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#Es fliegt ein Falke nach Nirgendwo

Es fliegt ein Falke nach Nirgendwo

Kritik ist nicht mehr erwünscht. Wenn große Unterhaltungskonzerne Inhalte wie Filme, Serien oder Videospiele lancieren wollen, dann bedienen sie sich einer Technik, die das Varietétheater schon seit Jahrzehnten beherrscht: Zeige immer nur einen Teil, locke mit Fragmenten, dann ist die Aufmerksamkeit des Publikums gewiss. Auf diesem Weg finden Streamingportale wie jene von Disney oder HBO zurück zu ganz linearen Ausstrahlungsmethoden, bei denen jede Woche zu einem bestimmten Zeitpunkt eine neue Folge einer aktuellen Serie freigegeben wird. Die Schaulust des Publikums wird durch einen Mangel angeheizt, der dem Alleinstellungsmerkmal der Streamingportale plötzlich entgegensteht: alles zu jeder Zeit in vollem Umfang zur Verfügung zu haben und, wenn man es will, eine Serie in zehn Stunden durchzu-„bingen“.

Axel Weidemann

Das wäre alles kein Problem, wenn diejenigen, die darüber schreiben dürfen, sich aber ein Urteil bilden müssen, von diesem beabsichtigten Mangel nicht betroffen wären. Wie? Indem, wie im Fall der neuen Disney-Serie „The Falcon and the Winter Soldier“, auch Journalisten vorab nur eine einzige Folge zu sehen bekommen. Da wird es natürlich schwierig mit einem ausgewogenen Urteil, zumal, wenn die Vorhersehbarkeit wie in den jüngsten Marvel-Produkten erfreulicherweise immer mehr abnimmt.

Aber ein Urteil als Handreichung oder vorsichtige Einordnung, das auf Beobachtung gründet, läuft den Wünschen der Unterhaltungsindustrie ohnehin zuwider. Sowohl Streaming-Giganten als auch die großen Player der Videospielindustrie spielen mit ihrem Publikum lieber eine Art Erregungsschnitzeljagd, bei der – siehe Varieté – immer nur ein bisschen Haut gezeigt wird. Auf dass die Schnitzeljagdgesellschaft – Blogger, V-Logger und etablierte Nachrichtenportale gleichermaßen – brav über den neusten Fund berichten. Nach dieser Logik muss etwas nur (in Teilen) existieren, schon ist es berichtenswert. Was dabei herauskommt, ist kaum mehr von Bedeutung.

Jetzt kann sich kaum ein Serienkritiker stets immer alle zehn bis zwanzig Folgen einer Serie ansehen. Man würde sich jedoch wundern, wie viele Folgen sich die Kollegen oft in kürzester Zeit vornehmen, um wenigstens ein annähernd gerechtes Urteil fällen zu können.

Nur die ersten Minuten von „Spiel mir das Lied vom Tod“?

Doch nehmen wir beispielsweise an, das Filmstudio Paramount hätte bereits 1968 damit angefangen, zu sagen: Liebe Kritiker seht her, wir zeigen euch nur die ersten acht Minuten von „Spiel mir das Lied vom Tod“ (bei Veröffentlichung ohnehin schon um 25 Minuten gekürzt), und jetzt schreibt mal schön. Worüber hätte man dann geschrieben? Über drei Cowboys, die am Bahnhof auf einen Mann warten, der – es dauert etwas bis zu seiner Ankunft – ein wenig in seine Mundharmonika bläst und komisch guckt. Selbstverständlich erzählt selbst diese kurze Sequenz schon viel über seine Beziehung zum Trio. Aber so genau weiß ja niemand, ob die drei nicht das letzte Mitglied einer Bluegrass-Band abholen, um sich gemeinsam auf einen Roadtrip zum Schützenfest in Santa Fe zu begeben.

Wie immer hat hier nicht nur das Internet schuld, sondern Menschen, die sich darin danebenbenehmen. So hatten Medienunternehmen wie HBO, Sony und zuletzt auch Videospielentwickler in den vergangenen Jahren vermehrt mit Leuten zu kämpfen, die Spaß daran haben, Server zu kapern, auf denen Skripte und Details zum Ausgang populärer Serien oder Videospiele gespeichert sind, und diese im Internet zu veröffentlichen. Einfach weil man es kann. Ein anderes Problem sind Netzkanäle – Popkulturportale und Youtube-Erhitzer –, deren Berichterstattung aus Trailer-ankündigungen und Story-Spekulationen besteht, die keine Rücksicht auf sogenannte Spoiler nehmen. Das hat nicht nur zu einer gefährlichen Paranoia auf Unternehmensseite geführt, die zur Folge hat, dass Journalisten ständig Embargos und Spoilervereinbarungen unterzeichnen und damit für den Schabernack der Hacker, Spielverderber und Plaudertaschen haften müssen. Es wird eben auch viel mehr unter Verschluss gehalten, weil ja keinem mehr zu trauen ist.

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