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#Erst beten, dann brauen

„Erst beten, dann brauen“

So steht es im Amtlichen Führer Herrenchiemsee, in dritter Auflage 2013 herausgegeben von der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung: „Ehemalige Domstiftskirche (nicht zugänglich) St. Sixtus und St. Sebastian geweiht. 1676 bis 1679 weitgehender Neubau durch Lorenzo Sciasca auf älteren Fundamenten (. . .). 1807 bis 1820 Versteigerung des Kircheninventars, Teilabbruch und Einbau einer Brauerei.“

Seit vergangenem Sommer stimmt das nicht mehr so ganz, denn da hat der bayerische Finanzminister, zu dessen Reich die Schlösser- und Seenverwaltung gehört, die Kirche wieder geöffnet, bis Corona sie alsbald schloss. Der Führer wird gewiss für die nächste Auflage aktualisiert, denn die prominent gelegene Stiftskirche, im Volksmund als Inseldom bekannt, ist immer noch beides, eine ehemalige Kirche und eine ehemalige Brauerei, aber nun ist sie zugänglich als Museum der ziemlich seltsamsten Baugeschichte weit und breit. Doch der Reihe nach, und die reicht in diesem Fall bis ins siebte Jahrhundert zurück.

Grabungen, die von 1979 an auf Herrenchiemsee unternommen wurden, datierten den vorkarolingischen Kirchenbau am höchsten Punkt der Insel anhand von Pfahlresten auf das Jahr 629 – oder früher. Hermann Danninger, vor zwei Jahren verstorbener ehemaliger Direktor der Prähistorischen Staatssammlungen, konnte das aufgrund dendrologischer Untersuchungen nachweisen. Seltsamerweise korreliert die Datierung mit jener, die Johann Georg Turmair, genannt Aventinus, der Vater der bayerischen Geschichtsschreibung, in seinen von 1517 bis 1522 verfassten „Annales ducum Boiariae“ vorgenommen hatte.

Der Inseldom wurde im siebzehnten Jahrhundert im Stil des Frühbarock völlig neu gestaltet, später erfolgten gravierende Rückbauten, deren Spuren bis heute an der Fassade ablesbar sind. Sie führten zu einem scheunenartigen Aussehen.


Der Inseldom wurde im siebzehnten Jahrhundert im Stil des Frühbarock völlig neu gestaltet, später erfolgten gravierende Rückbauten, deren Spuren bis heute an der Fassade ablesbar sind. Sie führten zu einem scheunenartigen Aussehen.
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Bild: Bayrische Verwaltung der staatlichen Schlösser und Gärten

„Aventinus stützte sich auf den Missionar Eustasius, hatte aber womöglich Quellen, die heute verloren sind“, vermutet Thomas Marr, der bei der Schlösserverwaltung unter anderem zuständig für den Inseldom ist. Mit einer Gründung vor dem Jahr 629 liegt der Bau im Rennen um das älteste bayerische Kloster in der Spitzengruppe. Ein Wettkampf, den besonders Lokalpolitiker gern befeuern, weil sie sich touristische Effekte versprechen. Marr sieht solche Datierungsrennen naturgemäß skeptisch.

Klein war diese Kirche nie, in späteren Jahrhunderten wurde aus der Abtei St. Salvator im Hochmittelalter ein Augustiner Chorherrenstift. Von 1216 an war es der Sitz des Bistums Chiemsee, eingesetzt vom mächtigen Salzburger Bischof. Im siebzehnten Jahrhundert wurde die Kirche im Stil des Frühbarock völlig neu gestaltet. In der Fassade erkennbar sind heute noch Blendfenster, dort standen einst in Nischen Figuren der heiligen Augustinus, Benedikt, Sebastian und Sixtus. Aber man muss schon genau hinsehen: Dass das Gebäude auf den ersten Blick nicht mehr als Kirche zu erkennen ist, sondern wie eine überdimensionale Scheune mit Krüppelwalmdach wirkt, liegt auch am Rückbau.

Ohne Rücksicht auf Verluste

Denn mit der Säkularisation wird das Kloster 1807 aufgelöst, der Bau profaniert und verkauft. Ohne Rücksicht auf Verluste der historischen Bausubstanz: Bereits 1727 war die gotische Spitze des Südturms eingestürzt, worauf man den Türmen welsche Hauben verpasste. 1819/20 kappt man beide Türme und trägt den Chor ab. Im verbliebenen Langhaus des Kirchenschiffs wird – möglicherweise erst in den Sechzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts – auf vier Hauptgeschossen ein Sudhaus, Mälzerei, Darre, Bierkeller und alles weitere für eine Brauerei Nötige eingebaut. Die Geschichte dieser Verwandlung ist noch nicht in allen Details erforscht.

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