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#Eine Störung zur Unzeit

Eine Störung zur Unzeit

Es ist ein spektakulärer Stau. Die „Ever Given“, ein 400 Meter langes und 59 Meter breites Containerschiff, ist am Dienstag auf Grund gelaufen und blockierte wie ein diagonaler Damm eine Spur des Suezkanals. Bis zum Nachmittag bemühten sich die ägyptischen Behörden zwar „mit Hochdruck“, aber vergeblich, das 200-Tonnen-Fraschtschiff freizuziehen, das den Kanal nach Norden auf dem Weg nach Rotterdam durchqueren wollte. Es seien dafür acht Schlepper im Einsatz, teilte die Kanalbehörde am Mittwoch mit.

Christoph Ehrhardt

Der Reederei zufolge traf eine Windböe den Frachter und brachte ihn vom Kurs ab, woraufhin es in der Nähe der Hafenstadt Suez auf Grund lief. Laut der ägyptischen Kanalbehörde hat ein Sandsturm die Sicht des Kapitäns behindert. Später hieß es vom Branchendienstleister GAC unter Berufung auf die Kanalbehörde, es sei schon gelungen, den Frachter Richtung Ufer zu bewegen. Spätestens am Donnerstag soll zumindest ein Teil des Schiffsverkehrs wieder möglich sein.

Der Vorfall ist nicht nur eine massive Störung im Betriebsablauf der internationalen Schifffahrt. Etwa zwölf Prozent der Handelsgüter der Welt, werden durch die Wasserstraße verschifft, die Angaben der Kanalbehörde im vergangenen Jahr durchschnittlich 51,5 Schiffe am Tag benutzten. Vor allem rinnen dem ägyptischen Regime und dessen klammen Staatskassen dringend benötigte Einnahmen durch die Finger – und das auch noch in händeringend benötigter harter Währung. Jede einzelne Passage bringe zwischen 250.000 und 500.000 Dollar an Gebühren heißt es von Beobachtern in Kairo. Jeden Tag gehen Millionen verloren.

Die Kanalgesellschaft, die zum Wirtschaftsimperium des in Ägypten herrschenden Militärs gehört, erwirtschaftet einen gehörigen Teil der ägyptischen Staatseinnahmen. Im Haushaltsjahr 2019/2020 waren es laut den offiziellen Zahlen 5,8 Milliarden Dollar. Ägypter im Ausland bringen zwar mehr Devisen ins Land und in Zeiten vor der Corona-Pandemie brachte der Tourismus Ägypten etwa 13 Milliarden Dollar im Jahr. Aber die Einnahmen durch den Kanal waren Corona-Krisen-fest. Die Generäle in Kairo konnten hier auf Wachstum verweisen, während die gebeutelte ägyptische Wirtschaft durch die Pandemie weiter abgewürgt wurde.

Satelittenbild der Blockade durch „Ever Given“


Satelittenbild der Blockade durch „Ever Given“
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Bild: dpa

Admiral Osama Rabie, der Vorsitzende der Kanalbehörde, gab am 4. Mai 2020 bekannt, die Zahl der Passagen habe im Vergleich zum Vorjahr zugenommen, der Kanal habe in den ersten vier Monaten des Jahres 2020 im Vergleich zu dem Zeitraum im Vorjahr einen Anstieg seiner Einnahmen um 2 Prozent auf 1,907 Milliarden Dollar verzeichnet.

Kanalspur wurde 2015 eröffnet

Das Regime hat zuletzt viel Geld in den Kanal investiert, um Warte- und Fahrtzeiten zu verkürzen. Das soll die Zahl der Passagen und damit die Einnahmen drastisch erhöhen. Für 8,4 Milliarden Dollar wurde der Wüste eine weitere 36 Kilometer lange Kanalspur abgetrotzt. Sie wurde Im August 2015 mit großem Pomp eröffnet. Es wurde dafür eine eigene Goldmünze geprägt, die Erweiterung wurde als „Wiedergeburt“ und „Symbol des neuen Ägyptens“ gefeiert. Bis 2023 sollte sich die Zahl der Schiffe, die den Kanal jeden Tag durchqueren, auf 97 verdoppeln. Jetzt steckt die „Ever Given“ in dieser Spur fest.

Die Zahlen aus dem vergangenen Jahr (51,5 Schiffe am Tag) legen nahe, dass dies ehrgeizigen Ziele der Erweiterung weit verfehlt werden. Der Suezkanal mag zwar die kürzeste Seeverbindung zwischen Europa und Asien sein – in Zeiten sinkender Treibstoffpreise wird aber der Umweg um die Küste Afrikas und das Kap der Guten Hoffnung attraktiver. Zumindest ist der Schiffsverkehr mit der Erweiterung vor einem vollständigen Infarkt bewahrt. Kanalbehördenchef Rabie teilte am Mittwoch mit, der Schiffsverkehr solle durch die alte Kanalspur weiter fließen.

Enorm wichtig für den Nationalstolz

Schon vorher waren in der bewegten Geschichte des Kanals Schiffe steckengeblieben, etwa im Jahr 2017, als ein Containerschiff auf Grund lief. Damals konnte es aber binnen einiger Stunden befreit werden. Nicht nur für die ägyptischen Staatseinnahmen ist der Suezkanal von enormer Bedeutung. Für den Nationalstolz ist er womöglich noch wichtiger. Die Wasserstraße verkörpert Ägyptens Bedeutung in der Welt und die Selbstbehauptung des Landes gegen äußere Feinde. Tausende Ägypter kamen in der Wüste im Zuge der Bauarbeiten ums Leben, die 1859 begonnen hatten und zehn Jahre dauerten.

Ein französischer Diplomat im Ruhestand namens Ferdinand Lesseps hatte 1854 den ägyptischen Vizekönig Muhammad Said, einen Freund aus Jugendtagen, zu dem Mammutprojekt überredet. Weil aber Ismail, Neffe und Nachfolger des Vizekönigs, immense Schulden anhäufte, konnte das britische Empire die ägyptischen Anteile an der Wasserstraße erwerben und sich so die Kontrolle über die Kanalgesellschaft sichern.

Der noch heute als Nationalheld gefeierte Gamal Abd el Nasser, der 1952 an die Macht gelangt war, brachte den Kanal 1956 wieder unter ägyptische Hoheit. Er verstaatlichte die Suezkanalgesellschaft – in der Hoffnung, eine diplomatische Lösung erreichen zu können, bevor Briten und Franzosen militärisch intervenieren. Nasser selbst gab das Startsignal zur Besetzung des Büros der Kanalbehörde am 26. Juli 1956 in einer Rede. Das Codewort lautete: Ferdinand Lesseps. Der Plan, den Israel, Frankreich und Großbritannien daraufhin zur Rückeroberung der Hoheit über den Kanal schmiedeten, schlug fehl.

Israel sollte die Ägypter mit einer Invasion provozieren und auf diese Weise Briten und Franzosen den Vorwand liefern, ein Ultimatum für den Abzug der Ägypter und Israelis zu stellen. Nasser lehnte ab, Großbritannien und Frankreich intervenierten militärisch. Doch Druck Washingtons und Moskaus stoppte die Angreifer, Kairo feierte. Unter Präsident Abd al Fattah al Sisi, der um Nasser-Vergleiche nicht verlegen ist, muss jetzt eine weniger glorreiche Befreiungsaktion geführt werden. Die Bevölkerung könnte auch zu spüren bekommen, wie gut das gelingt. Kairo ließ die Ägypter zur Finanzierung der Kanal-Erweiterung Anteilsscheine zeichnen. Zu einem Zinssatz von zwölf Prozent.

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