Wissenschaft

#Eine Supererden-Atmosphäre im Visier

Auch den Gashüllen erdähnlicher Exoplaneten kommen Astronomen nun immer mehr auf die Spur: Das Webb-Teleskop hat überzeugende Hinweise auf die Atmosphäre einer heißen Supererde geliefert. Die Ergebnisse legen nahe, dass sie durch Gase gebildet wird, die aus der brodelnden Glut des Höllen-Planeten entweichen. Die Ergebnisse können nun zum Verständnis der atmosphärischen Entwicklung von Gesteinsplaneten beitragen, sagen die Forschenden.

Gibt es eine Atmosphäre und wenn ja, welche Merkmale besitzt sie? Nachdem mittlerweile Tausende von Planeten um ferne Sterne entdeckt wurden, steht diese Frage jetzt immer mehr im Fokus der Forschung. Bei den Gasriesen haben Astronomen schon in zahlreichen Fällen Einblicke in ihre Hüllen gewonnen, denn aufgrund der Größe und Struktur lassen sie sich vergleichsweise leicht erkennen und untersuchen. Die Erforschung der Atmosphären von Gesteinsplaneten ist dagegen deutlich schwieriger. Bereits seit einiger Zeit steht dabei der Planet 55 Cancri e im Visier der Astronomie. Er umkreist einen sonnenähnlichen Stern, der sich etwa 41 Lichtjahre von uns entfernt im Sternbild Krebs befindet.

Aus den bisherigen Untersuchungsergebnissen ging hervor, dass es sich um eine sogenannte Supererde handelt: 55 Cancri e ist ein Gesteinsplanet, der etwa den doppelten Durchmesser der Erde besitzt. Lebensfreundliche Bedingungen bietet er allerdings nicht. Denn 55 Cancri e umkreist seinen Wirtsstern so nah, dass er extrem aufgeheizt wird. Seine Oberfläche besteht deshalb wohl größtenteils aus brodelndem Magma. Dies gilt wohl auf jeden Fall für eine seiner Hälften: Man geht davon aus, dass der Planet eine Seite permanent dem Stern zuwendet, während die andere in ständiger Dunkelheit bleibt. Frühere Untersuchungen von 55 Cancri e anhand von Daten des Spitzer-Weltraumteleskops der NASA hatten auch bereits Hinweise auf eine mögliche Atmosphäre geliefert. Allerdings waren bisher keine klaren Schlussfolgerungen möglich.

Höllen-Planet mit Atmosphäre?

Deshalb haben die Forschenden um Renyu Hu vom California Institute of Technology in Pasadena nun Beobachtungen des deutlich leistungsfähigeren James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) ausgewertet. Konkret handelte es sich um Daten seiner Nahinfrarotkamera und des Mittelinfrarotinstruments. Obwohl das JWST damit kein direktes Bild von 55 Cancri e liefern kann, ist es in der Lage, subtile Veränderungen im Licht des Systems zu messen. Um Hinweise auf die Merkmale des Planeten zu bekommen, wendete das Team dabei nun eine Methode an, die als Sekundärfinsternisspektroskopie bezeichnet wird: Durch Subtraktion der Helligkeit des hinter dem Stern vorbeiziehenden Planeten von der Helligkeit, wenn er sich direkt neben dem Stern befindet, lassen sich die Emissionen von Infrarotlicht verschiedener Wellenlängen berechnen.

Wie die Forschenden berichten, ging der deutliche Hinweis auf eine Atmosphäre dabei aus den Temperaturmessungen anhand der Wärme-Abstrahlung hervor. Ihnen zufolge müsste die Temperatur auf der Tagseite eigentlich etwa 2.200 Grad Celsius betragen, wenn 55 Cancri e keine Atmosphäre besitzen würde oder nur von einem dünnen Schleier aus verdampftem Gestein bedeckt wäre. „Stattdessen zeigten die MIRI-Daten aber eine relativ niedrige Temperatur von nur etwa 1.500 Grad Celsius“, berichtet Hu. „Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass Energie von der Tagseite des Planeten auf die Nachtseite übertragen wird, höchstwahrscheinlich durch eine Atmosphäre mit vielen flüchtigen Bestandteilen“, erklärt der Astronom. Weitere Untersuchungsergebnisse untermauerten dies: In den Spektraldaten zeichneten sich Hinweise auf flüchtige Substanzen ab, berichtet das Team: „Sie deuten auf das Vorhandensein einer Atmosphäre hin, die Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid enthält – Substanzen, die bestimmte Lichtwellenlängen absorbieren“, sagt Co-Autor Aaron Bello-Arufe vom California Institute of Technology in Pasadena.

Von blubberndem Magma gespeist

Damit handelt es sich nun um die bisher stärksten Hinweise auf eine Atmosphäre bei einem Gesteinsplaneten außerhalb unseres Sonnensystems, resümieren die Astronomen. Ihnen zufolge besitzt 55 Cancri e allerdings keine sogenannte primäre Atmosphäre. Denn eine ursprüngliche Gashülle wäre aufgrund der hohen Temperatur und der intensiven Strahlung des Sterns längst verschwunden. Stattdessen ist davon auszugehen, dass sie ständig nachgebildet wird: Diese sekundäre Atmosphäre entsteht aus den Gasen, die aus dem Magmaozean von 55 Cancri e blubbern, erklären die Forschenden. Die Ergebnisse können deshalb nun zum Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Atmosphären, Oberflächen und dem Inneren von Gesteinsplaneten beitragen.

Damit richtet sich auch der Blick auf Erde, Venus und Mars. Denn man geht davon aus, dass sie ebenfalls einst von Magma bedeckt waren. „Letztendlich wollen wir verstehen, welche Bedingungen es einem Gesteinsplaneten ermöglichen, eine gasreiche Atmosphäre aufrechtzuerhalten: die wichtigste Zutat für lebensfreundliche Planeten“, sagt Hu. Abschließend hebt Co-Autor Brice-Olivier Demory von der Universität Bern die wegweisende Bedeutung der Studie hervor:: „Die Beobachtungen von 55 Canceri e sind auch ein gutes Vorzeichen für die Fähigkeit des JWST, kühlere – und möglicherweise lebensfreundliche – Gesteinsplaneten zu charakterisieren, die sonnenähnliche Sterne umkreisen”.

Quelle: NASA, Universität Bern, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-024-07432-x

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