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#Elena fährt an die Front

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„Elena fährt an die Front“

Elena fährt jede Woche den Bomben entgegen. Von ihrer Heimatstadt Odessa sind es 140 Kilometer in die Frontstadt Mykolajiw. Während in Odessa kaum mehr jemand auf den Luftalarm reagiert, wird Mykolajiw immer wieder von Explosionen erschüttert. Elena hat trotzdem keine Angst, weder vor den russischen Raketen noch vor der Streumunition. Sie sei vor dem Krieg eine starke Frau gewesen und sei es geblieben. „Das ist eben mein Naturell.“ Sie lacht.

Eine flache Landschaft zieht vorbei, Felder, Wiesen, am Himmel keine Wolke. Der Raps blüht. „Wunderschön, nicht wahr?“, sagt sie. In ihrem silbernen Honda türmen sich Zucker, Kohl, Sonnenblumenöl, Eier, Zwiebeln, Kartoffeln und Kräuter bis unters Dach. In aller Frühe, der Metzger hatte eben erst geöffnet, hat sie siebzig Kilogramm Fleisch gekauft und auf dem Rücksitz verstaut. Kartoffeln allein stärken nicht, schon gar nicht einen Soldaten. Als in der Ferne eine Kirche auftaucht, nimmt Elena eine Hand vom Steuer und bekreuzigt sich. Sie fährt jetzt langsamer. Eine Rakete hat in den ersten Kriegstagen die Straße getroffen. Im notdürftig reparierten Asphalt klafft noch ein Loch.

Elena, Mitte fünfzig und in Kasachstan geboren, gehört zu einer riesigen ukrainischen Macht im Hintergrund. Zu den zahllosen Freiwilligen, die die Kriegsmaschinerie stützen. Menschen wie Elena bewirken im Kleinen Großes, ohne sie würde der Krieg für die Ukraine vielleicht schon verloren sein. Einmal, als Elena ihr überladenes Auto betrachtete, als ihr klar wurde, wie viele Lebensmittel für Mykolajiw von Nachbarn, Freunden und über soziale Netzwerke zusammengekommen waren, kamen ihr vor Freude die Tränen. Patriotismus schweißt zusammen.

Elena sagt: „Ich war vor dem Krieg eine große Patriotin, jetzt bin ich eine noch größere.“ Wieder dieses Lachen, warm und voller Zuversicht. Sie glaubt, dass ihr Land Putins Armee besiegt. Bald. Ihren linken Unterarm ziert seit ein paar Jahren ein Tattoo, es ist ein Dreizack, das Wappen der Ukraine, darüber eine rote Blume. Früher reiste Elena im Urlaub oft nach Europa, doch als russischsprachige Ukrainerin war Elena es leid, ständig klarstellen zu müssen: Ich bin keine Russin. Das Tattoo soll jetzt für sie sprechen.

Ein paar Lastwagen donnern über die Straße, wahrscheinlich transportieren auch sie Hilfsgüter für die umkämpfte Region, ansonsten herrscht wenig Verkehr. Mykolajiw, das Zentrum des ukrainischen Schiffbaus, wo zwei Ströme zusammenfließen und vor dem Krieg 475.000 Menschen lebten, ist Odessas Schutzwall. Eine Festung, die die russische Armee stürmen muss, um nach Odessa vorzustoßen. Mykolajiw und Odessa sind schicksalhaft miteinander verbunden. In Odessa sagen sie: Wenn Mykolajiw fällt, fällt auch Odessa.

Elena beim Beladen ihres Auto in Odessa


Elena beim Beladen ihres Auto in Odessa
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Bild: Serge Poliakov

Als Russlands Armee die Ukraine am 24. Februar angriff, war Elena bei ihrer Schwester in Lwiw. Gerade noch hatten sie gelacht, Kaffee getrunken und lange geredet, und plötzlich herrschte Krieg. Bis zu dem Augenblick, als der Luftalarm sie aus dem Schlaf riss, war Elena überzeugt, dass Putin trotz des russischen Truppenaufmarsches an der Grenze nur blufft, Angst verbreitet, ohne Taten folgen zu lassen. „Warum hassen sie uns so?“, fragt Elena. Sie weiß, dass sie darauf nie eine Antwort bekommen wird. Am 25. Februar packte Elena hastig ihre Sachen, schockiert vom Einmarsch, und nahm den ersten Zug nach Odessa. Sie wollte zu Hause sein, bei ihrem Mann und in der Nähe ihrer älteren Tochter und der Enkelkinder, obwohl auch Odessa alles andere als ein sicherer Ort war. Als sie in Odessa ankam, habe sie sich trotzdem sofort besser gefühlt, voller Tatendrang. Hätte der Krieg sie gelähmt, wäre auch das ein kleiner Sieg für den Feind gewesen.

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