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#Ein selten kluger Fisch

Ein selten kluger Fisch

Die Liste seiner literarischen Verehrer ist lang: Siegfried Lenz konnte ihm nicht widerstehen. Auch Hermann Hesse und Thomas Mann haben ihm ein schriftstellerisches Denkmal gesetzt, wenngleich sich die „Buddenbrooks“ darauf beschränken, ihn Heiligabend zu verspeisen, während der begabte Hans Giebenrath in „Unterm Rad“ ihn mit Vorliebe angelt. Auch Autoren wie John von Düffel und Max Scharnigg kommen in ihren Texten nicht an ihm vorbei. Und wäre er im Flüsschen Urft beheimatet, dann hätte Norbert Scheuer in seinem Roman „Überm Rauschen“ (der eigentlich ein Angel-Roman ist) ganz sicher nicht nur die Fliegenrute auf Forelle durch die Luft sausen lassen. Die Rede ist – wie so oft kurz vor Silvester – vom Karpfen.

Angeln an sich ist ein literarisches Motiv, das nach wie vor immer wieder in Erscheinung tritt, man denke nur an den Roman „Die Forelle“ des Österreichers Leander Fischer – vielleicht erinnert man sich noch an seine Fliegenfischer-Lesung beim Bachmann-Wettbewerb 2019. Unter all den Fischen aber, die mir in der deutschsprachigen Literatur begegnet sind, ist es allen voran der Karpfen, der die größte Anziehungskraft auszuüben scheint. Es gibt schönere und reizvollere Fische – die Äsche zum Beispiel, die ihre große, stolze, fahnenartige Rückenflosse wie einen Irokesenschnitt trägt, oder die fast überall vorkommende Rotfeder: rotflossig und golden glänzend. Und natürlich gibt es schmackhaftere Fische als den Karpfen. Ich denke da an das rosafarbene zarte Fleisch eines Wildlachses oder das erhabene Gefühl, das sich einstellt, wenn das weiße, im wahrsten Sinne des Wortes butterweiche Fleisch eines selbst gefangenen Zanders auf meiner Zunge zergeht. So ganz mithalten kann der Karpfen da nicht – hat er aber auch gar nicht nötig. Wer erinnert sich an einen Zander in der deutschsprachigen Literatur? An Lachs oder Äsche? Eben. Etwas muss es also auf sich haben mit dem Karpfen. Nur was?

Angler muss man nicht sein, um über Fische zu schreiben

Vielleicht ist es hilfreich, zunächst das Wesen eines angelnden Menschen zu ergründen, denn nicht selten, siehe Hesse, Lenz oder Scharnigg, ist einer, der über Fische schreibt, ja selbst auch leidenschaftlicher Angler. Um am Ende des Tages Filet auf dem Teller zu haben, muss man mitunter viel auf sich nehmen. Oft müssen wenig appetitliche Köder wie Maden und Würmer aufgespießt werden. Manchmal wollen ganze Schubkarren voll Ausrüstung an entlegene Plätze geschoben werden. Und es gibt Fische, der Karpfen ist einer von ihnen, die beißen bevorzugt in den Nachtstunden – zur Unzeit aufzustehen und zur Unzeit schlafen zu gehen, auch das gehört zu den Aufgaben eines Anglers. Schließlich gibt es noch die unbekannte Variable namens Wetter: 36 Grad im Schatten, Gewitter, Starkregen, bittere Minusgrade. Allein wenn ich an die Minusgrade denke und daran, dass ich traditionell in der Nacht vom 1. auf den 2. Januar an den Fluss gehe und fische, regt sich das in mir, was man vielleicht die Schizophrenie des Angelns nennen könnte: Etwas in mir sagt, dass ich das auf keinen Fall machen sollte (wie oft habe ich nach solchen Frostnächten mit Erkältung im Bett gelegen . . .). Etwas ganz anderes sagt gleichzeitig, mit der beschwörenden Stimme eines Hypnotiseurs: Du wirst angeln gehen! Und natürlich werde ich am Fluss stehen, auch bei minus zehn Grad.

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