkenntnisse darüber gibt es kaum.

Überlastete Behörden, viel zu spät verschickte Bescheide, fehlende Datengrundlagen: Was derzeit in der deutschen Gesundheitsbürokratie geschieht, erinnert auffallend an zwei vergangene Großkrisen. Da war zum einen die Jobkrise nach der Jahrtausendwende, mit bis zu fünf Millionen Menschen ohne Beschäftigung. Die Arbeitsvermittlung brach faktisch zusammen, nicht nur mangels offener Stellen, sondern vor allem, weil die überlasteten Arbeitsämter der Lage nicht mehr Herr wurden.

Es folgten die Hartz-Reformen, der Umbau der „Bundesanstalt“ für Arbeit in eine „Bundesagentur“, gestraffte Abläufe, verlässliche, aber auch verbindliche Beratungstermine. Gewiss, der folgende Beschäftigungsboom hatte auch andere Gründe, und umgekehrt half der Wirtschaftsboom auch der Behörde. Aber Beschwerden über ein Totalversagen sind seither nicht mehr laut geworden.

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