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#Ende einer Grenze

Ende einer Grenze

Dreißig Jahre? Ist das wirklich erst dreißig Jahre her? Hat die Mauer, vor der auf Josef Wolfgang Mayers Fotografie von der Ecke Zimmerstraße/Charlottenstraße ein improvisierter Verkaufsstand aus dem Kofferraum eines alten Mercedes sowjetische Militärmützen und Gasmasken feilbietet, damals wirklich noch gestanden? Lag die Oberbaumbrücke, über die heute der Berliner Verkehr rauscht, tatsächlich im Grenzgebiet?

Andreas  Kilb

Wer Mayers Fotografien aus dem Sommer 1990 betrachtet, tritt in eine abgetrennte Zeit ein, die gerade deshalb so unwirklich erscheint, weil sie eine Zeit der Verwirklichung war, des Übergangs aus einem geschichtlichen Zustand in den anderen. Deutschland war nicht mehr geteilt, aber noch nicht vereint. Die Berliner Mauer war schon funktionslos geworden, aber noch nicht abgerissen. Auf der Brache des einstigen Todesstreifens verrottete die Hinterlassenschaft einer untergegangenen Welt, und in der Luft schwirrten die Hoffnungen von Generationen, die auf ihre Chance, ihr Tor in die Freiheit gewartet hatten. Viele sind enttäuscht worden, aber der Glanz dieses Sommers nutzt sich nicht ab.

Josef Wolfgang Mayer hat seine Bilder aus dem letzten Berliner Mauerjahr dadurch historisch haltbar gemacht, dass er sie als Triptychen fotografierte. Dadurch bekommt man mehr als nur einen Eindruck von dem Trümmerfeld, das die Stadtlandschaft damals war. Man sieht sie in ihrer ganzen Breite: die verwunschene Gegend hinter dem Jahn-Sportpark, in der damals die Grenze zwischen den Bezirken Mitte und Wedding lag. Das deutsch-deutsche Niemands-Eck an der Thomaskirche in Kreuzberg, an dem ein orangefarbener Umzugswagen und ein Marlboro-Werbeplakat über die einstige Systemgrenze gesprungen sind.


Bild: Josef Wolfgang Mayer


Bild: Josef Wolfgang Mayer


Bild: Josef Wolfgang Mayer

Oder die Sperren und Kontrollpunkte an den Ausfallstraßen, die heute nach Brandenburg hinausführen. Man blickt in Mayers Bildband wie in die Glaskugel einer Geisterseherin: Eben war die Mauer noch da – und schon, in einem Augenzwinkern, ist sie weg. Dreißig Jahre ist das her. Und eine Ewigkeit.

„Standing by the Wall – Berlin 1990“ von Josef Wolfgang Mayer. Mit Texten von Peter Steinbach und Thomas Gust. Buchkunst Berlin Verlag, Berlin 2020. 172 Seiten, 42 Klapptafeln. Gebunden, 45 Euro.

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