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Eine Welt für sich

Sönke Neitzel hat den Sprengstoff in seinem neuen, gleich in mehrfacher Hinsicht spektakulären Buch sehr gut versteckt: „Deutsche Krieger: Vom Kaiserreich zur Berliner Republik“ heißt die Militärgeschichte des Potsdamer Historikers, die eigentlich erst Anfang November erscheinen sollte, jetzt aber vom Verlag eine Woche vorgezogen wurde. Eine 800 Seiten umfassende Studie, in der Neitzel die deutsche „Kriegskultur“ vom 19. Jahrhundert bis heute untersucht und dabei die Frage stellt, was ein Leutnant des Kaiserreichs, ein Offizier der Wehrmacht und ein Zugführer der Task Force Kunduz des Jahres 2010 gemein haben. Gibt es Kontinuitäten im militärischen Denken und Handeln?, fragt er. Und will die Bundesrepublik heute überhaupt noch Streitkräfte, „demokratische Krieger“, die wirklich fähig sind, intensive Gefechte gegen einen hochgerüsteten Gegner zu führen (wofür eine ganz andere Ausrüstung der Bundeswehr nötig wäre)? Oder will sie sich, ohne Kampftruppen, mit aller Konsequenz zur Rolle als Zivilmacht und „Global Social Worker“ bekennen?

Julia Encke

Julia Encke

Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Er beginnt dabei mit einem Zitat der ehemaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen: „Die Wehrmacht ist in keiner Form traditionsstiftend für die Bundeswehr. Einzige Ausnahme sind einige herausragende Einzeltaten im Widerstand. Das ist eine Selbstverständlichkeit, die von allen getragen werden muss“, hatte diese gesagt, als sie sich am 3. Mai 2017 zum Bundeswehrskandal um den unter Terrorverdacht stehenden rechtsradikalen Oberleutnant Franco Albrecht äußerte. Dem Verdacht, dass der Geist der Wehrmacht in Kasernen gedulde würde, sollte so energisch entgegengetreten werden. Wer sich jedoch „jenseits der beschwichtigenden Ministerialrhetorik“ ernsthaft mit den Streitkräften beschäftigte, so Neitzel, konnte die Spuren der Vergangenheit kaum übersehen.

Man kann Soldaten, die Bilder von heldenhaften Landsern in ihren Kasernen hängen haben, schnell für Nazis halten. Rechtsradikalismus und Verherrlichung der Wehrmacht gehen fast immer miteinander einher. Zur Erklärung soldatischer Identitäten, heißt es in „Deutsche Krieger“, trage dieser Befund jedoch wenig bei. Untersuchungen von Verfassungsschutz und MAD zeigten, dass nur ein einstelliger Prozentsatz der Soldaten einem rechtsradikalen Milieu zuzuordnen sei. „Weit mehr Bundeswehrsoldaten dürften die Wehrmacht aber nach wie vor für einen legitimen Teil ihrer Tradition halten.“ Das könne man empörend finden, müsse aber auch fragen, warum dies überhaupt so sei. Um die Suche nach der Antwort geht es in „Deutsche Krieger“.

Und so rückt Sönke Neitzel die reale oder potentielle Erfahrung vom Kämpfen, Töten und Sterben ins Zentrum seines Buchs, die Streitkräfte fundamental von anderen gesellschaftlichen Gruppen unterscheidet. In der Bundeswehr ist es nur eine Minderheit, die das Kämpfen in den Mittelpunkt ihrer beruflichen Identität stellt. Viele Soldaten haben als Techniker, Seeleute, Fahrer oder Verwaltungsbeamte eher zivile Aufgaben. Aber natürlich gibt es auch Kampftruppen. Und dass sich Soldaten, die sich in ihrem Selbstverständnis auf den Krieg ausrichten, dafür die passenden Vorbilder suchen, stellt für Neitzel eine „banale Erkenntnis“ dar. Die Deutschen aber „haben sich mit ihr nach dem Zweiten Weltkrieg schwergetan. Der Kulturbruch war so tief, die Verbrechen waren so unfassbar, die Niederlage auch moralisch so total, dass sich ihr Verhältnis zum Militär grundlegend änderte. Zu Pazifisten wurden die meisten zwar nicht, aber Gesellschaft und Politik blickten kritischer als zuvor auf ihre Soldaten, suchten sie einzuhegen, ein Stück weit zu zivilisieren und nicht zuletzt von der Vergangenheit abzugrenzen.“

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