Wissenschaft

#Einsame sehen die Welt anders

Wer sich einsam fühlt, hat oft das Gefühl, von anderen nicht verstanden zu werden. Eine Studie bestätigt nun diesen Eindruck anhand von Hirnscans: Während Testpersonen, die sich sozial eingebunden fühlen, alle ähnliche neuronale Reaktionen auf eine Reihe von Videos zeigten, unterschieden sich die Reaktionen bei einsamen Probanden deutlich. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Personen, die von Einsamkeitsgefühlen berichteten, tatsächlich objektiv einsam sind. Die neuen Erkenntnisse könnten auch erklären, warum sich manche Betroffenen selbst umgeben von Menschen allein fühlen.

Nicht erst seit pandemiebedingten Lockdowns und Abstandsgeboten klagen viele Menschen über Einsamkeit. Dabei geht das Gefühl der Einsamkeit nicht unbedingt mit sozialer Isolation einher. Während manche Menschen bewusst Phasen des Alleinseins suchen und sich damit wohlfühlen, fühlen sich andere gerade dann einsam, wenn sie inmitten anderer Menschen sind. Zu den Auslösern zählt oft der Eindruck, anders zu sein als die anderen und von ihnen nicht verstanden zu werden.

Unterschiedliche Hirnreaktionen

Ein Team um Elisa Baek von der University of California in Los Angeles hat nun gezeigt, dass das Gehirn einsamer Personen tatsächlich anders arbeitet als das ihrer nicht einsamen Altersgenossen. Für die Studie zeigten die Forschenden 66 Studienanfängern eine Reihe kurzer Videoclips – darunter Ausschnitte aus Komödien, Dokumentationsfilmen, Partyszenen und sentimentalen Musikvideos. Währenddessen maßen sie mit Hilfe funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) die Aktivität in verschiedenen Hirnregionen der Probanden. Anschließend ließen sie die Teilnehmenden einen standardisierten Fragebogen zum Thema Einsamkeit ausfüllen, der sowohl die subjektiv empfundene als auch die objektive Einsamkeit erhebt. Alle Versuche fanden zu Beginn des Wintersemesters 2019/20 statt, also vor der COVID-19-Pandemie.

Das Ergebnis: „Wir fanden heraus, dass nicht einsame Personen sich in ihren neuronalen Reaktionen sehr ähnlich waren, während einsame Personen sich untereinander und im Vergleich zu ihren nicht einsamen Altersgenossen bemerkenswert unähnlich waren“, berichten Baek und ihr Team. Die Unterschiede betrafen vor allem das sogenannte Default Mode Netzwerk im Gehirn, auch genannt Ruhezustandsnetzwerk. Dabei handelt es sich um Hirnregionen, die vor allem aktiv sind, wenn wir ruhen, Tagträumen nachhängen oder uns mit uns selbst beschäftigen. Frühere Studien haben zudem gezeigt, dass Personen, die eine ähnliche Aktivität im Ruhezustandsnetzwerk haben, Geschichten und Ereignisse auf ähnliche Weise wahrnehmen und interpretieren.

Jeder ist anders einsam

„Unsere Ergebnisse decken sich mit neueren Annahmen, dass das Default-Mode-Netzwerk ein ‚sinnstiftendes‘ Netzwerk ist, das externe Informationen über die Umgebung eines Individuums mit bestehenden internen Informationen über vergangene Erinnerungen und Wissen kombiniert“, erläutert das Forschungsteam. Auch in Bereichen des Belohnungssystems wie dem Nucleus accumbens zeigten sich Unterschiede. „Es könnte also sein, dass einsame Personen andere Aspekte von Situationen als wertvoll empfinden als ihre Altersgenossen, vielleicht aufgrund von Unterschieden in ihren Vorlieben, Erwartungen und/oder Erinnerungen, die wiederum die Art und Weise beeinflussen können, wie sie Stimuli wahrnehmen und interpretieren.“

Aus Sicht von Baek und ihrem Team könnte das zu einer sich verstärkenden Rückkopplungsschleife führen: „Wenn einsame Menschen sich selbst als anderes als ihre Altersgenossen wahrnehmen, kann das zu weiteren Herausforderungen beim Aufbau sozialer Beziehungen führen und die Einsamkeit verstärken“, erklären sie. Dazu passt die Beobachtung, dass viele der Testpersonen angaben, sich subjektiv einsam zu fühlen, obwohl sie oft Zeit mit Freunden verbrachten. „Das legt nahe, dass unsere Ergebnisse nicht nur eine Folge davon sind, dass einsame Personen seltener Freunde haben“, schreiben die Autoren. „Stattdessen beobachteten wir, dass Personen mit einem hohen Maß an Einsamkeit – unabhängig von der Anzahl ihrer objektiven sozialen Verbindungen – mit größerer Wahrscheinlichkeit einzigartige neuronale Reaktionen aufweisen.“

Ob dabei das Gefühl der Einsamkeit die Verarbeitung im Gehirn verändert, oder ob eine veränderte neuronale Verarbeitung das Risiko für Einsamkeit erhöht, lässt sich aus der aktuellen Studie nicht ableiten. In zukünftigen Arbeiten will das Team diese Frage mit Hilfe von Längsschnittstudien untersuchen, bei denen die gleichen Personen über eine längere Zeitspanne hinweg beobachtet werden. Zudem wollen die Forschenden auch Menschen anderer Altersgruppen in ihre Studien einbeziehen.

Quelle: Elisa Baek (University of California, Los Angeles) et al., Psychological Science, doi: 10.1177/09567976221145316

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