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#Ein absoluter TV-Tiefpunkt: RTL zeigt die „Sommerhaus“-Eskalation

Walentina und Can im Sommerhaus der Stars
Walentina und Can müssen das Sommerhaus verlassen. Foto: RTL

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Nach einer Handgreiflichkeit hat RTL zwei Paare aus dem „Sommerhaus der Stars“ geworfen. Was der Sender heute Abend ausstrahlt, ist ein Tiefpunkt im deutschen Fernsehen.

Über Reality-Formate wie „Das Sommerhaus der Stars“ wird gern despektierlich gesprochen. Es fällt leicht, sich über derlei Sendungen zu erheben und nebenbei über Menschen, die sich als Zuschauerinnen und Zuschauer zu ihnen bekennen. Frei nach dem Motto: Wer schaut denn so etwas?! Dicht gefolgt von: Ich schaue ja gar kein Fernsehen! Nun, es sei jedem freigestellt, wofür man Lebenszeit und Interesse aufbringt. Fakt ist jedoch: Diese Sendungen sind ein kulturelles Phänomen, das man nicht mögen, aber ernst nehmen sollte.

Einerseits, weil sich daran mittlerweile ablesen lässt, welch pervertierte Abzweigungen dominierende Aufstiegsversprechen nehmen. Wer berühmt und reich werden will, muss nur ein Mal besonders penetrant auffallen und kann dann als Influencer auf Social Media durchstarten. Oder umgekehrt. Talentlosigkeit in Gold verwandeln, sofern man die richtigen Knöpfe zu drücken weiß. Um im Anschluss darum zu kämpfen, sich in der Kommerz-Sphäre zu erhalten, was immer drastischere Methoden verlangt. Das Geschäft, sich vor Followern als private Litfaßsäule zu verkaufen, und das Auftreten in Reality-Shows der Privatsender sind inzwischen untrennbar verbandelt. Reality-TV hat sich gewandelt. Es ist ein berechenbares crossmediales Arbeitsfeld geworden, dessen Tragweite noch immer nicht gänzlich erfasst wurde.

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Show-Talent ist ein rares Gut

Damit verbundene Reichweiten, kulturelle Prägungen und Tendenzen hin zu einer omipräsenten Produkthaftigkeit verleugnen zu wollen, ist möglich, aber unklug. Echte Stars und Prominente, die tatsächlich mit einem Talent – womöglich gar für das Showgeschäft – überzeugen, die auf eine bewegte Karriere zurückblicken können, wurden vom Beruf des austauschbaren Reality-Darstellers abgelöst. Letzterer kann in der Regel zuvorderst auf einen prall gefüllten Social-Media-Account zurückblicken.

Das Sommerhaus der Stars bei RTL
Im „Sommerhaus der Stars“ spielen sich 2023 hässliche Szenen ab. Foto: RTL

Was ist nur aus Trash-TV geworden?

Unterhaltsam waren Reality-Formate, wenn man gefallenen, verglühten Stars oder solchen, die gerade an einem Scheideweg stehen, zusehen konnte. Zusehen, wie sie auf andere Kollegen treffen, in einen Austausch treten, Welten des Showbiz, Trash und Hochkultur kollidieren lassen. Man denke an Köpfe wie Helmut Berger, Olivia Jones, Brigitte Nielsen, Djamila Rowe, Désirée Nick oder Winfried Glatzeder! Menschen mit Geschichten!

Unterhaltsam deshalb, weil das verquere Streben nach Authentizität dabei zwar ein Trugschluss bleibt, aber dennoch anregende, selbstreflexive Spannungen birgt. Genau dann, wenn man sich den Kameras 24/7 ausliefert. Der permanente Selbstentwurf wird hautnah eingefangen, persönliche Inszenierungsstrategien werden offengelegt. Sie lassen das Stattfinden in der Medienbranche und das Spiel mit alltäglichen Rollen studieren, wenngleich selbige immer wieder zu zerfallen drohen.

Jene Strategien für ein Publikum unterhaltsam und interessant zu gestalten, sich seiner selbst bewusst zu sein und zu wissen, wann man mit Humor, wann mit Konfliktbereitschaft, wann mit Klasse, wann mit niedersten Instinkten überzeugen muss – das ist eine hohe Kunst! Sie erfordert Talent, das ein Gros heutiger Reality-Darsteller nicht besitzt und mit Füßen tritt. Die aktuelle Staffel vom „Sommerhaus der Stars“ zeugt davon fataler denn je. Sie scheitert an ihrer grottigen Besetzung, die Spannungen in der Selbstdarstellung mit bloßer Gewalt verwechselt, um sich im Gespräch zu halten.

„Das Sommerhaus der Stars“ geht zu weit

Es darf auch mal Streit sein! Keine Frage, es wäre scheinheilig, würde man nicht auf den Reiz des Konflikts verweisen, von dem derlei Sendungen leben. Er folgt ähnlichen Mechanismen und Attraktionen wie Horrorfilme: dem Ernstfall beiwohnen, ohne beteiligt sein zu müssen. Ein Austesten, eine Gleichzeitigkeit von Mitleid und Erhebung, es selbst im Alltag besser machen zu können. Bei RTL ist man allerdings einen Schritt zu weit gegangen.

In der aktuellen Folge kommt es nach diversen unterirdischen Attacken und Provokationen zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung. Als die Security eingreift, ist der Schlag schon passiert. Letzte Woche erschien die Episode bei RTL+, am 24. Oktober läuft sie linear im Fernsehen. Gigi Birofio und seine Partnerin Dana werden dort aus der Sendung geworfen. Walentina Doronina und ihr Partner Can Kaplan, die Geschlagenen, müssen ebenfalls gehen, um die Wogen zu glätten. Gerade Doronina fiel über die bisherigen Folgen hinweg mit hemmungslosen Sticheleien und Überheblichkeit auf. Jetzt die Eskalation.

Gigi Birofio wird handgreiflich und muss daraufhin das „Sommerhaus“ verlassen. Foto: RTL

Eskalation im „Sommerhaus der Stars“ läuft am Dienstagabend bei RTL

Was davon womöglich geplant, gespielt war oder nicht: Die bedrückenden letzten Szenen dieser aktuellen Episode von „Das Sommerhaus der Stars“ sind ein neuer zur Schau gestellter Tiefpunkt, der auf zahlreiche ärgerliche Eskapaden jüngerer Reality-Formate folgt. Seien es Alkoholexzesse, Spuck-Attacken oder nicht enden wollendes Mobbing, nicht nur bei RTL.

Das Streben nach Grenzüberschreitung kennt kein Halten mehr. Es ist keine Neuheit, dass derlei Formate nach dem größtmöglichen Konfliktpotential mit möglichst extremen Charakteren besetzt werden. Aber auch der hässlichsten Zickenkrieg hat sich in einem gewissen Rahmen zu bewegen, den das „Sommerhaus der Stars“ nun wiederholt verlassen hat.

Der Abend der Eskalation Foto: RTL

Toxische Muskelmänner, Fäkalsprache, Schlägerei

Denn es mangelt genau daran: an reifen, selbstbewussten Charakteren, die das Rollenspiel in etwas Amüsantes oder Spannendes verwandeln könnten. Genau einen echten Charakterkopf zeigt RTL in diesem Format: die Boutique-Besitzerin Claudia Obert. Eine Trash-Darstellerin im besten Sinne. Am Ende wurde sie von ihren Mitstreitern früh aus der Show gekickt. Sie könnte ihnen schließlich Sendezeit stehlen! Der Rest: eine Horde vergessenswerter Influencer und Dating-Show-Kandidaten, die keinerlei Gespür erkennen lassen, sich interessant und unterhaltsam der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Stattdessen: toxisches Beziehungsverhalten am laufenden Band, gekränkte Egos, schlechte Verlierer, aufgepumpte, kindische Muskelmänner, die sich wie die Axt im Walde verhalten. Ausgestellte Macho-Stereotype, Partner, die sich aufs Übelste erniedrigen. Konflikte, die sich zuvorderst darum drehen, wer gerade „Fake“ ist oder eine „Show“ abzieht – der Klassiker im Reality-TV. Als würde es nicht genau darum gehen! Dialoge und Streitereien besitzen keinerlei Fallhöhe mehr. Sie finden zwischen Menschen statt, die man nicht kannte, nicht kennen will und nicht lange kennen wird, weil sie nur noch als Klone einer digitalen Konsumsphäre auftreten. Man zerfetzt einander mit Ausdrücken wie „Psycho“, „Bastard“, „Hund“ und anderen tierischen Kosenamen.

Reality TV braucht Gegensätze, Diversität und Fallhöhe

Es gab einmal Reality- und Trash-Formate, die haben sich Charaktere und Selbstdarsteller eingeladen, welche noch irgendetwas vom Showgeschäft erwarteten. Die unterhalten konnten, ohne sich permanent nur zu beleidigen und sich auf unterstem Fäkal-Niveau gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Dass nun auch noch zugeschlagen wird, also man sich einer Geste bedient, die den letzten Rest zivilisierter Kommunikation hinter sich lässt, ist nur der logische Schluss, wenn man keinen Begriff von Entertainment mehr hat.

Gelungenes Reality-TV lebt von Diversität, von Gegensätzen und genannter Fallhöhe. Nichts davon gelingt, setzt man auf ein so homogen erscheinendes, entweder völlig Show-untaugliches oder stumpf auf Krawall gebürstetes Ensemble. Das Boulevardeske braucht das sozial Verruchte und Verrufene, aber es bleibt nur so lange packend, wie eine Art Gegenpol zu ihm existiert, der es in Relationen setzen kann.

An Egos mangelt es den „Sommerhaus“-Teilnehmern nicht. Foto: RTL

Das Ende der Unterhaltung

Final kommt das auf Sendung, was am aufregendsten ist. Und natürlich: Es wird darüber gesprochen und geschrieben, auch hier bei DIGITAL FERNSEHEN. Wenn DAS allerdings die Highlights dieser „Sommerhaus“-Dreharbeiten sein sollen, sollte sich RTL, sollten sich auch andere Sender künftig doppelt überlegen, mit welchen Menschen man noch Sendezeit füllen möchte. Oder ob man sie mit einem solch niveaulosen Personal künftig überhaupt noch fortsetzen möchte, wenn man echte Showtalente mit der Lupe suchen muss.

Erfolg im Netz macht noch keinen Reality-Star! Mit Unterhaltung oder genießbarem Trash haben Ereignisse wie in der aktuellen „Sommerhaus“-Staffel nichts mehr zu tun. Es ist allein ein abgebrühtes, kalkuliertes Spiel mit der Unmenschlichkeit und dem Skandal, ein einseitiges Ausschlachten des Hässlichen, das man mit schlechter Laune, Abscheu und Langeweile verfolgt. Reality-TV hat sich als Genre in eine Sackgasse manövriert.

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Von

Janick Nolting

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