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#EU-Verordnung führt zum Mangel an Stents für Babys

„EU-Verordnung führt zum Mangel an Stents für Babys“

Die Corona-Lage mag sich entspannen, doch die Versorgung im Gesundheitswesen steht schon vor dem nächsten Rückschlag. Immer mehr Medizinprodukte verschwinden vom Markt, weil die Hersteller die neuen europäischen Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllen können. Einer noch unveröffentlichten Umfrage unter fast 400 deutschen Unternehmen zufolge, die der F.A.Z. vorliegt, ist die Situation in einigen Anwendungsfeldern brenzlig, weil es für die verdrängten Nischenprodukte keinen Ersatz gibt. In der Kinderheilkunde betrifft das zum Beispiel Baby-Stents – Implantate zum Offenhalten von Gefäßen – oder Radiofrequenz-Perforationskatheter für verklebte Herzklappen von Neugeborenen. Auch für Erwachsene fehlt es zunehmend an chirurgischen Ins­tru­menten, an Implantaten, Rönt­gen­tischen oder Sitz- und Aufstehbetten.

In allen 21 Anwendungsgebieten, welche der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Industrieverband Spectaris und das baden-württembergische Medizincluster Medical Mountains abgefragt haben, werden Bestandsprodukte vom Markt genommen. In 16 dieser Felder streicht mehr als die Hälfte der Unternehmen einzelne Produkte oder ganze Sortimente. Das gilt zum Beispiel für die Orthopädie oder chirurgische Instrumente.

Medizinische Produkte brauchen CE-Kennzeichnung

Verantwortlich dafür sei die Medizinprodukteverordnung (MDR) der EU, die seit einem Jahr in Kraft ist, heißt es in der Bilanz. Sie erhöhe Kosten und Bürokratie, erhebe nicht zu erfüllende Anforderungen, stelle zugleich aber auch nicht genügend Prüf- und Zulassungsstellen zur Verfügung. Deshalb sei die MDR „an vielen Stellen nicht praxistauglich“, sagt Martin Leonhard von Spectaris. Er sieht Gefahren darin, dass Produkte verschwinden und an ihre Stelle nicht zugelassener Ersatz tritt. Für einzelne Gruppen sei die Versorgungslage schwierig, etwa für Kinder.




Medizinische Produkte brauchen in Europa eine CE-Kennzeichnung, die bescheinigt, dass sie grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllen (Konformität). Die Details dazu regelt die EU-Verordnung. Ihr Ziel, für Sicherheit und Verlässlichkeit zu sorgen, befürwortet die Branche, doch schießen die Bestimmungen ihrer Meinung nach über das Ziel hinaus.

Die Konformitätsbewertung obliegt Benannten Stellen, zertifizierten Prüfeinrichtungen, die es früher schon gab, die ihre staatliche Autorisierung aber verloren haben und sich jetzt neu qualifizieren müssen. Die Benennung sei derart komplex, dass es bisher weniger als die Hälfte der ehemals 59 Benannten Stellen gebe, sagt Julia Steckeler von Medical Mountains. Dadurch verlängerten sich die Verfahren, zum Teil verdopple sich die Dauer. Die Kosten der Unternehmen seien um durchschnittlich 100 Prozent gestiegen. Zwar erfordern nicht alle Medizinprodukte ein Konformitätsverfahren. Aber die Auflagen sind für viel mehr Produktgruppen vorgeschrieben als früher, als noch die alte EU-Richtlinie (MDD) galt.

Innovationen liegen vielerorts auf Eis

Das neue, aufwendige Verfahren betrifft Medizinprodukte in der EU unabhängig von ihrer Herkunft. Auf den ersten Blick liegt daher kein Nachteil für europäische Anbieter vor. Indirekt aber doch, da diese die EU noch vor der Markteinführung als Pilotmarkt nutzen und schon dann die MDR greift. Hingegen testen asiatische oder amerikanische Konkurrenten ihre Produkte zunächst in der Heimat, was einfacher und kostengünstiger ist. Der Wettbewerbsdruck führt dazu, dass jetzt Europäer in Drittländer ausweichen, ein Fünftel beantragt die Erstzulassung inzwischen in Amerika oder Asien.

Bei fast jedem zweiten befragten Betrieb liegen als Folge der MDR Innovationen auf Eis. „Die Politik muss den Erhalt der Wettbewerbs- und Innovationskraft der Medizintechnik-Branche stärker in den Blick nehmen, das hat positive Effekte auf die Gesundheitsversorgung in der EU“, fordert Achim Dercks vom DIHK. Die Umfrage beschränkt sich auf deutsche Betriebe, beansprucht aber Gültigkeit für die ganze EU, da die Deutschen 41 Prozent des europäischen Umsatzes erwirtschaften. Um die Lage zu entspannen, empfiehlt die Indus­trie, alte Zertifikate, die sich bis zum Stichtag 2024 nicht in die MDR überführen ließen, unbürokratisch zu verlängern. Sonst drohe ein Ende der Verfügbarkeit dieser Produkte. Zudem müssten mehr Benannte Stellen autorisiert werden. Erleichterungen sollte es auch bei den klinischen Daten geben: Aufgrund fehlender Prüfärzte und ethischer Bedenken sei es oft nicht möglich, die verlangten Studien zu erstellen.

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