#Ein Salat namens Asgard
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„Ein Salat namens Asgard“
Wer sich in der Welt der nordischen Mythologie bewegt, erlebt in den großen Fragen keine Überraschungen. Wie die Sache enden wird, steht von Anfang an fest: Der gefesselte Fenriswolf wird sich losreißen und den Göttervater Odin umbringen, die riesige Midgardschlange und der Donnergott Thor töten einander, „die Sonne verdunkelt sich, das Land versinkt im Meer, / vom Himmel stürzen die hellen Sterne; / es wüten Feuer und Rauch, / große Hitze steigt selbst bis zum Himmel empor“.
So steht es in der „Älteren Edda“, auch „Lieder-Edda“ genannt, und das gleich zu Beginn dieser Sammlung, die wohl im 13. Jahrhundert niedergeschrieben worden ist, auf der Grundlage von sehr viel älteren Gesängen. Auskunft über die Zukunft wie auch die Vergangenheit bis zur Erschaffung der Welt gibt eine Seherin, und dass ihre Prophezeiung allgemein geglaubt wird, belegt auch ein paralleles Werk des Snorri Sturluson: In seiner Edda kommt die noch etwas mit Details angereicherte Kunde vom Ende der Welt (in dem Gesang „Gylfis Täuschung“) aus dem Mund der Götter selbst, die also ihren einstigen Untergang voraussehen – auch den Tod ihres Feindes Loki, des Vaters der Midgardschlange und des Fenriswolfs.
Wie lebt man, wenn man all das vorausweiß, sogar „Ragnarök“, den Untergang der eigenen Zivilisation? In einer Szene der sechsteiligen Fernsehserie „Loki“ demonstriert die wie in den „Avengers“-Filmen von Tom Hiddleston gespielte Titelgestalt, wie sie mit diesem Wissen umgeht. Ohnehin geübt darin, sich in alternativen Zeitsträngen zu bewegen, die Vergangenheit zu verändern und dadurch – gemeinsam mit anderen Marvel-Helden – die Varianten zu erschaffen, deren Gesamtheit das „Multiversum“ bilden, kommt Loki auf eine Idee, die er am Beispiel eines Salatgerichts demonstriert. „Stell dir vor, dieser Salat ist Asgard“, sagt er zu seinem Gegenüber, dem Agenten mit dem schönen Namen Mobius M. Mobius und zugleich Besitzer der Mahlzeit. Loki kippt nun alles auf den Salat, was ihm so in die Finger kommt, am Ende noch ein Tetrapack Wasser. Mobius, gespielt von Owen Wilson, braucht eine Weile, um zu verstehen, was Loki damit sagen will – wenn die Zerstörung einer Sache, und sei sie die Götterwelt Asgard, sowieso feststeht, dann spielt es keine Rolle, ob man ihr kurz vor dem Ende weiteren Schaden zufügt. Und wenn man es darauf anlegt, möglichst folgenlos Schaden zu stiften, dann wäre der Moment unmittelbar vor einer unausweichlichen Katastrophe der richtige.
Noch lange nicht ausgeschöpft
Der Gedanke leuchtet ein, auch Mobius. Zweifeln könnte er immerhin an der Annahme, es sei unausweichlich gewesen, dass sein Salat ungenießbar werden würde, just bevor er ihn verspeisen konnte. Doch anders als Loki ist Mobius davon überzeugt, dass Dinge geschehen, weil sie so geschehen sollen, und dass jede Abweichung von dem festgelegten Ablauf – der „Sacred Line“ – eine Katastrophe nach sich zieht.
Mobius, den Wilson mit größter Ruhe spielt und dessen nasale Stimme diesen Eindruck von Gelassenheit noch unterstreicht, ist Mitarbeiter der „Time Variance Authority“, einer Behörde, die mit stiller Energie genau dasjenige unterbinden will, was Loki befördert: das Ausfasern der einen Welt und ihrer Geschichte in Parallelwelten. Deshalb gerät Loki, dessen Geschichte hier ausgehend vom „Avengers“Film „Endgame“ erzählt wird, auf der Flucht in die Fänge der entschlossen durchgreifenden Agenten um Mobius, nur dass der eine Verurteilung und Inhaftierung Lokis verhindert, weil er hofft, durch den „Variant“ einem Zeit-Schabernack treibenden Parallel-Loki auf die Spur zu kommen. Schließlich, so Mobius’ Vermutung, kann sich niemand so gut in einen Loki hineinversetzen wie ein anderer Loki. Die große Frage ist allerdings, wie weit der traditionell alles andere als gefestigte Gott zur Kooperation mit Mobius bereit ist.
Entstanden ist dabei eine mitunter trotz der komplexen Thematik etwas schlicht erzählte Serie, deren Ausstatter zwar ganze Arbeit leisten, deren Dialogautoren aber sich manche Längen erlauben. Dass dieser Loki auf dem Weg ist, sich selbst von Grund auf zu hinterfragen, wird überdeutlich, dass dieser Weg noch lang sein könnte, allerdings auch. Was er eigentlich vorhabe, wird er gefragt. Seinen Thron zurückzufordern, antwortet Loki. Und dann? König sein, in Midgard, Asgard, dem Universum. Vielleicht muss man so reden, wenn man auf äußerst schmerzhafte Weise gerade die Erfahrung gemacht hat, dass jeder sonst angewandte Trick in dieser Umgebung nicht funktioniert.
Dass das Potential von Loki und Mobius noch lange nicht ausgeschöpft ist, liegt auf der Hand, und dass bereits über eine zweite Staffel der gerade anlaufenden Serie spekuliert wird, ist kein Wunder. Schon um die Frage zu klären, ob es angesichts der umfassenden Vorbestimmung tatsächlich keinen freien Willen gebe, wie Mobius meint, aber dafür eben auch kein Chaos.
Kein Chaos, fragt Loki zurück, wie langweilig! Und zeigt dabei, dass jede Verwandlung einer Person durchaus ihre Grenzen hat.
Loki ist von diesem Mittwoch an bei Disney+ abrufbar.
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