Europa ist endgültig der Hotspot der Krise

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In schöner Regelmäßigkeit bricht das sinnvolle Projekt, aus der Klimapolitik eine Erfolgsgeschichte zu machen und ökonomisch wie politisch Honig aus den Möglichkeiten der Energiewende zu saugen, kläglich in sich zusammen. Immer dann nämlich, wenn im politischen Kalkül der Klimawandel als nachrangig eingestuft und, wie jetzt, auch noch die Wissenschaft neue, erschütternde Tatsachen zur Klimakrise ans Licht der Öffentlichkeit zerrt. Dann sind plötzlich wieder alle desillusioniert: Katastrophe!
Europa ist der sich am schnellsten erwärmende Kontinent, die Gletscher schmelzen schneller, die Ressourcen schwinden schneller, die klimatische Stabilität geht schneller verloren als anderswo. Europas Klimazahlen leuchten rot wie das Fegefeuer. Und: Die Heizer sind immer noch am Werk.
Wie lange soll das noch gut gehen?
Die mehr als dreihundert Toten, die allein die ausgedehnten Hochwasser des Jahres 2024 gefordert haben, erweisen sich im Lichte der meteorologischen Empirie nur als die bittersten Lehren in diesem einen Jahr. Viel entscheidender aber ist: Die lange Liste der Minusrekorde, die vom Copernicus-Klimawandeldienst gemeinsam mit der Weltmeteorologiebehörde soeben präsentiert wurde, ist nicht mehr als eine Momentaufnahme.
Keine Schlussbilanz der Krise. Immer wieder erliegt die Politik dieser Versuchung: anzunehmen (oder zu hoffen?), der Tiefpunkt sei erreicht, die Talsohle durchschritten. Auch in ökonomischer Hinsicht lässt sich das beobachten. Das Missverhältnis von Risikoeinschätzung und Klimarealität verschiebt sich immer deutlicher zu unseren Ungunsten.
Wer trägt diese Verluste, wenn in dreißig, vierzig oder fünfzig Jahren bei ungebremster Aufheizung der Welt die Hälfte der Wirtschaftsleistung schwindet, weil die Gegenmaßnahmen und Reparaturen die Budgets auffressen? Wie lange soll das noch gut gehen: Nach mir die Sintflut? Für einen kurzen Moment der geopolitischen Gegenwart schien diese Haltung überwunden.
Das war, als mitten in Europa, in Paris, die Welt sich fast geschlossen auf die Seite der Zukunft stellte und die bedrohlichen Züge der Vergangenheit hinter sich zu lassen versprach. Es wurde angefangen, zu haushalten, um die planetare Krise zu meistern. Bis dann andere, als existenziell wahrgenommene Zivilisationskrisen die ersten mühsamen Ansätze der ökologischen Krisenbewältigung aufzufressen begannen.
Klimapolitik ist ein Selbsterhaltungstrieb
Die Hoffnung nach Paris war und sollte sein, die Klimaherausforderung als Ad-hoc-Chance zu begreifen: Eine energetische Transformation möglichst rasch zu realisieren, kulturellen wie technischen Fortschritt voranzutreiben. Macht den Klimaschutz attraktiv, hieß es von da. Und welche Gesellschaft, wenn nicht die große europäische, hätte die besten Chancen, voranzugehen?
Inzwischen wissen wir: Sie bringt nicht nur die intellektuellen Ressourcen mit, sie sollte auch in der Lage sein, die anderswo stark bedrohte demokratische und sozioökonomische Stabilität zu bewahren – und vor allem: Europa hat es angesichts der nun evidenten klimatischen Bedrohungslage besonders dringend nötig. Die europäischen Staaten und Brüssel können aus purem Selbsterhaltungstrieb nicht mehr anders, als klimapolitisch voranzugehen. Mutig neue Wege zu gehen und die Krise nicht aus den Augen zu verlieren.
Diese generationenübergreifende Verantwortung steht von selbst zwar nicht in dem nun vorgelegten Klimabericht. Aber es steht in jeder der mehr als hundert Seiten zwischen den Zeilen. Was unübersehbar drinsteht: Das Drama löst sich von allein nicht in Luft auf, nicht ohne ein unerschütterliches Problembewusstsein.
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